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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wjäsemskij; Wjasma; Wjasniki; Wjatka

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Wjäsemskij - Wjatka.

gefährlich wegen ihrer Kälte als wegen ihrer Gewalt, welche so groß ist, daß oft Menschen sowie ganze Viehherden umkommen, die von ihnen im Freien überrascht werden. Die russischen Postanstalten haben den Befehl, bei den Anzeichen dieser Stürme in keinem Fall die Mittel zum Fortkommen zu gewähren. Ihre Dauer beträgt meistens drei Tage.

Wjäsemskij, Peter Andrejewitsch, Fürst, russ. Schriftsteller, geb. 12. Juli (a. St.) 1792 zu Moskau, erhielt eine sehr sorgfältige Erziehung, die er auf der Universität zu Moskau vollendete, und ward dann im Finanzministerium angestellt, wo er viele Jahre hindurch verschiedene Stellungen bekleidete. 1855 zum Gehilfen des Ministers der Volksaufklärung ernannt, blieb er in dieser Stellung nur zwei Jahre und bekleidete fortan nur noch bei Hof, wo er sehr beliebt und geachtet war, das nominelle Ehrenamt eines Obermundschenken. Er starb 10. Nov. 1878 in Petersburg. Des Fürsten W. litterarische Thätigkeit umfaßt eine Periode von fast 70 Jahren, in welcher er als Dichter, Kritiker und Litterarhistoriker unermüdlich thätig war. Scharfer Geist, lebhafte Phantasie, meisterhafte Beherrschung der Sprache, treuer, ehrenhafter Charakter: das sind die Hauptvorzüge seines Wesens. Er war innig befreundet mit Puschkin und unterhielt stets die lebhaftesten Beziehungen zu allen hervorragenden russischen Persönlichkeiten seiner Zeit, so daß seine zahlreichen, nach seinem Tod allmählich zur Veröffentlichung gelangenden Briefe für die Geschichte seiner Zeit von größtem Wert sind. Seine gesammelten Werke erschienen in 10 Bänden (Mosk. 1886).

Wjasma, Kreisstadt im russ. Gouvernement Smolensk, am Fluß W. (Nebenfluß des Dnjepr), Knotenpunkt der Eisenbahnen W.-Rjashsk und Moskau-Brest-Litowsk, hat 25 Kirchen, ein Nonnen- und ein Mönchskloster, ein Gymnasium und ein Mädchengymnasium, sehr berühmte Pfefferkuchenbäckerei, 22 Fabriken, lebhaften Handel nach Riga und Petersburg mit Getreide, Leder, Hanf, Hanf- und Leinöl und (1885) 13,148 Einw. - W. ist sehr alt und gab den Fürsten Wjäsemskij ihren Namen. Es gehörte fast das ganze 15. Jahrh. hindurch den Litauern, kam zu Anfang des 17. Jahrh. an Polen und wurde nach dem hier 1634 zwischen Rußland und Polen abgeschlossenen Frieden wieder mit Rußland vereinigt. Als die Russen hier 3. Nov. 1812 die für sie siegreiche Schlacht unter Miloradowitsch gegen die Franzosen schlugen, brannten viele Fabriken und 1064 Häuser der Stadt ab.

Wjasniki, Kreisstadt im russ. Gouvernement Wladimir, an der schiffbaren Kljäsma und der Eisenbahn Moskau-Nishnij Nowgorod, hat 6 Kirchen, ein Mönchskloster, ein Progymnasium für Mädchen, 5 große Leinwandfabriken, Gartenbau und ansehnlichen Getreidehandel und (1885) 5164 Einw.

Wjatka, Fluß im russ. Gouvernement Wjatka, entspringt nahe den Quellen der Kama im Glasowschen Kreis des Gouvernements Wjatka und ergießt sich nach einem Laufe von 1066 km, von welchen 609 km schiffbar, in die Kama. Ihre zahlreichen Zuflüsse (Choluniza, Tschepza, Pishma u. a.) sind nur flößbar.

