Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wärmetheorie; Wärmezentrum; Wärmflaschen

396

Wärmetheorie - Wärmflaschen.

Strahl ruft in uns, je nach der Nervenbahn, durch welche der von ihm hervorgebrachte Eindruck zu dem Sitz unsers Bewußtseins geleitet wird, bald Licht-, bald Wärmeempfindung hervor, ähnlich wie eine angeschlagene Stimmgabel in unserm Ohr eine Tonempfindung, in der berührenden Hand aber das Gefühl des Schwirrens hervorruft.

Die Durchlässigkeit verschiedener Körper ist wie für helle Strahlen, so auch für dunkle Wärmestrahlen sehr verschieden. Reine Luft läßt die Sonnenstrahlen, dunkle wie helle, fast vollständig durch sich hindurchgehen; sie wird daher von ihnen nur unbedeutend erwärmt; die höhern Luftschichten, obgleich sie die Sonnenstrahlen aus erster Hand empfangen, bleiben dennoch so kalt, daß selbst in der heißen Zone die Gipfel der Hochgebirge mit ewigem Schnee bedeckt sind. Die Erwärmung der Atmosphäre erfolgt zum weitaus größern Teil nicht unmittelbar durch die Sonnenstrahlen, sondern mittelbar durch die erhitzte Erdoberfläche, welche ihre durch Einsaugung der Strahlen erworbene Wärme zunächst den sie berührenden untern Luftschichten mitteilt; indem diese, leichter geworden, emporsteigen, führen sie die Wärme auch den höhern Luftschichten zu. Weder das Wasser, noch die Wolken, noch irgend welche Bestandteile der festen Erdrinde sind so durchlässig wie die Luft. Alle verschlucken (absorbieren) einen größern oder geringern Anteil der sie treffenden Sonnenstrahlen und erwärmen sich dadurch. Melloni nannte Körper, welche die dunkeln (ultraroten) Wärmestrahlen in ähnlicher Weise durchlassen wie durchsichtige Körper die leuchtenden Strahlen, diatherman; atherman dagegen solche, welche die dunkeln Wärmestrahlen absorbieren. Steinsalz läßt alle dunkeln Wärmestrahlen (ebensogut wie die hellen) durch und verhält sich demnach zu ihnen wie ein farblos durchsichtiger Körper gegenüber den Lichtstrahlen; der für Licht ebenso durchsichtige Alaun dagegen ist für ultrarote Strahlen undurchlässig. Andre Körper absorbieren bestimmte Partien aus dem ultraroten Gebiet des Spektrums und verhalten sich also den dunkeln Wärmestrahlen gegenüber ähnlich wie gefärbte durchsichtige Körper, welche nur Lichtstrahlen von gewisser Farbe durchlassen, andersfarbige aber absorbieren (vgl. Absorption 2). Melloni bezeichnete dieses Verhalten als Wärmefärbung oder Thermochrose.

Ein bestrahlter Körper wird sich um so höher erwärmen, je vollständiger er die auf ihn fallenden Strahlen verschluckt oder je weniger er davon durch diffuse Zurückwerfung wieder zurückgibt; dunkle Körper erwärmen sich daher bei gleicher Bestrahlung höher als helle. Aus diesem Grund ziehen wir im Winter dunkle, im Sommer helle Kleidung vor. Dunkel gefärbte Ackererde wird unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen stärker erwärmt als weißlicher Kalkboden. Der Kienruß, welcher alle Strahlenarten fast vollkommen absorbiert und ebendarum schwarz aussieht, wird durch Bestrahlung stärker erwärmt als irgend ein andrer Körper. Streut man Ruß auf den Schnee, so wird man bemerken, daß der Schnee unter dem Ruß rascher schmilzt als der benachbarte, und daß, der Rußspur folgend, eine tiefe Rinne im Schnee sich bildet. Diejenigen Körper, welche die Wärmestrahlen am besten einsaugen, strahlen umgekehrt ihre Wärme auch am leichtesten wieder aus: das Ausstrahlungsvermögen wächst in demselben Verhältnis wie das Absorptionsvermögen. Heißes Wasser z. B. erkaltet in einem rußigen Topf rascher als in einem blanken. Es versteht sich von selbst, daß nur Strahlen, welche in einen Körper eindringen, von ihm absorbiert werden und ihn erwärmen können. Ein glatt polierter Körper, der schon an seiner Oberfläche einen Teil der Strahlen zurückwirft, erwärmt sich bei gleicher Bestrahlung weniger, als wenn man ihm eine rauhe Oberfläche gibt, welche die Strahlen, ehe sie dieselben zerstreut, bis zu einer gewissen Tiefe eindringen läßt. Anderseits wird ein warmer Körper seine Wärme reichlicher ausstrahlen, wenn seine Oberfläche matt als wenn sie poliert ist, weil an der glatten Oberfläche ein Teil der aus dem Innern des Körpers kommenden Wärmestrahlen wieder nach innen zurückgeworfen wird. In einer blank geputzten metallenen Kaffeekanne hält sich daher das Getränk längere Zeit heiß, als wenn die Oberfläche der Kanne unrein ist. Also auch in dieser Hinsicht erweisen sich die besten Einsauger zugleich als die besten Ausstrahler.

