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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zucker

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Zucker (Rohzucker, Kristallzucker, Raffinade, Melis etc.).

Ein weites Rohr führt den Dampf aus diesem Aufsatz in den Übersteiger, in welchem sich mitgerissener Saft sammelt, während der Dampf weiter in die Kondensation strömt und durch einspritzendes kaltes Wasser verdichtet wird. Zum Erhitzen des Safts im Vakuum dient ein Schlangenrohr. Man kocht, bis eine Probe der Masse zwischen den Fingern einen Faden von bestimmter Länge gibt, und läßt dann den noch vollständig klaren, aber sehr kristallisationsfähigen Sirup ab (Blankkochen), oder man kocht weiter, so daß die Kristallisation schon im Apparat beginnt, und regelt die Ausbildung der Kristalle, je nachdem man grob- oder feinkörnigen Z. erhalten will, durch rechtzeitiges Nachziehen bestimmter Quantitäten von Klärsel (auf Korn kochen). In beiden Fällen kommt es darauf an, daß nach vollendeter Kristallisation außerhalb des Apparats die Masse eine solche Beschaffenheit besitzt, daß der Sirup von den Kristallen gut abfließt.

Die blank abgekochte Füllmasse bringt man aus dem Vakuum in fünfeckige Blechkasten, in welchen sie bei einer Temperatur von 30-36° kristallisiert und ein Haufwerk lose aneinander haftender Kristalle gibt; eine etwas dichtere Masse gibt die bei 62° auf Korn abgekochte Füllmasse; kocht man aber bei 88-90° auf Korn ab, so ist der zwischen den Kristallen befindliche Sirup so konzentriert, daß er hinreichend neue Kristalle ausscheidet, um die schon vorhandenen zu einer festen Masse (Brotzucker, Hutzucker) zu verbinden. Ist die Kristallisation in den fünfeckigen Kasten hinreichend weit vorgeschritten, so läßt man aus einer nahe dem Boden befindlichen Öffnung den Sirup möglichst vollständig abfließen und erhält auf diese Weise den Rohzucker (erstes Produkt). Dieser ist gelblich bis gelbbraun, die Kristalle kleben schwach aneinander und besitzen einen durch den anhaftenden Sirup bedingten eigentümlichen Geruch und Geschmack; kocht man den abgeflossenen Sirup weiter ein, so kristallisiert die hierbei erhaltene Füllmasse, weil das Verhältnis zwischen Z. und Nichtzucker ungünstiger geworden ist, schwerer und langsamer, und man erhält eine lockerere Masse, das zweite Produkt, von welchem ein dunkler Sirup abfließt, der auf drittes Produkt verkocht wird. Von diesem erhält man einen dunkeln, schmierigen, stark salzigen Sirup, aus welchem das vierte Produkt gewonnen wird, und von letzterm fließt endlich die Melasse ab, die trotz ihres großen Zuckergehalts wegen zu hohen Gehalts an Nichtzucker nicht mehr kristallisiert.

