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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wien

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Wien (Profanbauten).

ist mit einem Standartenträger gekrönt. Der ganze Mittelbau ruht auf einer breiten Freitreppe, hinter welcher sich Arkaden hinziehen. Von den Räumen des Innern ist außer dem Festsaal insbesondere der Sitzungssaal des Gemeinderats an der rückwärtigen Fassade zu erwähnen. Sämtliche äußere Fassaden sind in Haustein ausgeführt. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 14 Mill. Guld. Die südliche Seite des Rathausplatzes nimmt das 1883 vollendete neue Parlamentsgebäude ein, welches nach dem Entwurf Hansens im klassischen griechischen Stil erbaut ist. Der Bau ist mit Skulpturwerken (darunter die schöne Zentralgiebelgruppe: der Kaiser, die Verfassung erteilend, umgeben von den allegorischen Figuren der Kronländer, von Hellmer, Quadrigen von Pilz etc.) reich ausgestattet. Von der Ringstraße führt zum Gebäude eine Rampe, von welcher man in die prachtvolle, mit einer Doppelreihe von Marmorsäulen geschmückte Halle gelangt. Zur Rechten befinden sich die Räume des Abgeordneten-, zur Linken die des Herrenhauses, darunter die schönen, mit Gemälden von Eisenmenger und Griepenkerl geschmückten, elektrisch beleuchteten Sitzungssäle, ferner die Beratungssäle der Kommissionen, die Büreaus der Präsidenten, Minister etc. Gegenüber dem Parlamentsgebäude erhebt sich auf der nördlichen Seite des Rathausplatzes das neue Universitätsgebäude (nach dem Entwurf von Ferstel 1874-84 im Renaissancestil erbaut), mit schönem Festsaalbau an der Fassade gegen die Ringstraße (Giebelgruppe von Tautenhayn), großem Stiegenhaus mit dem Standbild des Kaisers Franz Joseph (von Zumbusch), weitem Arkadenhof und mustergültiger Bibliothekanlage. Rückwärts vom Parlamentsgebäude erhebt sich auf dem Reichsratsplatz der von Wielemans 1875-81 erbaute Justizpalast (s. Tafel) im deutschen Renaissancestil, mit Freitreppe (zwei schöne sitzende Löwen), prachtvollem, als Stiegenhaus dienendem Zentralraum (darin eine Justitia von Hellmer). Eine zweite bedeutsame Gruppe von öffentlichen Gebäuden bilden die neuen Hofmuseen (das kunsthistorische und das naturhistorische) am Burgring, welche nach den von Semper und Hasenauer entworfenen Plänen 1872-86 ausgeführt worden sind. Beide einander gegenüberstehende, durch eine Gartenanlage, in welcher sich das großartige Maria Theresia-Denkmal erhebt, getrennte Gebäude sind in der äußern Architektur identisch, im Renaissancestil gehalten und mit je einer dominierenden Kuppel, auf welcher sich die bronzenen Kolossalstatuen der Pallas Athene und des Helios von Benk erheben, gekrönt und mit plastischen Werken, darunter die schöne, die Kunstindustrie darstellende Figur von Kundmann an der Südostfassade des kunsthistorischen Museums (s. Tafel »Bildhauerkunst X«, Fig. 6) sowie zahlreiche Standbilder von Künstlern und Forschern auf den Dachbrüstungen, geschmückt. Im Innern werden namentlich die Treppenhäuser mit Fresken hervorragender österreichischer Maler (Canon, Munkacsy, Ruß u. a.) ausgestattet. Bemerkenswerte Gebäude für Unterrichtszwecke sind, abgesehen von der oben erwähnten Universität und den sonstigen zerstreuten Gebäuden für die medizinischen und naturhistorischen Spezialinstitute, das chemische Laboratorium in der Währinger Straße (1871 von Ferstel erbaut), ein Ziegelrohbau mit Medaillons, Sgraffiten etc.; das neue anatomische Gebäude in der Währinger Straße; die technische Hochschule auf der Wieden (1815 erbaut, seitdem durch neue Trakte und Stockwerke