Wjatka, russ. Gouvernement, von den Gouvernements Wologda im N., Perm im O., Ufa und Kasan im S., Nishnij Nowgorod und Kostroma im Westen umgeben, umfaßt 153,106,5 qkm (2780,58 QM.). Die Oberfläche ist von niedrigen Hügeln bedeckt, die oft den Lauf der Flüsse begleiten und durch Moräste und Sandwüsten voneinander getrennt werden. In den nördlichen Kreisen enthält der Boden Torf, in andern ist mit Sand und Thon gemischter Lehmboden, und wieder in andern Teilen herrscht Schwarzerde vor. Die geognostische Form ist einförmig und besteht aus dem Mergel, Schiefer und Kalkstein der permischen Formation. An Mineralien trifft man braunes Sumpfeisen, Kalkstein, Mühlstein, Gips, im Slobodskoischen Kreis Magnetstein und im Jelabugaschen Schwefelquellen. Alle Flüsse gehören zum System der Kama, welche das Gouvernement im O. von Perm und Ufa trennt. W. ist reich an Seen, die alle in den Flußthälern liegen und sich als Überreste alter Flußbetten erweisen. Sümpfe sind fast allenthalben. Vom Areal entfallen 30,7 Proz. auf Äcker, 54,9 auf Wald, 7 auf Wiese und Weide, 7,4 Proz. auf Unland. Die sehr ausgedehnten Wälder liegen namentlich in den nördlichen Kreisen. Bau- und Brennholz sowie Holzfabrikate aller Art werden in Masse stromabwärts in die Gouvernements der untern Wolga geflößt; in neuester Zeit sind jedoch die Wälder stark gelichtet worden. Das Klima ist sehr rauh und kalt; die mittlere Jahrestemperatur beträgt + 2,2° C. (im Winter -12,7°, im Sommer +17,2°). Der Winter dauert ungefähr ein halbes Jahr, er fängt im Oktober an und endet gegen Mitte April. Die Bevölkerung belief sich 1885 auf 2,859,004 Einw., von welchen 85 Proz. Russen, der Rest auf Wotjaken, Tscheremissen, Tataren, Teptjären, Baschkiren, Permjaken, Bissermjänen, Zigeuner, Juden, Syrjänen, zum kleinsten Teil auf Polen und Deutsche entfällt. Die griechisch-orthodoxe Konfession ist die vorherrschende (93,3 Proz.); außer dieser sind vertreten Sektierer (2,2), Heiden (0,39), Katholiken und Lutheraner (4,11 Proz.). Die Zahl der Eheschließungen war 1885: 20,287, der Gebornen 130,455, der Gestorbenen 115,110. Die Bevölkerung gehört zum größten Teil dem Bauernstand an, und W. wird daher auch das Bauerngouvernement genannt. Die Hauptbeschäftigung der Einwohner ist der Ackerbau, dem 83 Proz. der Bevölkerung obliegen. Das vorherrschende Wirtschaftssystem ist die Dreifelderwirtschaft; die Landwirtschaft steht auf einer niedrigen Stufe der Entwickelung, und von der Semstwo sind daher an mehreren Orten landwirtschaftliche Schulen und Musterfarmen begründet worden. Gebaut werden außer Getreide auch Flachs und Hanf. Gartenbau u. Küchengärtnerei sind wegen der ungünstigen klimatischen Verhältnisse unbedeutend. Die Ernte ergab 1887: 12 Mill. hl Roggen, 13,4 Mill. hl Hafer, 2,6 Mill. hl Gerste; andre Getreidearten und Kartoffeln in geringer Menge. Die Viehzucht liefert bei dem Mangel an Weiden kaum den für die Äcker nötigen Dünger; man zählte 1883: 925,086 Stück Rindvieh, 706,570 Pferde, 1,446,377 grobwollige Schafe, 291,312 Schweine, 37,252 Ziegen. Bienenzucht wird in den Kreisen Sarapul und Glasow betrieben, welch letzterer gegen 13,000 kg Honig und eine bedeutende Quantität Wachs absetzt. Die Jagd in den umfangreichen Wäldern ist eine ergiebige Erwerbsquelle; man zählt an 6000 Jäger, von denen 2500 sich mit der Vogeljagd beschäftigen. Hasen, Eichhörnchen, Wölfe, Bären, Füchse werden am meisten gejagt, seltener Iltisse, Hermeline, Vielfraße, Fischottern, Elentiere und Luchse. Im Durchschnitt werden jährlich erlegt bis zu 130,000 Eichhörnchen, 30,000 Hasen, 300 Bären. Die jährliche Ausbeute des Hermelins beträgt ca. 600 Stück. Die Vogeljagd beschränkt sich auf Haselhühner (100,000), Rebhühner (50,000) und wilde Enten (10,000). Die Fabrikthätigkeit, im ganzen gering, ist besonders entwickelt in den Kreisen Slobodsk, Sarapul, Wjatka und Jelabuga. Die größten und besten Fabriken gehören