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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vogelfrei

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Vogelfang - Vogelfrei.

trieb sich nicht mehr lohnt, und weil polizeiliche Vogelschutzverordnungen ihn unterdrückt haben. Nur wenige Vogelarten werden noch in großen Massen gefangen, besonders Lerchen u. a. in Netzen, Drosseln in Dohnen. Im Frühling gefangene Vögel sterben leicht aus Sehnsucht, auch vertreibt man bei spätem oder gar beim Fang am Nest leicht die betreffenden Vögel für immer aus der Gegend. Jeder Vogelsteller sollte den V. längstens von Mitte August bis Mitte April betreiben. Leicht verwundete Vogel lasse man sogleich frei, weil dies die einzige Möglichkeit gewährt, daß sie sich erholen und genesen; jeden unheilbar beschädigten Vogel mit ausgerissenen und zerbrochenen Gliedern töte man schleunigst. Ausrüstungsgegenstände beim Fang sind: ein Säckchen mit Asche, um durch Bestreuen und Abreiben weitere Verunreinigung des Gefieders mit dem Leim zu verhindern; ein Netzbeutel, in welchem Körnerfresser auf dem Heimweg mehrere Stunden ohne Futter aushalten, während Kerbtierfresser unterwegs mehrmals mit Mehlwürmern und frischen Ameisenpuppen gestopft werden müssen. Leimruten sind dünne, etwa fußlange Reiser, mit zähem, klebrigem Leim bestrichen, auf einem Zweig befestigt oder in die Erde gesteckt und mit Beeren oder Mehlwürmern geködert. Für kleine und sehr vorsichtige Vögel werden Schweinsborsten mit Leim bestrichen. Lockbüsche sind Laubholzäste, noch mit den Blättern und überall mit schief stehenden Leimruten belegt und über einem mit Reisig bedeckten Käfig, in welchem sich der Lockvogel befindet, angebracht. Finkenstich nennt man den Fang vermittelst eines männlichen Vogels, welchem man die Flügel auf dem Rücken zusammen- und eine Federspule aufgebunden hat, in der ein gabelförmiges Leimrütchen steckt; läßt man den Vogel an einer langen Schnur dorthin laufen, wo ein Sänger seiner Art schlägt, so stürzt sich dieser wutblind auf ihn und bleibt am Leim hängen. Dupfen heißt der Fang mit einer langen, dünnen Stange, an die eine Leimrute gebunden ist, vermittelst derer man harmlose Vögel, z. B. Goldhähnchen, unermüdlich verfolgt, bis man einen nach dem andern mit dem Leim berührt. Der Fang mit dem Kauz beruht darin, daß man die kleine Eule mit Leimruten umgibt und unterhalb versteckte Lockvögel anbringt. Der Fang mit der Vichtel ist ganz ähnlich, nur wird er ausschließlich im Wald betrieben, und man lockt die Vögel mit einer aus Holz geschnittenen sogen. Vichtelpfeife, welche den Ruf der Eule nachahmt, an. Die bekannten, aus Pferdehaaren oder ungebleichtem Zwirn gedrehten Schlingen werden für mancherlei Fangarten gebraucht, am meisten für die Dohnen, indem man sie in kleinen Abständen zu beiden Seiten eines Wegs oder Steigs anbringt. Es sind in Bügeln aus Weiden- oder andern Ruten befestigte Schlingen, geködert mit Vogelbeeren, in denen Drosseln u. a., jedoch nur tot, für die Küche gefangen werden (Kramtsvögel). Laufdohnen, Fußschlingen, Schlingenbretter sind in ähnlicher Weise, jedoch auf der Erde angebrachte Vorrichtungen. Der Sprenkel oder die Sprangrute, die bekannteste und am meisten gebräuchliche Vorrichtung, besteht in einer elastischen Haselnuß- oder Weidenrute, welche am dickern Ende durchbohrt ist, um die am dünnern Ende angeknüpfte Schlinge aufzunehmen, und die vermittelst eines Sprung- oder Stellhölzchens befestigt wird. Der Vogelfang mit Netzen wurde früher am großartigsten betrieben und zwar auf den sogen. Finken-, Lerchen-, Ortolan-, Kramtsvogel-, Star-, Schnepfen-, selbst