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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wahl

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Wahâbiten - Wahl.

daher ließ er den letzten Satz vom mohammedanischen Glaubensbekenntnis: »Kein andrer Gott als Gott und Mohammed sein Prophet« weg und eiferte gegen die fast göttliche Verehrung Mohammeds. Alle Wallfahrten, außer der nach Mekka zur Kaaba, waren verboten, ebenso alle religiösen Zeremonien bei Leichenbegängnissen; die Turbehs oder Kapellen der mohammedanischen Heiligen wurden eingerissen oder profaniert. Gegen den Prunk an Moscheen und Grabmälern, gegen Kleiderpracht, den Genuß von geistigen Getränken, das Tabakrauchen, gegen die Teilnahme an Glücksspielen, gegen Wucher, Geschlechtsvergehen eiferte er, empfahl dagegen tägliches Gebet, gewissenhaftes Halten des Ramasan, Almosengeben und Gütergemeinschaft. Wer diese Lehre nicht annahm, sollte durch das Schwert bekehrt werden. Die weltliche Macht übertrug Abd el Wahâb dem Oberhaupt des Distrikts Derajeh, Ebn Saûd, und nach dessen Ableben seinem Sohn Abd el Aziz. Aber erst als die W. den mächtigen Stamm Beni Khaled besiegt hatten (1763), wuchs ihr Kriegsglück. Als Abd el Aziz altersschwach wurde, erklärte Abd el Wahâb dessen Sohn Saûd II. zum Anführer, der dem Scherif von Mekka (1790) eine blutige Niederlage beibrachte. Bald darauf starb Abd el Wahâb im 95. Jahr und nicht lange nachher sein Sohn Mohammed. Die Pforte befahl hierauf dem Pascha Soliman von Bagdad, die Sekte zu vernichten; das Heer desselben wurde jedoch (1797) geschlagen, und die Macht der W. wuchs so schnell, daß sie bald 120,000 Mann zählten, die jedoch fast alles Geschützes entbehrten. 1801 schlugen sie die Truppen des Paschas von Bagdad aufs neue, überrumpelten Kerbela und begingen unerhörte Grausamkeiten. Auch Mekkas bemächtigten sie sich mehrere Male und zwangen den Scherif dieser Stadt zur Unterwerfung. Selbst die Briten glaubten durch die W. ihren Handel gefährdet, weshalb sie 1809 den Imam von Maskat, gegen den sich sein Bruder empört hatte, mit Truppen unterstützten. 1811 rief die Pforte Mehemed Ali von Ägypten zur Unterdrückung der W. auf, und alle Rechtgläubigen sammelten sich unter ihm. Derselbe nahm Medina und Mekka, dessen Scherif sich wieder für die rechtgläubigen Mohammedaner erklärte. 1814 starb Saûd II. und hatte seinen ältesten Sohn, Abdallah ben Saûd, zum Nachfolger. Unter diesem zeigte sich Zwiespalt unter den W., und Mehemed Ali schlug nun dieselben und erzwang einen für sie nachteiligen Frieden. Als aber der Sieger verlangte, daß die Befestigung von Derajeh zerstört werden und Abdallah in Konstantinopel die Vergebung des Padischahs anflehen sollte, entbrannte der Krieg von neuem. Ibrahim Pascha, der Adoptivsohn Mehemed Alis, schlug die W. 1815 bei Basra und 1818 bei El Maujeh, belagerte Derajeh und zwang es, nachdem er das Lager der W. 3. Sept. erobert und 20,000 Streiter getötet hatte, zur Kapitulation. Abdallah wurde gefangen nach Konstantinopel geführt und dort im Dezember 1818 enthauptet, Derajeh aber von Grund aus zerstört. Die übriggebliebenen W. flohen nun in die Wüste, wo sie in einzelnen Stämmen existierten und einzelne Raubzüge ausführten. Bald aber waren sie wieder so erstarkt, daß sie 1822 selbst Mekka bedrohten. Auch erneuerten sie 1828 den Krieg gegen die Pforte, wurden aber wiederum besiegt. Sie bestehen noch jetzt, aber ihre Macht, welche 1863 sich wieder bis an den Persischen Meerbusen ausgedehnt hatte, verfiel in der zweiten Hälfte der 70er Jahre durch den Bruderzwist Abdallahs und Saûds, der Söhne des Feisal, und wurde auf die nächste Umgebung der Stadt El Riad beschränkt. Vor ungefähr drei Dezennien gelang es den W., sich im NO. Indiens einzunisten. Der Hauptsitz ihrer Sekte ist daselbst Patna, von wo aus die begeisterten Jünger das Land durchziehen und wilden Hass gegen die englische Herrschaft predigen. Vgl. Corancez, Histoire des Wahabys (Par. 1810); Burkhardt, Notes on the Bedouins and Wahabys (Lond. 1834); Palgrave, Reise in Arabien (deutsch, Leipz. 1867 bis 1868, 2 Bde.); Pelly, From Oman to Nedjd (Lond. 1868); Hunter, Our indian Mussulmans (das. 1871).

