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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bernstein; Bernuth; Berri

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Bernstein - Berri

der B. der etruskischen Nekropolen aus Funden der italienischen Molasse (Bologna) stamme. Nun ist es allerdings richtig, daß B. nicht bloß an den germanischen Seeküsten, sondern auch an vielen Orten Mittel- und Südeuropas, ja selbst in Nordafrika und Syrien gelegentlich gefunden wird, wenn auch alle diese Fundorte an Ergiebigkeit gegen die Ostseeküsten für den Handel kaum in Betracht kommen.

Inzwischen fand Helm, daß die fossilen Harze südlicher Fundorte vom Ostseebernstein wesentlich verschieden sind, und daß der B. von Mykenä und der prähistorischen Gräber Italiens thatsächlich mit Ostseebernstein identisch ist. Schon vor längerer Zeit hatte er gezeigt, daß die Bernsteinsorten südlicher Herkunft bei der trocknen Destillation höchstens Spuren von Bernsteinsäure liefern, von der man 4-7 Proz. aus Ostseebernstein erhält. Die Benrnsteinsorten des Südens liefern statt dessen Ameisensäure und sind vielleicht als das Harz eines ganz verschiedenen Baumes zu betrachten. Von allen untersuchten Proben aus südlichen Fundstätten ergab nur der rumänische B. eine annähernde Menge Bernsteinsäure; doch kommt gerade diese Sorte für Schmucksachen am wenigsten in Betracht, da sie an Farbe, Härte und Polierfähigkeit dem Ostseebernstein erheblich nachsteht. Es scheint demnach kaum mehr einem Zweifel zu unterliegen, daß die vorhomerischen Griechen sowohl als die vorgeschichtlichen Etrusker ihren Bernsteinbedarf von den Ostseeküsten bezogen haben, und Krause hat dargelegt, daß diese Thatsache auch den ältern griechischen Schriftstellern und selbst noch dem Herodot wohl bekannt war, und daß erst Äschylos, Sophokles und Euripides durch ihre poetischen Behandlungen der Sage vom Sturz des Phaethon in den Eridanos die alte Tradition verwirrten und zu der später allgemein angenommenen Meinung verleiteten, unter dem Bernsteinfluß Eridanos sei der Po zu verstehen. Noch später verschwand dann bei den Alten alle und jede sichere Kunde von dem Bernsteinland im Norden, so daß es durch Pytheas, Plinius und Tacitus wieder völlig neu entdeckt werden mußte.

Die Frage, ob der B. der Ostseeküsten auf dem Wasser- oder Landweg nach dem Süden gelangt sei, dürfte zu gunsten der letztern Verkehrsweise entschieden werden, wenn auch einzelne bis zur Ostsee gedrungene Fahrten der Phöniker kaum zu bestreiten sein möchten. Oppert hat unlängst eine Inschrift des Königs Assurnasirpal von Assyrien (883-860 v. Chr.) veröffentlicht, in der gesagt wird, daß seine Leute bis zu dem Meer vorgedrungen seien, woselbst der Nordstern im Zenith steht, und dort eine Substanz aus dem Wasser gefischt hätten, welche fast wie Kupfer aussähe. Man kann für wahrscheinlich halten, daß damit B. gemeint war und unter »seinen Leuten« die von ihm unterworfenen Phöniker zu verstehen wären, die wenn auch nicht regelmäßig, so doch gelegentlich so weite Seereisen gemacht zu haben scheinen. Sicherlich aber gelangte der meiste Ostseebernstein auf dem Weg eines von Land zu Land gehenden Zwischenhandels an der Oder und Weichsel südwärts bis zur Donau und dann einerseits nach dem Po, anderseits direkt nach Griechenland, wie dies unter anderm baltische Münzfunde darthun, die bis zum 6. Jahrh. v. Chr. zurückreichen und die höchst wahrscheinlich noch weiter zurückreichen würden, wenn man schon früher in Griechenland oder Italien gemünztes Geld gehabt hätte. In noch ältern Zeiten wurde der B. höchst wahrscheinlich gegen Bronze- und Eisenwaren eingetauscht, und hier haben wir vermutlich den Ursprung der ältesten etrurischen und griechischen Geräte im