Den Rohzucker und die Rohprodukte überhaupt kann man durch die Operation des Deckens reinigen, indem man in den Kasten den obern festen Teil des Zuckers einige Zoll tief aufhackt, das Aufgehackte mit Wasser zu einem dünnen Brei anrührt und diesen auf den oberflächlich geebneten Z. gießt. Der aus den Kristallen gebildete reinere Sirup sickert dann durch die Zuckermasse und spült die Reste des ursprünglichen Sirups fort. Vollständiger und schneller gelangt man aber durch das Schleudern zum Ziel, und wenn man gut und scharf kristallisierte Füllmasse noch warm auf die Zentrifugen bringt, so erhält man sehr reinen, weißen und trocknen Z. (Kristallzucker, Kornzucker). Der auszuschleudernde Z. wird auf der Maischmaschine mit Sirup oder Wasser in einen möglichst gleichförmigen, halbflüssigen Brei verwandelt und dann auf die Zentrifuge (Tafel II, Fig. 11) gebracht. Diese gleicht vollständig der auch zur Saftgewinnung angewandten Maschine. Die Achse der Trommel wird an ihrem untern Ende durch Riemenwerk in schnelle Rotation versetzt, und der Sirup dringt aus der rotierenden innern Trommel, an deren Wandung sich die von oben einfließende Zuckermasse gleichmäßig verteilt, in den Mantel. Die an der Trommelwand sitzende Kristallschicht kann man durch Decken weiter reinigen, indem man reinen Sirup in die Zentrifuge gießt, welcher sich über die ganze Zuckermasse verteilt und sie schnell durchdringt. Man hat auch in der Schleudermaschine einen Cylinder oder eine Glocke angebracht, die mit der Trommelsiebwand einen ringförmigen Raum bildet, welcher bei ruhender Maschine mit dem Zuckerbrei gefüllt wird. Ist die Zuckermasse richtig gekocht, Konzentration und Körnung zweckentsprechend, so wird durch diese Einrichtung die Ausbeute an reinerm Z. vergrößert. Dies ist besonders der Fall, wenn zur Reinigung des geschleuderten Zuckers trockner Dampf mit oder ohne Beimischung von Luft angewandt wird. Bei der russischen Dampfdecke leitet man zwischen Trommel und Mantel einen Dampfstrom, nachdem die Zentrifuge oben durch einen Deckel geschlossen ist, um die Zuckermasse zu erwärmen und den Sirup dünnflüssiger zu machen, und erreicht dadurch eine sehr vollständige Abscheidung des Sirups.

Während der Rohzucker aus Zuckerrohr von den ihm anhaftenden Verunreinigungen aromatisch angenehm schmeckt, besitzt der Runkelrübenrohzucker einen unangenehmen Geschmack, der aber bei sorgfältiger Reinigung so vollständig verschwindet, daß der reinste Z. aus Runkelrüben von gleich reinem aus Zuckerrohr nicht zu unterscheiden ist. Diese reinste Ware erhält man durch die Raffineriearbeit, und sie heißt Raffinade. Man löst den Rohzucker, wenn nötig, nach vorherigem Schleudern in Wasser, filtriert die Lösung über Knochenkohle, wobei man möglichste Entfärbung zu erreichen sucht, verkocht im Vakuum auf Korn, setzt dem Vorurteil des Publikums zu Gefallen etwas Ultramarin zu und füllt die Masse in mit Ölfarbe gestrichene Blechformen, welche eine den Zuckerhüten (Broten) entsprechende Gestalt haben und Brote von 10-12 kg liefern. Die abgekühlten Formen mit der erstarrten Füllmasse werden auf den Böden in Stellagen gebracht und an der nach unten gerichteten Spitze geöffnet, worauf bei 30-36° der Sirup allmählich abfließt. Die weitere Reinigung geschieht durch Aufgießen von dichtester kalter reiner Zuckerlösung (Deckklärsel), welche den Sirup völlig verdrängt, so daß das Brot schließlich ganz weiß wird. Zur Entfernung des Decksirups bringt man dann die Formen auf die Nutschbatterie (Tafel II, Fig. 12), ein horizontal liegendes Röhrensystem mit kleinen Stutzen, in welche die Spitzen der Formen luftdicht passen. Das Röhrensystem steht mit einer Luftpumpe in Verbindung, und der Sirup wird mithin durch den Luftdruck aus dem Brot gedrängt. Ist dies erreicht, so nimmt man die Brote aus den Formen, dreht ihre Spitze auf einer Maschine etwas ab und bringt sie dann in die Trockenstube, wo sie in 6-8 Tagen bei 50° trocknen. Die so gewonnenen Brote zeichnen sich durch ein völlig geschlossenes Korn, große Farblosigkeit und reinen Geschmack aus. Aus den Sirupen der Raffinerie bereitet man eine geringere Ware (Melis) oder füllt sie nach dem Verkochen auf größere Formen (Bastern, Lumpen), die nach dem Decken zu Deckklärsel benutzt oder gemahlen werden und als Farin in den Handel kommen. Kandis wird aus sehr reinem Z. hergestellt, der braune aus indischem Rohzucker oder aus reinem Rübenzucker, welcher aber mit braunem indischen gefärbt ist. Man kocht auf schwache Fadenproben, erhitzt auf 112-115° und füllt den Saft in ku-^[folgende Seite]