Wahl, die Art und Weise, wie von mehreren befähigten und berechtigten Personen jemand zu einer besondern Stellung berufen wird. Namentlich im öffentlichen Leben, aber auch innerhalb der Vereine und Gesellschaften spielen die Wahlen eine grosse Rolle. Bei Gesellschaften und Vereinen entscheiden die Statuten über die W. der Vorstände und der sonstigen Organe der Vereinigung. Öffentliche Korporationen, wie Handelskammern, Innungen, Gemeindevertretungen, Kirchenvorstände, Kreisausschüsse u. dgl., werden nach besondern Verordnungen und Wahlregulativen berufen. Die W. von Schöffen und Geschwornen erfolgt nach bestehender Gesetzesvorschrift. Von besonderer Wichtigkeit sind die Wahlen der Volksvertreter und zwar da, wo das Zweikammersystem besteht, die Wahlen für die Zweite Kammer (Volkskammer). Diese W. ist entweder eine unmittelbare (direkte), durch die Wahlberechtigten (Wähler) selbst, wie in England, Nordamerika, Frankreich, Belgien und Italien, in den meisten Schweizerkantonen und bei den Wahlen zum deutschen Reichstag, oder eine mittelbare (indirekte), indem die Wähler (Urwähler) durch sogen. Urwahl Wahlmänner erwählen, durch welche dann die W. der eigentlichen Abgeordneten selbst erfolgt, so in Spanien, Preußen, Bayern und in vielen andern deutschen Einzelstaaten. In Österreich ist die W. für die Landes- und Reichsvertretung in der Regel direkt; nur die Wählerklasse der Landgemeinden entsendet ihre Abgeordneten in den Landtag wie in den Reichsrat auf indirekte Weise. Die Befugnis zum Wählen (aktives Wahlrecht) und die Fähigkeit, gewählt werden zu können (passives Wahlrecht), sowie das zu beobachtende Wahlverfahren (Wahlmodus) sind durch besondere Wahlgesetze (Wahlordnungen, Wahlreglements) festgestellt, so z. B. durch die preußische Verordnung vom 30. Mai 1849, welche auch in den neupreußischen Gebietsteilen eingeführt ist, durch das bayrische Gesetz vom 4. Juni 1848, sächsische Gesetz vom 3. Dez. 1868, württembergische Gesetz vom 26. März 1868 etc. Für das Deutsche Reich sind die für die Reichstagswahlen maßgebenden Bestimmungen in dem Bundes- (Reichs-) Gesetz vom 31. Mai 1869 und in dem Wahlreglement vom 28. Mai 1870 enthalten. Dabei sind verschiedene Wahlsysteme zu unterscheiden. Zunächst finden sich nämlich noch Spuren des frühern ständischen Systems, wonach einzelne bestimmte Stände ihre Vertreter (»Landstände«) wählten, welche also nicht Vertreter der Gesamtheit der Staatsbürger, sondern ihres speziellen Standes waren. Die meisten modernen Staatsverfassungen haben aber diesen Standpunkt verlassen und das Repräsentativsystem angenommen, wonach der Volksvertreter die Gesamtheit des Volkes repräsentiert. Aber gleichwohl lassen die meisten Wahlgesetze bei der W. der Volksvertreter nicht lediglich die Kopfzahl entscheiden, sie legen vielmehr dabei einen gewissen Steuerzensus zu Grunde, wie z. B. in