erweitert); die Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz (von Hansen im Renaissancestil erbaut und 1877 vollendet), mit Kopien antiker Figuren in Nischen an der Fassade, im Innern mit schönem Gipsmuseum etc.; die Handelsakademie in der Akademiestraße (1862 nach dem Entwurf von Fellner erbaut), mit statuengeschmückter Fassade; das Militär-Tierarzneiinstitut; die Theresianische Ritterakademie in der Favoritenstraße (ehemals kaiserliches Lustschloß, 1747 unter der Kaiserin Maria Theresia der von ihr gegründeten Akademie eingeräumt); die technische Militärakademie in der Mariahilfer Straße; die ehemalige medizinisch-chirurgische Akademie Josephinum; mehrere Mittelschulgebäude, darunter das akademische Gymnasium in der Stadt (1863-66 von Fr. Schmidt im gotischen Stil erbaut); das evangelische Schulgebäude in der Wiedener Hauptstraße (1859 von Hansen im italienischen Renaissancestil in Ziegelrohbau hergestellt) u. a. Hervorragende Gebäude für Sammlungen, für musikalische und andre Produktionen sind außer den oben erwähnten Hofmuseen: das österreichische Museum für Kunst und Industrie am Stubenring (1871 von Ferstel in italienischer Renaissance im Ziegelrohbau vollendet, s. Tafel), mit Sgraffitomalerei und Majolikamedaillons, prachtvollem Arkadenhof mit Vestibül und Haupttreppe, hieran anstoßend die Kunstgewerbeschule; das Musikvereinsgebäude in der Lothringer Straße (1869 von Hansen im Charakter der italienischen Renaissance vollendet); der Kursalon im Stadtpark (1867 vollendet), in reichem italienischen Renaissancestil gehalten; das Gebäude der Gartenbaugesellschaft am Parkring, mit einem großen und zwei kleinern Sälen (sogen. Blumensäle), zu Ausstellungen, Konzerten, Bällen etc. benutzt. Architektonisch bedeutende Theatergebäude sind die beiden Hoftheater. Das Hofopernhaus am Opernring wurde von van der Nüll und Siccardsburg 1861-69 erbaut und 25. Mai 1869 eröffnet (Gesamtkosten ca. 6 Mill. Guld.). Es enthält ein prachtvolles Vestibül und Treppenhaus, große, zweckmäßig eingerichtete und elektrisch beleuchtete Bühnen- und Zuschauerräume (letztere für 2352 Personen), ein reich ausgestattetes Foyer, eine offene Loggia und reiche künstlerische Ausstattung (Bronzefiguren in der Loggia von Hähnel, Vorhanggemälde von Rahl und Laufberger, Wandgemälde in der Loggia von Schwind u. a.). Das Hofburgtheater am Franzensring (s. Tafel) wurde nach den Plänen von Semper und Hasenauer erbaut und 1888 vollendet. Es ist ein schöner, im Renaissancestil gehaltener Bau mit zwei Seitenflügeln, welche die prachtvollen Treppenhäuser enthalten, reich ausgestattetem, gleichfalls elektrisch beleuchtetem Zuschauerraum (für 1200 Personen), schönem Foyer mit Loggia und einer mit den neuesten technischen Einrichtungen versehenen Bühne. Von den Kunstwerken, mit welchen das Theater geschmückt ist, sind der einen Bacchuszug vorstellende Fries an der Hauptfassade von Weyr, der diese Fassade krönende Apollo von Kundmann, die Deckengemälde in den Stiegenhäusern, im Foyer und im Zuschauerraum von Charlemont, Klimt, Matsch, Karger etc., die Statue der Klytia von Benk u. a. zu erwähnen. Andre Theater sind: das Theater an der Wien (1845 umgestaltet, für 1780 Personen); das Carl-Theater (1847 nach den Plänen von van der Nüll und Siccardsburg neugebaut, für 1832 Personen), mit Figuren von H. Gasser an der sonst einfachen Fassade; das deutsche Volkstheater in der Bellariastraße (1887-89 von Fellner und Helmer erbaut); das ehemalige Wiener Stadttheater (nach der durch Brand erfolgten Zerstörung des Innern seit 1888 zu einem Vergnügungsetablissement eingerichtet).