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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Vadianus - Vahlen.

gewisse Zwecke, gleichsam als Begleiter in allen möglichen Lagen des Lebens, zuweilen auch als Quellen der Erheiterung dienen sollen.

Vadiānus (eigentlich von Watt), Joachim, berühmter schweizer. Humanist, geb. 30. Dez. 1484 zu St. Gallen, wurde 1514 Professor in Wien, 1518 Stadtarzt in seiner Vaterstadt und 1526 Bürgermeister daselbst; starb hier 6. April 1551. V. war ein eifriger Beförderer der Reformation. Von seinen lateinischen Schriften nennen wir: »Commentarii in Pomponium Melam« (Wien 1518); »Epitome trium terrae partium« (Zürich 1534); »Aphorismorum libri VI de consideratione Eucharistiae« (das. 1536). Seine »Deutschen historischen Schriften«, darunter die »Chronik der Äbte des Klosters St. Gallen«, wurden von Götzinger herausgegeben (St. Gallen 1875-79, 3 Bde.). Vgl. Pressel, Joachim Vadian (Elberf. 1861); Keßler, Vita Vadiani (St. Gallen 1865); Geilfus, J. v. Watt als geographischer Schriftsteller (Winterth. 1865).

Vadĭum (lat.), Bürgschaftsgeld, Anzahlung.

Vadred, Piz, eins der Berghäupter der Graubündner Alpen (3234 m), bildet zwischen Flüela- und Scalettapaß eine firnbelastete Gruppe. Die größern Eisströme senken sich in das Val Susasca hinab.

Vadsö (Wadsö), aufblühende Stadt im norweg. Amt Finnmarken, am nördlichen Ufer des Warangerfjords, mit (1876) 1764 Einw. V. ist Sitz eines deutschen Konsuls.

Vaduz (ursprünglich Valdulsch, »Süßthal«), Hauptort des Fürstentums Liechtenstein, unweit des Rheins und an der Linie Feldkirch-Buchs der österreichischen Vorarlberger Eisenbahn, Sitz der fürstlichen Regierung und des Landtags, hat eine gotische Kirche, eine Realschule, ein Landgericht, Weberei und Spinnerei, Weinbau, Alpenwirtschaft und (1880) 1018 kath. Einwohner. Dabei das alte, zum Teil als Ruine stehende Felsenschloß Hohen-Liechtenstein, am Fuß der 2500 m hohen, imposanten Berggruppe Drei Schwestern.

Vāg (lat.), unstet; unbestimmt im Ausdruck.

Vaga, Perino del, eigentlich Pietro Buonaccorsi, ital. Maler, geb. 1500 zu Florenz, erhielt nach seinem Lehrer, dem Florentiner Maler Vaga, den Namen V. In Rom wurde er Raffaels Schüler und führte nach dessen Zeichnungen mit Giovanni da Udine in den Loggien und andern Räumen des Vatikans Stukkaturen u. Dekorationsmalereien aus. Durch diese Werke in Ruf gekommen, erhielt er zahlreiche Bestellungen, meist zur Innendekoration von Palästen und Kirchen. Nach der Plünderung Roms (1527) wandte er sich nach Genua, wo er unter anderm den Palast Doria mit Stukkaturen, Vergoldungen, Wandmalereien etc. schmückte (eine Probe s. Tafel »Ornamente III«, Fig. 11). Von Genua ging V. über Pisa (hier von ihm das Fresko Kinderengel im Dom) nach Rom, wo er seine Thätigkeit als Stukkateur und Dekorationsmaler wieder aufnahm und auch Vorlagen zu Tapeten, Thronhimmeln, Stickereien etc. zeichnete. Unter den Werken dieser spätern Zeit ist die Decke der Sala Regia des Vatikans das hervorragendste, woran neben ihm Daniel da Volterra thätig war. Er starb 1547.

Vagabund (Vagant, lat.), einer, der, ohne einen festen Wohnsitz und ein bestimmtes Gewerbe zu haben, von einem Ort zum andern zieht; Vagabondage, s. v. w. Landstreicherei (s. d.).

Vagabundae (Herumschweifende, Jagdspinnen), Spinnen, welche keine Netze bauen, sondern ihre Beute erjagen.

