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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Veroneser Erde; Veroneser Gelb; Veronica; Veronika

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Veroneser Erde - Veronika.

selbst wo sie erzählt, für ihre Hauptaufgabe hält, die einzelnen, vom höchsten Lebensgefühl getragenen Gestalten in harmonischem Gleichgewicht zur Anschauung zu bringen. Zugleich aber tritt das dekorative Prinzip mit seiner Verteilung der Formen und Farben nach den Gesetzen großartiger, frei und leicht bewegter, niemals strenger und starrer Monumentalität, den Bedürfnissen der Wand- und Deckenmalerei entsprechend, so herrschend in den Vordergrund von Paolos Schaffen, daß er bis auf den heutigen Tag der klassische Vertreter dieser dekorativen Malerei im höchsten Sinn des Wortes geblieben ist und sein Freskostil auch für seine Staffeleigemälde maßgebend wurde. Die Bewegungsmotive, die er seinen Gestalten und Gruppen verleiht, richten sich zunächst nach dem großen, hellern, dekorativen Linienzug, der sich durch seine Flächen bewegt; seine Farbenakkorde, denen zuliebe phantastisch-reiche Kostüme bevorzugt werden, folgen demselben Zug, ohne, bei aller Glut im einzelnen, den feinen, gedämpften veronesischen Silbergrundton zu verleugnen. Wunderbar aber versteht der Meister es, eine lebenswahre, ja realistische Auffassung der Gestalten und Situationen von diesen dekorativen Linienwogen und Farbenfluten tragen zu lassen.« (Woermann.) V. behielt seinen Wohnsitz in Venedig, war aber zu wiederholten Malen auch in der Umgegend thätig, so 1560-61 in der Villa Tiene bei Vicenza, wo er mit G. Zelotti allegorische Darstellungen und solche aus der alten Geschichte ausführte, um 1566 in der Villa der Barbari zu Maser bei Treviso, wo er mit Zelotti eine Reihe von Zimmern und Sälen ausmalte, eine seiner dekorativen Hauptschöpfungen, und nach 1572 im Schloß Magnadole im Gebiet von Treviso, wo er Fresken aus der alten Geschichte, darunter die Familie des Dareios und das Gastmahl der Kleopatra, malte. V. starb 19. April 1588 in Venedig. Die Zahl seiner Werke, an deren Ausführung sich später zahlreiche Gehilfen und Schüler beteiligten, ist sehr groß. Von den in Venedig ausgeführten dekorativen Malereien sind die bedeutendsten: die Gestalten der Musik, der Geometrie, der Arithmetik und des Ruhms in ovalen Deckenfeldern der Libreria vecchia, die auf Leinwand gemalten mythologischen Deckenbilder für den Bankettsaal des Fondaco dei Tedeschi (jetzt im Museum zu Berlin), die Decken- und Wandbilder in verschiedenen Sälen des Dogenpalastes (darunter die thronende Venezia, der Sieg von Lepanto und die Apotheose Venedigs). Eine besondere Gruppe unter seinen religiösen Darstellungen bilden die »Gastmähler«, nach Motiven aus dem Neuen Testament, üppige Schilderungen venezianischer Tafelfreuden in phantastischen Hallen und Palasträumen, von denen eins, das Gastmahl bei Levi (1572, jetzt in der Akademie zu Venedig), dem Inquisitionstribunal Veranlassung gab, den Maler 1573 einem peinlichen Verhör zu unterziehen, weil er »Narren, betrunkene Deutsche, Zwerge und andre Albernheiten« auf dem Bilde dargestellt hatte. Die andern Hauptwerke dieser Gattung sind: die Hochzeit zu Kana (1561) und das Gastmahl beim Pharisäer (beide im Louvre zu Paris), das Gastmahl bei Simon (in der Galerie zu Turin), die Hochzeit zu Kana und Christus und die Jünger von Emmaus (in der Galerie zu Dresden). Von den Kirchenbildern Veroneses sind noch als die hervorragendsten zu nennen: die Vermählung der heil. Katharina (in Santa Caterina zu Venedig), das Martyrium der heil. Justina (in Padua), das Martyrium des heil. Georg (in Verona), die Anbetung der Könige (Exemplare in Venedig, Mailand, Wien und Dresden) und die Familie Cuccina vor der thronenden Maria (in der Dresdener Galerie). Veroneses glänzende Farbenlust zeigt sich besonders in feinen Ölgemälden aus der antiken Mythologie und Geschichte. Der Raub der Europa (im Dogenpalast zu Venedig und in der kapitolinischen Galerie zu Rom) und die Familie des Dareios (in der Nationalgalerie zu London) sind seine Hauptwerke dieser Gattung. Endlich hat er auch zahlreiche Einzelbildnisse gemalt, in welchen er eine Verwandtschaft mit Tintoretto zeigt. - Auch nach seinem Tod wurde seine Malweise noch eine Zeitlang von seinem Bruder Benedetto (1538-98), seinen Söhnen Carlo (1570-96) und Gabriele (1568-1631) und seinen Schülern fortgesetzt. Vgl. Janitschek in Dohmes »Kunst und Künstler«, Bd. 3; Caliari, Paolo V. (Rom 1888).

