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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Württemberg

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Württemberg (Geschichte 1770-1850).

und durch Gründung von Unterrichtsanstalten (»hohe Karlsschule«) zu glänzen. Da er keine erbberechtigten Kinder hinterließ, so folgte ihm nach seinem Tod (24. Okt. 1793) sein Bruder Ludwig Eugen und, als dieser schon 20. Mai 1795 starb, der jüngere Bruder, Friedrich Eugen (1795-97), der lange Jahre in preußischen Diensten gestanden und sich mit einer Nichte Friedrichs d. Gr. vermählt hatte, weswegen seine Kinder evangelisch waren. 1796 drangen die Franzosen unter Moreau in W. ein, mit denen der Herzog 17. Juli den Waffenstillstand von Baden abschloß, gemäß welchem er seine Truppen vom Reichsheer zurückzog und eine Kontribution von 4 Mill. Gulden bezahlte; im Frieden von Paris (7. Aug.) trat er Mömpelgard gegen das Versprechen späterer Entschädigung an Frankreich ab. Friedrich Eugen starb 23. Dez. 1797; mit ihm endete die Reihe der katholischen Herzöge, die seit 1733 geherrscht hatten.

Württemberg als Königreich.

Friedrich Eugens ältester Sohn und Nachfolger Friedrich II. (1797-1816) nahm gegen den Willen der Stände am Krieg der zweiten Koalition gegen Frankreich teil, infolge dessen W. 1800 von Moreau besetzt und gebrandschatzt wurde; der Herzog floh nach Erlangen. Im Frieden mit Frankreich (27. März 1802) trat er alle linksrheinischen Besitzungen ab und bekam dafür durch den Reichsdeputationshauptschluß an Entschädigung: die Propstei Ellwangen, die Abteien Zwiefalten und Schönthal sowie die neun Reichsstädte: Weil, Reutlingen, Eßlingen, Rottweil, Aalen, Giengen, Hall, Gmünd, Heilbronn, zusammen 2200 qkm mit 124,688 Einw., und die Kurwürde. Die neuen Gebiete erhielten als Neuwürttemberg eine besondere in Ellwangen residierende Regierung und vor allem keine Landstände. Als 1805 der neue Krieg zwischen Frankreich und Österreich ausbrach, wurde Friedrich von Napoleon zu einem Bündnis genötigt und ließ seine Truppen zu den Franzosen stoßen. Seitdem war er ein eifriger Anhänger des Kaisers und erntete reiche Belohnungen dafür: im Preßburger Frieden (26. Dez. 1805) empfing er die österreichischen Besitzungen in Oberschwaben, die Grafschaften Hohenberg, Nellenburg und Bondorf und die Landvogtei Altdorf und durfte 1. Jan. 1806 die Königswürde annehmen. Alt- und Neuwürttemberg wurden völlig verschmolzen, die alte Verfassung aufgehoben und das Kirchengut unter Staatsverwaltung gestellt. Nachdem der König 12. Juli 1806 dem Rheinbund beigetreten war, erhielt W. durch die Mediatisierung mehrerer fürstlicher und gräflicher Häuser sowie durch Gebietsabtretung einen weitern Zuwachs von 160,000 Seelen und durch den Wiener Frieden (14. Okt. 1809) Ulm, Mergentheim u. a., im ganzen 110,000 Einw., so daß W., das 1802 nur 650,000 Einw. gehabt, nun 1,400,000 Einw. zählte. Dafür mußte das württembergische Kontingent 1806 bis 1807 gegen Preußen, 1809 gegen Österreich, 1812 gegen Rußland und 1813 gegen die Verbündeten kämpfen. Nach der Schlacht bei Leipzig, in welcher eine württembergische Brigade zu den Verbündeten überging, fiel König Friedrich von Napoleon ab und erlangte von Metternich im Vertrag zu Fulda (2. Nov. 1813) die Garantie seines Gebiets wie seiner Souveränität, worauf die württembergischen Truppen 1814-1815 am Kampf gegen Frankreich teilnahmen. Auf dem Wiener Kongreß sträubte er sich hartnäckig gegen jede Beschränkung seiner Souveränität und trat erst 1. Sept. 1815 dem Deutschen Bund bei. Seinem Versprechen im Manifest vom 11. Jan. 1815 gemäß legte er der am 15. März eröffneten Ständeversammlung einen freisinnigen Verfassungsentwurf vor; doch verlangten die Stände ihr »altes, gutes Recht« zurück und lehnten den Entwurf ab. Friedrich I. starb 30. Okt. 1816, während der Verfassungsstreit im Land aufs heftigste tobte.

