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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Bayern (Verkehrswesen, Finanzen, Justiz)

Betriebe. Hinsichtlich der Zahl der Industriebevölkerung im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung steht B. den mitteldeutschen und westdeutschen Gebieten erheblich nach. Der gewerbestatistischen Sondererhebung vom J. 1882 sind nachfolgend einige hauptsächliche Angaben zu entnehmen. Ermittelt wurden 447,150 Gewerbebetriebe (hiervon sind 78 Proz. Hauptbetriebe). Von den 350,022 letztern wurden 61 Proz., von den 16,251 Motorenbetrieben 15 Proz. ohne Arbeiter betrieben. Nach der Art des Motors benutzen 15,755 stehende Triebwerke (13,001 Wasser, 2445 Dampf, 303 Gas und Heißluft, 6 Wind), 486 Betriebe haben Dampfkessel, 426 Lokomobilen, und 7 benutzen Dampfschiffe. In den Hauptbetrieben sind 13 Proz. der Bevölkerung, 534,213 Männer, 151,085 Weiber, beschäftigt; in den Kleinbetrieben (bis zu fünf Gehilfen) arbeiten 295,270, in den größern 170,694, in den Motorenbetrieben 135,524 Personen.

Verkehrswesen. Das bayrische Bahnnetz ist, sowohl auf die Fläche als auf die Einwohnerzahl berechnet, etwas ausgedehnter als in Preußen. Die Bahnlänge der bayrischen Staatsbahnen mißt 4575 km, hiervon 306 km zweigeleisig; letztere sollen demnächst erheblich vermehrt werden. Im Betrieb sind 1071 Lokomotiven. Befördert wurden 19,7 Mill. Personen (4,5 Proz. in Schnellzügen) und 9,9 Mill. Ton. Güter. Die Gesamteinnahme beziffert sich auf 90,6, der Überschuß auf 42,3; Mill. Mk. An Unfällen ereigneten sich im J. 1888: 137 Entgleisungen, 37 Zusammenstöße, 159 sonstige Unfälle; verletzt wurden dabei 101, getötet 51 Personen (von den Reisenden 9 verletzt). Zu den nur 14 km Privatbahnen im diesseitigen B. sind in der neuesten Zeit 4 Privatlinien mit zusammen 72 km Länge getreten. Außerdem besteht eine kleine elektrische Bahn zur Personenbeförderung in München und eine Anzahl von Montan-, Industrie- etc. Bahnen. Die pfälzischen (Privat-) Bahnen haben eine Länge von 667 km und ein Material von 168 Lokomotiven; sie beförderten 5,58, Mill. Personen (2,7 Proz. in Schnellzügen). Im Postdienst wurden 1887: 144 Mill. Sendungen befördert (hiervon 97 Mill. Briefe, 19 Mill. Postkarten, 16 Mill. Drucksachen). Postaufträge wurden 370,000 erledigt und an Postanweisungen 351 Mill. einbezahlt und 328 Mill. Mk. ausbezahlt. Im Fahrpostverkehr wurden befördert 13,8 Mill. Pakete und Wertbriefe mit einem Gesamtwert von 1780 Mill. Mk., ferner 651,800 Personen (2,5 Proz. des Personenverkehrs überhaupt). Telegraphenanstalten besitzt B. 1319, Telephonstationen 7 amtliche und 48 private mit zusammen 2630 Sprechstellen. Die Einnahmen aus Post und Telegraph betragen 14,89 Mill. Mk., der Überschuß 2,4 Mill. Mk. Den Ludwigs-Donau-Mainkanal befuhren 3513 Schiffe und Flöße mit zusammen 101,890 Ton. Gütern; es betrugen die Einnahmen 113,367, die Ausgaben 259,023 Mk. Die 6 bayrischen Dampfschiffe auf dem Bodensee beförderten 118,190 Personen, 171,930 Ton. Gepäck und Güter; es betrugen die Einnahmen 394,815, die Ausgaben 306,976 Mk., die Gesamteinnahme der königlich bayrischen Verkehrsanstalten betrug 107,9, die Ausgaben 64,4 Mill. Mk., der Ertrag somit 43,5 Mill. Mk.