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Norden zu suchen. Noch in den Tagen des Plinius kam der nordische B. auf diesem Weg über Carnuntum bis zu den Po-Mündungen; die Küstenplätze des Adriatischen Meers bildeten die Hauptstapelplätze für den Handel mit dem leicht zu bearbeitenden Schmuckstoff, und da nun Bernsteinbalsketten schon damals, genau so wie heute, in dem Ruf standen, die Drüsenanschwellungen des Halses zu verhüten, der Kropf aber an den Südabhängen der Alpen seit jeher heimisch war, so trugen die Landleute an den Po-Ufern allgemein Bernsteinketten, und dies, sagt Plinius, sei die Ursache gewesen, daß man im Altertum den Po für den Eridanos hielt, aus dem der B. gefischt wurde.

Dieser Nachweis des außerordentlich hohen Alters der Handelsbeziehungen zwischen Mittelmeer- und Ostseevölkern ist an sich schon außerordentlich wichtig, wird aber noch merkwürdiger durch den Import nordischer Sagen nach Griechenland, der sich am leichtesten durch denselben erklärt. Krause hat es wahrscheinlich gemacht, daß die zu Homers Zeiten beinahe schon vergessenen, also uralten Mythenkreise von Orion und Meleager, die von den Griechen in nächste Verbindung mit dem Bernsteinmythus gebracht wurden, nur zwei verschiedene Formen des nordischen Mythus von Odin und seiner Eberjagd sind, und wie die Meleagersage wahrscheinlich aus einem Mißverständnis der nordischen Julfeier entstanden ist, bei der Feuerbrände gelöscht und als Lebenssymbole bis zum nächsten Julfest aufgehoben wurden. Außerdem findet sich das Feuerbrandmotiv in viel organischerer Verbindung in der nordischen Nornagestsage als in dem griechischen Meleagermythus. Wenn es nun in der griechischen Sage heißt, die Schwestern des Phaethon oder Meleager hätten B. geweint, oder wenn Orion dargestellt wurde, wie er den Bernsteinfluß (Eridanos) durchwatet, so deutet das alles auf den nordischen Ursprung dieser und so vieler andrer Homerischer Sagen, wie namentlich auch der Odyssee, in der sogar von den hellen, nur wenige Stunden dauernden Sommernächten Skandinaviens die Rede ist. - Zur Litteratur: Tesdorpf, Gewinnung, Verarbeitung und Handel des Bernsteins in Preußen (Jena 1887).

Bernstein, Stadt im Regierungsbezirk Frankfurt, (1885) 2203 Einw.

Bernuth, 1) August von, preuß Justizminister, zuletzt Senior der nationalliberalen Partei im Reichstag, starb 26. April 1889 in Berlin.

* 2) Julius von, Dirigent und Musiklehrer, geb. 8. Aug. 1830 zu Rees (Rheinprovinz), studierte die Rechte in Bonn und Berlin, wendete sich, nachdem er bereits zwei Jahre in Wesel Referendar gewesen, der Musik zu (1854-57 am Konservatorium zu Leipzig), dirigierte in Leipzig die von ihm begründeten Vereine »Aufschwung« und »Dilettanten-Orchesterverein« sowie die »Euterpe«. 1863 studierte er noch weiter Gesangunterrichtsmethodik bei Garcia in London, leitete aufs neue in Leipzig mehrere Jahre die Euterpekonzerte und folgte 1867 einem Ruf als Dirigent der Philharmonischen Gesellschaft und der Singakademie zu Hamburg, wo er das Konservatorium für Musik ins Leben rief. 1878 wurde er zum königlich preußischen Professor ernannt.

Berri, 3) Herzogin von. Nach einer Veröffentlichung Nauroys (»La duchesse de B.«, Par. 1889) hat ihre heimliche Ehe mit dem Grafen Lucchesi-Palli, aus welcher das zu Blaye geborne Kind entsprungen sein soll, nicht stattgefunden, und dieser ist nicht der Vater desselben. Die Vermählung der Herzogin erfolgte erst nach ihrer Entlassung in Rom, und sie hat ihrem nunmehrigen Gemahl noch mehrere