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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Volkmannie - Volksbücher.

ward, der, das große Talent des Jünglings erkennend, denselben bestimmte, sich ganz der Musik zu widmen. 1836 ging V. nach Leipzig und studierte hier Pädagogik und bei K. F. Becker Musik; namentlich aber wurde Schumanns Einfluß bedeutsam für seine künstlerische Entwickelung und spätere Richtung. Nachdem er von 1839 bis 1842 als Musiklehrer in Prag gelebt, wandte er sich im letztgenannten Jahr nach Pest, wo er, einen vorübergehenden Aufenthalt in Wien (1854-58) abgerechnet, bis an seinen Tod als Lehrer und Komponist (zuletzt ausschließlich in letzterer Eigenschaft) wirkte. Er starb 29. Okt. 1883. V. erfreut sich namentlich als Instrumentalkomponist eines wohlverdienten Rufs, und seine Symphonien (D moll, Op. 44, und B dur, Op. 53), sechs Streichquartette (Op. 9, 14, 34, 35, 37, 43), Klaviertrios (F dur, Op. 3, und B moll, Op. 5), seine Musik zu Shakespeares »Richard III.« (Op. 68), vor allem seine drei Serenaden für Streichorchester (C dur, Op. 62; F dur, Op. 63; D moll, Op. 69) gehören zu dem Gediegensten und Originellsten, was seit Schumanns Tod auf diesem Gebiet geschaffen worden ist.

3) Wilhelm Fridolin, Ritter von Volkmar, Psycholog, geb. 1821 zu Prag, studierte daselbst die Rechte und (unter Exner) Philosophie, wurde durch diesen für Herbarts realistische Richtung gewonnen, habilitierte sich 1846 als Privatdozent der Ästhetik, später der Philosophie an der Universität seiner Vaterstadt, ward 1856 außerordentlicher, 1861 ordentlicher Professor der Philosophie daselbst; starb 13. Jan. 1877. V. hat sich um die exakte Psychologie im Sinn der Herbartschen Schule, zu deren bedeutendsten Vertretern er gehörte, sowie um die Geschichte dieser Wissenschaft verdient gemacht. Von ihm erschienen: »Elemente der Psychologie« (Prag 1850); »Grundriß (später Lehrbuch) der Psychologie vom Standpunkt des philosophischen Realismus« (Halle 1856; 3. Aufl., Köth. 1884-85, 2 Bde.), sein Hauptwerk; »Grundzüge der Aristotelischen Psychologie« (Prag 1858); »Die Lehre des Sokrates« (das. 1861).

4) Richard von, Sohn von V. 1), Chirurg, geb. 17. Aug. 1830 zu Leipzig, studierte in Halle, Gießen und Berlin, habilitierte sich 1857 in Halle und wurde 1867 zum Professor der Chirurgie und Direktor der chirurgischen Klinik daselbst ernannt. Im deutsch-französischen Krieg war er konsultierender Generalarzt des 4. Armeekorps, später der Maas- und der Südarmee. V. ist einer der hervorragendsten Chirurgen der Neuzeit und hat sich namentlich um die Einführung der antiseptischen Wundbehandlung in Deutschland verdient gemacht. 1885 wurde er vom deutschen Kaiser in den erblichen Adelstand erhoben. Er schrieb: »Beiträge zur Chirurgie« (Leipz. 1875) sowie unter dem Pseudonym Richard Leander: »Träumereien an französischen Kaminen« (16. Aufl., das. 1886); »Aus der Burschenzeit« (Halle 1876); »Gedichte« (3. Aufl., das. 1885); »Kleine Geschichten« (2. Aufl., das. 1888). Seit 1870 gibt er die »Sammlung klinischer Vorträge« heraus.

Volkmannie, Pflanze, s. Clerodendron.