Vagánten (lat., »Umherstreifer«), im allgemeinen s. v. w. »fahrende Leute« (s. d.), insbesondere die fahrenden Schüler (vagi scholares) des Mittelalters (mit Anspielung auf ihre Zechlust auch Bacchanten, Bacchusbrüder, genannt), die, gleichsam ein besonderer Stand von charakteristischem Gepräge, bis ins Reformationszeitalter hinein erschienen, namentlich aber in der geistigen Bewegung des 12. und 13. Jahrh. eine scharf bestimmte Richtung vertraten. Zeuge dessen ist die wertvolle Sammlung ihrer frischen, in lateinischen, meist gereimten Versen abgefaßten Lieder (»Carmina burana«, s. d.), welche eine auf klassischer Bildung beruhende, üppige Lebensheiterkeit atmen und zugleich die Gebrechen der Berufsstände, besonders der Geistlichkeit, mit scharfer Satire geißeln. In Frankreich gaben sich seit dem 12. Jahrh. die V. den Namen Goliarden, der verschieden erklärt, zumeist aber von einem vorgeblichen Haupte des Bundes Golias (Goliath) abgeleitet wird. Vgl. Giesebrecht, Über die V. oder Goliarden und ihre Lieder (»Allgemeine Monatschrift« 1853); Büdinger, Über einige Reste der Vagantenpoesie in Österreich (Wien 1854); Hubatsch, Die lateinischen Vagantenlieder des Mittelalters (Görl. 1870).

Vagieren (lat.), umherstreichen; mit den Händen hin- und herfahren.

Vagīna (lat.), Scheide; v. uteri, die Scheide der Gebärmutter.

Vaginātenkalk, s. Silurische Formation.

Vaginismus, krankhafte Empfindlichkeit des Scheideneinganges mit Reflexkrämpfen des Constrictor cunni und der Muskeln des Beckenbodens beim Kohabitationsversuch, wird hauptsächlich verursacht durch die Verletzung bei unzweckmäßigen, oft wiederholten derartigen Versuchen.

Vaginītis, Scheidenkatarrh.

Vaginoskopīe (lat.-griech.), Untersuchung der Scheide mittels des Mutterspiegels.

Vagus (Nervus vagus, »herumschweifender« Nerv, Lungen-Magennerv), das 10. Gehirnnervenpaar, welches vom verlängerten Mark entspringt, setzt sich aus mehreren, nur bei den Haifischen noch getrennten Nerven zusammen und steht in sehr engen Beziehungen zum 11. und 12. Nervenpaar, dem sogen. Beinerv (nervus accessorius Willisii) und dem Zungenfleischnerv (nervus hypoglossus). Seinen Namen hat er wegen seiner bei den höhern Wirbeltieren ungemein weiten Verbreitung im Körper: er versorgt den ganzen Verdauungskanal, die Nieren, den Atmungsapparat und das Herz. Auf das letztere wirkt er hemmend ein, so daß bei seiner Lähmung oder Durchschneidung die Herzschläge beschleunigt, bei seiner Reizung hingegen verlangsamt werden.

Vahl, bei botan. Namen für M. Vahl, geb. 1749 zu Bergen, gest. 1804 als Professor der Botanik in Kopenhagen. Orientalische und südamerikanische Pflanzen.

Vahlen, Johannes, namhafter Philolog, geb. 28. Sept. 1830 zu Bonn, studierte dort seit 1848 unter Ritschl, wurde 1854 Privatdozent daselbst, 1856 außerordentlicher Professor in Breslau, 1858 ordentlicher Professor in Freiburg und noch in demselben Jahr in Wien, wo er 1871 den Titel eines Hofrats erhielt. 1874 wurde er an Haupts Stelle nach Berlin berufen und hier 1882 zum Geheimen Regierungsrat ernannt. Seine erste Thätigkeit ging von dem Studium des alten Latein aus: »Ennianae poesis reliquiae« (Leipz. 1854), »Naevii de bello Punico reliquiae« (das. 1854), »Ulpiani fragmenta« (Bonn 1856), »In Varronis saturarum Menippearum re-^[folgende Seite]