Veroneser Erde (Veroneser Grün), s. Grünerde.

Veroneser Gelb, s. v. w. Neapelgelb.

Veronica Tourn. (Ehrenpreis), Gattung aus der Familie der Skrofulariaceen, Kräuter und Sträucher, selten Bäume mit gegen-, selten wirtel- oder wechselständigen Blättern, einzeln achselständigen, meist in terminalen oder axillaren Trauben und Ähren gestellten Blüten und zweiklappigen, vielsamigen Kapseln. Etwa 200 Arten in den gemäßigten und kältern Klimaten, von denen mehrere bei uns als Unkräuter auf Feldern, Wiesen etc. wachsen. Von V. Beccabunga L. (Bachbunge), in Quellen, Bächen wachsend, durch ganz Europa, mit rundlichen oder länglich-eiförmigen, klein gesägten bis fast ganzrandigen Blättern und himmelblauen Blüten, wurde das etwas scharf schmeckende Kraut früher gegen Unterleibsstockungen etc. angewendet; auch wird es in einigen Gegenden als Salat gegessen. Von V. Chamaedris L. (wilder Gamander, Frauenbiß), auf Wiesen, Ackerrainen, an Wegen, war früher das Kraut, gewöhnlich mit den Blüten gesammelt, wie das von V. officinalis L. (echter Ehrenpreis, Grundheil) offizinell. Letzteres, mit kurzgestielten, verkehrt-eiförmig-elliptischen, gesägten Blättern und blaßblauen, dunkel geäderten Blüten in achselständigen Trauben, wächst auf Heiden, in Laub- und Nadelholzwäldern, und die Blätter wurden auch als »europäischer Thee« statt des chinesischen empfohlen. Mehrere Arten, Sommergewächse, Stauden und immergrüne Kalthaussträucher, werden als Zierpflanzen kultiviert.

Veronika, die heilige, nach der mittelalterlichen Legende eine fromme Frau in Jerusalem, welche dem Herrn Jesus auf seinem Todesgang ihr Kopftuch zum Abtrocknen von Schweiß und Blut darreichte und zum Lohn dafür auf dem zurückgereichten Tuch den treuen Abdruck seines Antlitzes erhielt. Im Besitz desselben zu sein, rühmen sich heute die Peterskirche in Rom, Mailand und Jaen. Wie die Frau, so wurde aber auch das Bild selbst V. genannt, weshalb man seit Mabillon und Papebroek den Namen auf Veraikon = wahres Bild, zurückführen wollte. Aber schon Reiske (»De imaginibus Jesu Christi«, 1685) hat nachgewiesen, daß V. gleich Beronike, Berenike ist, wie in der judenchristlichen Legende der Clementinen die von Jesus geheilte Tochter des kanaanitischen Weibes, in den Pilatusakten und bei Rufinus, Cassiodor, Cedrenus und Malalas die von zwölfjährigem Blutfluß Geheilte heißt, d. h. also dieselbe Frau, welche nach Eusebius Jesu eine Erzstatue in Paneas gesetzt haben soll. Die seit etwa 500 nachweisbare Sage will also von Haus aus bloß die Treue der Gesichtszüge jenes angeblichen Christus zu Paneas beglaubigen. Sie ist nur der im Abendland weitergebildete Ab-^[folgende Seite]