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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ziege

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Ziege (Hausziege).

Salz. Man teilt die Gattung in zwei Untergattungen: Steinbock (Ibex Wagn.), mit vorn abgeplatteten Hörnern ohne Kiel (s. Steinbock), und Z. (Hircus Wagn.), mit seitlich komprimierten Hörnern, vorn mit Kiel. Die Bezoarziege (Paseng, C. Aegagrus L.), 1,5 m lang, mit 20 cm langem Schwanz, 95 cm hoch, ist hell rötlichgrau oder rostbräunlichgelb, an den Halsseiten und gegen den Bauch hin heller, an Brust und Unterhals dunkel schwarzbraun, an Bauch, Innen- und Hinterseite der Schenkel weiß; Stirn, Nasenrücken und Bart sind braunschwarz, der Schwanz ist schwarz. Über den Rücken verläuft ein dunkel schwarzbrauner Streifen, und ein gleichfarbiger Streifen, welcher hinter den Vorderbeinen beginnt, scheidet die Oberseite von der Unterseite. Sie bewohnt die Gebirge Kleinasiens und Persiens, mehrere Inseln des Mittelländischen, besonders des Griechischen Meers, vielleicht auch die Gebirge Griechenlands, lebt in Herden von 40-50 Stück, welche sich im Herbst bei Beginn der Paarungszeit in kleinere Rudel auflösen. Noch vor Beginn des Frühlings wirft die Z. 2-3 Junge. In ihrem Wesen gleicht die Bezoarziege vielfach dem Steinbock. Sie paart sich zuweilen mit der Hausziege. Man jagt sie des Fleisches, des Felles und Gehörns, bisweilen auch der Bezoarkugeln halber, welche man in ihrem Magen findet und arzneilich benutzt. Sie ist wohl dasselbe Tier, dessen Homer bei Beschreibung der Kyklopeninsel gedenkt. Die Schraubenziege (C. Falconeri Wagn.), 1,4 m lang, mit 18 cm langem Schwanz, 80 cm hoch, ist ausgezeichnet durch ihre Hörner, welche 1 m lang werden, sich mehr oder weniger gerade nach oben und hinten richten und sich schraubenförmig um sich selbst winden. Das Haar ist auf dem Ober- und Vorderhals, an der Brust, den Schultern und längs des Rückens bis zum Kreuz mähnenartig verlängert und fällt bei alten Böcken bis auf die Fußwurzelgelenke herab. Die Farbe ist hell graubraun, auf dem Oberkopf und nach den Beinen zu dunkler; Bart und Schwanz sind dunkelbraun, die Innenseite der Beine und der Bauch fast weißgrau. Sie bewohnt die höchsten Teile des tibetischen Himalaja, findet sich aber auch auf dem Hindukusch, in Kaschmir und Afghanistan und führt im allgemeinen dieselbe Lebensweise wie die vorige.

Die Hausziege (C. Hircus L.), mit kräftigem Körper, kurzem, breitem Kopf, großen, lebhaften Augen, sehr beweglichen Ohren, kommt in äußerst zahlreichen Varietäten: gehörnt und ungehörnt, mit kurzen und langen hängenden Ohren, mit glattem und welligem Haar vor und ist überallhin verbreitet. Die verschiedenen Varietäten zeigen zwar ungemein starke Abweichungen, lassen sich aber untereinander kreuzen und liefern fruchtbare Bastarde. Die Angoraziege (C. Hircus angorensis), ein schönes, großes Tier mit kurzem Hals und Kopf, sehr eigentümlich gewundenem, starkem Gehörn und einem überaus reichen, dichten, langen, feinen, weichen, seidenartigen, lockig gekräuselten, weißen Wollhaar, welches die spärlich vorhandenen Grannen fast überwuchert. Sie war den Alten nicht bekannt und wurde von Angora in Kleinasien weiter verbreitet, neuerdings auch in Europa und Nordamerika eingeführt. Die in Europa, besonders in Frankreich, mit der Angoraziege gewonnenen Resultate sind günstig und scheinen dieser Zucht eine Zukunft zu versprechen. Die Kaschmirziege (Hircus laniger) ist 1,5 m lang, an den Schultern 60 cm hoch, mit langen, schraubenförmig gedrehten Hörnern und langem, straffem, feinem und schlichtem Grannenhaar, welches die kurze, außerordentlich feine, weiche, flaumartige Wolle überdeckt. Die Farbe ist weiß oder schwach gelblich, auch hell- oder dunkelbraun und schwarz. Die Kaschmirziege findet sich von Groß- und Kleintibet über die Bucharei bis zum Lande der Kirgisen und ist in Bengalen eingeführt worden. Sie liefert das Material zu den Kaschmirshawls. Die Akklimatisation dieser Z. in Frankreich ist seit 1819 gelungen, sie bringt dem Land jährlich 15-20 Mill. Frank ein; in Österreich und Württemberg hat sich die Nachzucht nicht erhalten. Von geringem Interesse sind die Mamberziege (Hircus mambricus) in Kleinasien und die buckelnasige oder thebaische Z. (Hircus thebaicus) in Oberägypten.