Finanzen. Das Budget von 1888/89 bilanziert mit 260 Mill. Mk., hiervon entfallen 100 Mill. auf Verwaltungsausgaben und 160 Mill. auf sonstige Ausgaben. Unter den Einnahmen liefern die direkten Steuern 26,9 Mill., Zölle und indirekte Steuern 66 Mill. (hiervon der Malzaufschlag 34,8 Mill. Mk.), Verkehrsanstalten 105,9, Forst- und andre Gefälle 24 Mill. Mk. Die Zivilliste hat sich um die Kosten der Regentschaft (442,857 Mk.) erhöht und beträgt 5,647.912 Mk. Die Ausgaben für Reichszwecke betragen 30,7 Mill., für die Armee (aus der Reichskasse) 40,4 Mill. Mk. Die Staatsschuld Bayerns beträgt 1352,7 Mill. Mk. (hiervon entfallen 967,5 Mill. auf Eisenbahnschuld); der Schuldenstand sämtlicher politischer Gemeinden beziffert sich auf 151 Mill. Mk. Die Gemeindeumlagen ergaben 1886: 20,65 Mill. Mk.; 9 Proz. der Gemeinden sind umlagenfrei. In der Pfalz werden auf den Kopf der Bevölkerung mehr als doppelt soviel Umlagen erhoben wie im diesseitigen B. In B. bestehen 306 Sparkassen mit einem Sparbestand von (1886) 141 Mill. Mk.; es treffen auf den Kopf der Bevölkerung 25,9 Mk. (1877: 15,8 Mk.) und auf je 100 Personen 9 Einleger, und es ist eine stete Steigerung der Sparthätigkeit unleugbar. Nach der Sondererhebung über die bayrischen Stiftungen bestanden Ende 1887: 17,367 Stiftungen mit einem rentierenden Vermögen von 400,5 Mill. Mk.; hiervon treffen auf Wohlthätigkeit 186,5, auf Kultus 154,5, auf Unterrichtszwecke 58,9 Mill. Mk. Geistliche Pfründestiftungen, eigne Kultus- und Schulfonds sind hierin nicht inbegriffen. Bezüglich der Zeit der Gründung ergibt sich eine fortwährende Steigerung des Sinnes für Wohlthätigkeit; 8438 Stiftungen fallen in das laufende Jahrhundert, 199 in die Zeit vor 1000. Von den obigen Stiftungen für Kultus entfallen 136,4 Mill. auf die katholische, 17,7 Mill. auf die protestantische und nur 23,233 M. auf die israelitische Religion. Was die Armenpflege in B. betrifft, so ist für öffentliche und Privatwohlthätigkeit ein rentierendes Gesamtvermögenvon 168,5 Mill. und eine Jahresausgabe von 19 Mill. Mk. nachgewiesen. Von den Gemeinden wurden im J. 1886: 167,973 Personen (65 Proz. dauernd, 35 Proz. vorübergehend) unterstützt; eigentlich verarmt sind 43,5 Proz. aller Unterstützten. Einschließlich der Distrikts- und Kreisarmenpflege betragen die Gesamtausgaben der öffentlichen Armenpflege 10 Mill. Mk. und ihr rentierendes Vermögen 160 Mill. Mk. An öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten besitzt B. 346 Kranken-, 268 Pfründe- und Armenanstalten, 108 Waisen- und Rettungshäuser, 198 Kinderbewahr-, Krippen- und Säuglingsanstalten. Auch die Privatwohlthätigkeit ist in hervorragender Weise vertreten; es bestehen hierfür in B. 341 allgemeine Privat-Wohlthätigkeitsvereine, 177 Privatanstalten und 1552 Vereine zur Verabreichung von Ortsgeschenken. Was die Versicherungsstatistik 1886/87 betrifft, so beträgt der Wert des Eigentums, welches in B. gegen Schaden versichert ist, 7173 Mill. Mk., an Schäden wurden vergütet 8,6 Mill. Mk. Die Jahresausgabe für Versicherung beträgt gegen direkten Schaden 11,9 Mill. und einschließlich der Lebens- und Rentenversicherung 29 Mill. Mk., also mehr, als die direkte Staatssteuer ausmacht. Die staatliche Brandversicherungsanstalt hatte 1,569,000 Gebäude zu 3802 Mill. Mk. versichert und 5 Mill. Mk. für Brandschäden vergütet. Freiwillige Feuerwehren bestehen 4990 (1866: 170) im diesseitigen B. mit einem Bestand von 300,000 Feuerwehrmännern.

Justiz. Im J. 1886 wurden in B. 49,660 Personen wegen Verbrechen oder Vergehen gegen Reichsgesetze verurteilt, hiervon waren 9 Proz. unter 18 Jahre alt und 83,4 Proz. männlichen Geschlechts. In den 15 Strafanstalten waren im J. 1887: 11,681 männliche, 1811 weibliche, in den 277 Gerichtsgefängnissen 212,675 männliche, 53,694 weibliche Personen, einschließlich der Zivilhäftlinge, aufgenommen