Schwalben- und andern Herden sowie auf Tränk- und Wasserherden u. dgl., aber nur für Küchenzwecke. Gleiches gilt in betreff der Lerchengarne, großer Netzwände, in welche man die Vögel abends treibt, oder mit denen man sie nachts (Nachtgarn), über die Felder dahinziehend, bedeckt. Das Nachtigallgärnchen und andre sogen. Schlaggarne sind kleine Fallen, die man auf der Erde anbringt und mit Mehlwürmern oder Beeren ködert, und die, durch Federkraft thätig, vermittelst eines Stellhölzchens gespannt werden. Zum Fang der Rebhühner etc. dient das Stecknetz, das Treibzeug und der Tyraß. Der Meisenkasten, ein viereckiges Kästchen von Holz oder Geflecht, wird vermittelst eines Sprunghölzchens zwischen Deckel und Kasten gestellt und mit Talgstückchen, Mehlwürmern u. dgl. geködert. Die Kloben bestehen aus einem Sitzholz, welches durch das Gewicht des Vogels niedergedrückt wird und zwei Federn auslöst, durch die zwei seitliche Bügel zusammenschlagen und die Beine des Vogels umschließen. Die bei uns heimischen Vögel unterliegen, wenn sie im Herbst auf ihrer Wanderung die Alpen überschritten haben, einer rücksichtslosen Verfolgung in Italien. In den Provinzen Brescia und Bergamo, seltener in Venetien, wird der nationale Sport seit Jahrhunderten auf eigentümlichen Vogelherden, Uccellandas, ausgeübt, welche besonders auf dem Kamm der die weiten Thäler der Lombardei umsäumenden Gebirgszüge erbaut werden, indes auch in der lombardischen Ebene zwischen Mais-, Reben- und Maulbeerpflanzungen häufig zu finden sind. Sie bestehen aus einer aus Bäumen gebildeten Doppelwand, welche einen runden oder länglich viereckigen Raum einschließt. Zwischen den hochstämmigen Bäumen sind 6 m hohe Hagebuchenhecken gepflanzt, welche zwischen sich einen Gang von 1 m Breite lassen und in zwei oder drei Etagen zahlreiche, genau einander sich deckende Öffnungen von 1 qm enthalten. Die kurzen Seiten der Uccellanda messen etwa 25, die langen 40 mm. Innen an der äußern Laubwand sind Netze ausgespannt, so daß die Vögel, welche, durch Lockvögel angelockt, in den innern freien Rasenplatz von oben einfallen und aufgeschreckt durch die weiten Fenster der Laubwand zu entweichen suchen, sich in dem Netz fangen. Die Lockvögel (geblendete Drosseln, Amseln und Finken, auch kleine Eulen) werden im Frühjahr und Herbst in einem kalten Raum gehalten und begrüßen dann im Herbste die Wärme durch beständigen Gesang. Außer diesen Vogelherden kommen selbstverständlich auch alle übrigen Fangmethoden zur Anwendung. In der Lombardei findet man allgemein Spatzentürme, an denen zahlreiche kurze Drainröhren in kleine Kästchen führen, die von den Sperlingen als Brutstätte benutzt werden. Man nimmt die noch nicht flüggen Jungen aus und räumt, wenn es wünschenswert erscheint, auch unter den ältern auf. Kleinere Vögel bilden eine italienische Nationalspeise, werden teuer bezahlt, auch eingesalzen und in Öl konserviert. Die Hauptzeit der Jagd dauert von Mitte September bis Mitte Oktober, der Italiener will die Scharen von Vögeln, welche bei ihm nicht brüten und daher auch keine Insekten vertilgen, nicht mit den Produkten seiner Landwirtschaft füttern und sucht sich gegen sie möglichst zu schützen; indes nimmt der Sport in neuester Zeit immer mehr ab, weil der Betrieb der kostspieligen Uccellandas kaum noch lohnt und die Leute ihre Zeit besser zu verwerten wissen. Vgl. Vogelschutz.

Vogelfrei (lat. exlex), derjenige, welcher des Rechtsschutzes gänzlich beraubt und aus dem allgemeinen Frieden gesetzt ist, wie dies früher bei der Oberacht (s. Acht) der Fall war, oder bezüglich dessen alle auf-^[folgende Seite]