Die Hausziege findet sich gegenwärtig fast bei allen Völkern; sie ist hauptsächlich für das Gebirge geeignet, und ihre Zucht gibt noch unter Umständen Erträge, wo die des Schafes ganz unmöglich ist. Die Z. zeigt größere Fruchtbarkeit, gibt mehr Milch und ist genügsamer als das Schaf; dagegen ist sie weniger mastfähig und gibt geringeres Fleisch. Ihre Naschhaftigkeit und Launenhaftigkeit erschweren die Zucht; an geeigneter Stelle aber ist sie billig zu erhalten, versorgt das Haus mit Milch und liefert Dünger für ein kleines Stück Land. Daher wird die Z. von kleinern Leuten gehalten, während sie in intensiv bewirtschafteten Gegenden und bei größerm Wohlstand verschwindet. Die Abstammung der Hausziege von einer der wild lebenden Spezies ist nicht nachgewiesen. Die Zahl der Ziegen betrug um 1882 in Spanien 3,813,006, Deutschland 2,639,994, Griechenland 2,510,970, Italien 2,016,307, Rußland 1,583,805, Frankreich 1,497,114, Österreich 1,006,675, Portugal 936,863, Serbien 725,700, Rumänien 423,077, Schweiz 396,055, Ungarn 369,671, Norwegen 322,861, Irland 264,423, Belgien 248,775, Niederlande 154,150, Schweden 101,784, Europa 19,040,743. Das männliche Tier heißt Bock, das weibliche Geiß oder Z., das Junge Zicklein, Kitzlein, Gitzi. Den Bock liebt man groß, kurzhalsig, mit dickem Kopf, niederhängenden Ohren, dicken Schenkeln, starken Beinen, langem, starkem Bart, dichter, aber sanfter Wolle; ein Bock reicht im Alter von 2-8 Jahren für 100 Ziegen hin. Die Geiß soll ziemlich hoch, breit im Kreuz und in der Lende, dick im Schenkel und mehr zierlich gebaut sein, feine, zarte, kurze Haare und ein großes Euter mit langen Zitzen haben. Die Paarungszeit dauert von Ende August bis November; die Geiß ist 24 Stunden brünstig und 11 Tage nach der Geburt des Jungen wieder; sie geht 21-22 Wochen trächtig und lammt (wirft, hickelt, zickelt) im Februar, März oder April 1-2, nicht selten auch 3 oder selbst 4 Junge. Man verwendet sie bis zum 9. oder 10. Jahr zur Zucht. Vor dem Lammen wird sie mit gutem Heu und nur mit überschlagenem Wasser ernährt. Das Kitzlein läßt man, wenn es zur Zucht bestimmt ist, 6 Wochen, sonst nur 3 Wochen saugen, gibt aber schon nach 14 Tagen Heu und zarte Blätter. Es folgt nach 5 Tagen der Alten überall hin, ist nach ½ Jahr zur Fortpflanzung geeignet und nach einem Jahr erwachsen. Die Z. liebt als Futter vor allem trockne, gute Kräuter, weniger geil gewachsenes Futter, Laub, Zweige, Wald- und sonstiges Gras und Klee und lernt im Stall Stroh, Rüben, Kartoffeln, Schwarzmehl, Kleie, Ölkuchen, Spülicht, alle Arten Garten- und Küchenabfälle u. dgl. fressen. Im Futter sehr wählerisch, richtet sie bei freiem Umherlaufen an Bäumen, in Gärten und auf Feldern großen Schaden an und verdirbt bei Stallhaltung viel Futter durch Herauswerfen, weshalb man öfters,