Wärmetheorie, s. Wärme.

Wärmezentrum, eine Stelle auf der Oberfläche des Großhirns des Hundes, von welcher aus ein Einfluß auf die Temperatur und Gefäßweite der Extremitäten ausgeübt wird. Diese Stelle umfaßt im allgemeinen die Gegend, an welcher zugleich die motorischen Zentren für die Extremitäten belegen sind (s. Gehirn, S. 4, Fig. 3). Reizung dieses Bezirks bewirkt vorübergehende Abkühlung der Extremitäten, während nach der Zerstörung eine Temperatursteigerung eintritt, welche sehr bedeutend sein kann, nach einigen Tagen sich allmählich ausgleicht, aber auch monatelang anhalten kann.

Wärmflaschen, mit heißem Wasser gefülltes Zinn- oder Kupfergefäß zum Erwärmen von Betten, Räumen, besonders der Eisenbahnwagen etc. Als Füllmaterial für W. eignet sich am besten das Wasser, weil es eine verhältnismäßig große Wärmekapazität besitzt. Es nimmt beim Erwärmen um eine bestimmte Anzahl von Graden viel mehr Wärme auf als irgend ein andrer hier in Betracht kommender Körper und kann daher auch beim Abkühlen sehr viel Wärme seiner Umgebung mitteilen. Eine bedeutend höhere Menge Wärme läßt sich indes aufspeichern, wenn man einen Körper anwendet, der während des Erkaltens auch seinen Aggregatzustand ändert, also z. B. einen geschmolzenen Körper, der, nachdem die Temperatur hinreichend gesunken ist, erstarrt. In diesem Fall wird nicht nur die fühlbare Wärme, die der Körper beim Erhitzen aufgenommen hatte, abgegeben, sondern auch die sogen. Schmelzwärme, welche erforderlich war, um den bis zum Schmelzpunkt erhitzten starren Körper in eine Flüssigkeit von gleicher Temperatur zu verwandeln. In diesem Sinn eignet sich nach Ancelin besonders das essigsaure Natron NaC2H3O2+6H2O ^[NaC_{2}H_{3}O_{2}+6H_{2}O] zum Füllen von W. Das Salz schmilzt bei 59°, und die dazu nötige Wärme beträgt etwa 94 Wärmeeinheiten. Ein Gefäß von 11 Lit. Inhalt enthält etwa 15 kg des Salzes. Erhitzt man dasselbe bis auf 80°, welche Temperatur man gewöhnlich den Wasserwärmern gibt, so hat man 1731 Wärmeeinheiten, während dasselbe Gefäß, mit Wasser von 80° gefüllt, bei der Abkühlung auf 40° nur 440 Wärmeeinheiten abgeben würde, und mithin besitzt das Salz eine viermal so große Heizkraft als Wasser. Die Füllung der W. mit dem Salz geschieht ein für allemal unter Anwendung sehr einfacher Vorsichtsmaßregeln zur Verhinderung einer Überschmelzung. Die Stöpsel müssen eingelötet werden. Die Erwärmung erfolgt durch Eintauchen in siedendes Wasser. Diese W. eignen sich auch besonders gut zum Heizen von Terrarien und Wardschen Kasten.