Volkmar, Gustav, protest. Theolog, geb. 11. Jan. 1809 zu Hersfeld, studierte in Marburg, wirkte seit 1833 als Gymnasiallehrer zu Rinteln, Kassel, Hersfeld, Marburg und Fulda. Als er 1850 für die hessische Verfassung in einer Schrift eintrat, wurde er 1852 verhaftet und seines Amtes entsetzt, habilitierte sich 1853 an der theologischen Fakultät zu Zürich, wurde daselbst 1858 außerordentlicher, 1863 ordentlicher Professor der Theologie. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen sind hervorzuheben: »Das Evangelium Marcions« (Leipz. 1852); »Die Quellen der Ketzergeschichte bis zum Nicänum« (Bd. 1: Hippolytus, Zür. 1855); »Die Religion Jesu und ihre erste Entwickelung« (Leipz. 1857); »Handbuch der Einleitung in die Apokryphen« (Tübing. 1860-63, 2 Bde.); »Kommentar zur Offenbarung Johannis« (Zürich 1862); »Der Ursprung unsrer Evangelien« (das. 1866); »Moses' Prophetie und Himmelfahrt« (Leipz. 1867); »Die Evangelien, oder Markus und die Synopsis der kanonischen und außerkanonischen Evangelien« (das. 1870; 2. Ausg., Zürich 1876); »Paulus' Römerbrief« (das. 1875); »Jesus Nazarenus und die erste christliche Zeit« (das. 1881); »Polycarpi Smyrnaei epistola genuina« (das. 1885); »Lehre der zwölf Apostel an die Völker« (3. Aufl., das. 1886); »Paulus von Damaskus bis zum Galaterbrief« (das. 1887).

Volkmarsdorf, großes Dorf in der sächs. Kreis- und Amtshauptmannschaft Leipzig, östlich bei Leipzig, von dem es einen Vorort bildet, hat (1885) 12,694 Ew.

Volkmarsen (Volkmarshausen), Stadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Wolfhagen, an der Twiste, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, Sandsteinbrüche, Flachshandel und (1885) 2246 Einw. Dabei die malerischen Ruinen der Burg Kugelnberg. V. gehörte früher zum Kloster Korvei und ward im 13. Jahrh. an das Erzstift Köln verpfändet.

Volksbanken, bankähnliche Kreditanstalten, welche dem Kreditbedürfnis der mittlern und weniger wohlhabenden Klassen zu dienen bestimmt sind, insbesondere in der Form der Genossenschaften (s. d., S. 105). Proudhon trug sich mit dem unausführbaren Gedanken, durch Schaffung von V. unentgeltlichen Kredit zu gewähren.

Volksbewaffnung, die allgemeine Verpflichtung des Volkes zum Waffendienst, am reinsten verwirklicht in den Urzuständen eines Volkes, wo jeder Waffenfähige für die gemeinsamen Angelegenheiten auch kämpfend eintreten muß. In mehr geordneten staatlichen Verhältnissen regelt eine Wehrverfassung die Heranziehung der einzelnen zum Waffendienst. Schon bei den alten Griechen und Römern findet sich eine eigentliche V. nicht mehr, noch weiter davon entfernen sich der Heerbann Karls d. Gr. und das Lehnswesen des Mittelalters; ganz beseitigt aber ward die V. durch das Söldnerwesen und die geworbenen Heere. Eine dem neuern Staatsleben entsprechende V. kam auf, als die Staaten neben ihren für den Feldkrieg bestimmten Heeren Milizen errichteten, die für den Notfall jedoch auch in äußern Kriegen verwendet wurden. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika organisierten zuerst eine allgemeine V., indem durch die Verfassung von 1787 die Milizen als allgemeine Wehranstalt der Leitung des Kongresses unterstellt wurden. Dann folgte Frankreich mit seiner Nationalgarde 1789 und seinem Aufgebot in Masse 1793. Preußen stellte durch Organisation der Landwehr und des Landsturms die eigentliche V. noch am vollkommensten wieder her. Die vorübergehend aufgetauchten Nationalgarden, Bürgergarden und Bürgerwehren waren eine militärisch wertlose Einrichtung.

Volksbibliotheken, s. Leihbibliotheken und Volksschriften.

Volksbildung, s. Bildungsvereine und Analphabeten.

Volksbücher, im weitern Sinn alle diejenigen Bücher, welche unter allen Klassen und Ständen eines Volkes Verbreitung gefunden haben (s. Volksschriften); im engern Sinn und namentlich in litterarhistorischer Hinsicht die in Prosa abgefaßten Unterhaltungsbücher, die im 15. und 16. Jahrh. teils im