Sein Sohn und Nachfolger, König Wilhelm I. (1816-64), gelangte erst unter dem Druck der Karlsbader Beschlüsse zur Vereinbarung einer Verfassung mit den Ständen, welche 25. Sept. 1819 verkündet wurde. Die Justiz wurde von der Verwaltung getrennt und das Land 1817 in 4 Kreise und 64 Oberämter eingeteilt. Die katholische Kirche wurde neuorganisiert, 1817 eine katholisch-theologische Fakultät in Tübingen und 1828 das Bistum in Rottenburg errichtet. Das Schulwesen wurde bedeutend verbessert. Besondere Fürsorge widmete der König der Landwirtschaft und gründete 1818 die land- und forstwirtschaftliche Akademie zu Hohenheim. Ebenso war er mit Erfolg bemüht, die Finanzen des Landes zu bessern und die Steuerlasten zu mindern; er führte im Gegensatz zu seines Vaters Verschwendung einen sehr einfachen Hofhalt und hielt auch in der Staatsverwaltung auf strengste Sparsamkeit. Die Landstände zeigten sich nachgiebig und friedlich, nachdem einmal die Versöhnung erfolgt war. Erst nach der Julirevolution wurden 1831 einige Führer der liberalen Opposition in den Landtag gewählt, aber 1833 durch die Auflösung desselben wieder beseitigt. Das Land versank wieder in ein politisches Stillleben, in welchem Gewerbe und Handel und damit der Wohlstand durch den Anschluß an den Zollverein, den Bau der ersten Staatseisenbahn u. a. langsam wuchsen. Erst 1848 brach in W. wieder eine freiheitliche und nationale Bewegung aus, welcher der König sofort nachgab: das büreaukratische Ministerium Schlayer, welches seit 1833 am Ruder war, wurde schon Anfang März entlassen und 9. März die Führer der Liberalen, Römer, Duvernoy, Pfizer und Goppelt, in das Ministerium berufen, welches 11. März liberale Reformen im Innern und die Mitwirkung zur Herstellung eines einigen Deutschland versprach. Nachdem der alte Landtag noch die ihm vorgelegten Gesetze über Bürgerbewaffnung, Versammlungsrecht und Ablösung der Grundlasten genehmigt hatte, wurde er 27. März aufgelöst und eine neue Kammer gewählt, welche viele demokratische Mitglieder hatte und außer einem neuen Wahlgesetz besonders die Abschaffung aller Privilegien beschloß. Die von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen Grundrechte wurden von der Regierung als Reichsgesetze verkündet und dem widerstrebenden König 24. April 1849 auch die Unterzeichnung der Reichsverfassung abgedrungen. Die demokratische Agitation im Land hatte aber schon so um sich gegriffen, daß mehrere Volksversammlungen sich mit der Anerkennung der Reichsverfassung nicht befriedigt erklärten und Unterstützung des badisch-pfälzischen Aufstandes zur Durchführung derselben verlangten; um die Erhebung Württembergs zu befördern, verlegte das Rumpfparlament seinen Sitz nach Stuttgart. Doch das Ministerium Römer schritt energisch ein, sprengte 18. Juni das Rumpfparlament durch Militär auseinander und löste den Landtag 8. Aug. auf.

Das deutschnationale Ministerium Römer hatte hierdurch W. vor einem Herübergreifen des Aufstandes bewahrt. Aber nachdem dieser in der Pfalz und Baden unterdrückt worden und Österreich wieder erstarkt war, entließ der König 28. Okt. 1849 das Ministerium und berief Schlayer wieder an die Spitze der Regierung, dem im Juli 1850 v. Linden folgte.