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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Bewegungswiderstand (Kraftbedarf der Eisenbahnfahrzeuge, der Wasserfahrzeuge)

Im übrigen haben die Morinschen Versuche ergeben, daß der Widerstand, welchen ein gutes Steinpflaster oder eine fest zusammengefahrene Schotterstraße der Bewegung der Wagen entgegensetzt, nahezu im direkten Verhältnis der Last, im umgekehrten Verhältnis zum Raddurchmesser steht und dagegen beinahe unabhängig von der Anzahl der Räder und der Felgen- oder Radreifenbreite ist. Auf weichem oder zusammendrückbarem Boden sowie auch auf frisch beschotterten Straßen nimmt dieser Widerstand ab, wenn die Reifenbreite größer genommen wird. Ferner ist er beim langsamen Fahren (unter 1 in Geschwindigkeit pro Sekunde) ziemlich unabhängig von der Geschwindigkeit und ebenso groß bei Wagen mit oder ohne Federn, wächst dagegen bei größerer Schnelligkeit, zumal während des Fahrens auf harter Schotterstraße oder auf Steinpflaster, nahezu proportional mit der Geschwindigkeit. Für ansteigende und abfallende Bahnen gilt bei den Räderfuhrwerken dasselbe wie bei den Schlitten, nur daß diese für das Befahren abfallender Straßen mit Bremsen ausgerüstet sind.

c) Eisenbahnfahrzeuge. Bei den: Bewegungswiderstand der Eisenbahnfahrzeuge sind zu unterscheiden: Widerstand auf gerader horizontaler Strecke, Widerstand in Kurven, Widerstand auf Steigungen. Der Widerstand der Eisenbahnwägen und Tender auf gerader, horizontaler Strecke, bestehend im wesentlichen aus der Achsenreibung, der rollenden Reibung zwischen Rädern und Schienen, aus den durch die Unebenheiten der Bahn (z. B. die Schienenstöße) dargestellten Hindernissen und dem Luftwiderstand, läßt sich mit Einschluß des Kurvenwiderstandes annähernd darstellen durch den Ausdruck W1 = Q (0,003 + 0,0002) v² ^[W_1 = Q (0,003 + 0,00002 v^(2), wenn Q die Bruttolast (Ladung und Wagen) in Kilogrammen und v die Zugsgeschwindigkeit in Metern pro Sekunde bedeutet. Für die Lokomotiven kann man denselben Ausdruck gebrauchen, wenn man zur Berücksichtigung der Reibungswiderstände der Maschinenteile (Kolben, Kreuzköpfe, Kurbelstangen) den einfachen Betrag des Lokomotivgewichts in Rechnung stellt. Auf Steigungen und Gefallen kommt noch, genau wie bei den Straßenfahrzeugen, die vertikale Schwerkraftkomponente hinzu, welche sich ergibt als das Produkt aus der Bruttolast und dem Steigungsverhältnis (bez. dem Gefälle) und demgemäß dargestellt wird durch den Ausdruck W1 = ± 1/n Q ^[W_1 = ± 1/n Q], wobei das +Zejchen für Steigungen, das -Zeichen für Gefälle zu setzen ist und 1/n das Steigungsverhältnis bedeutet. Man hat somit den Gesamtwiderstand

W = Q (0,003 + 0,0002) v² ± 1/n Q ^[W = Q (0,003 + 0,0002) v² ± 1/n Q] für Wagen und 7/6 Q (0,003 + 0,0002) v² ± 1/n Q ^[7/6 Q (0,003 + 0,0002) v² ± 1/n Q] für Lokomotiven. Hierbei ist nur der eigentliche Bahnwiderstand geringer als beim Wagentransport, während der Steigungswiderstand genau ebenso, als wenn dieselbe Last Q auf Straßenfuhrwerk befördert würde, mit der Steigung wächst. Der Gesamtwiderstand der Eisenbahnfahrzeuge wird sich daher um so mehr demjenigen der Straßenfuhrwerke nähern, je stärker die zu überwindenden Steigungen sind. Beim Fahren auf einer guten Chaussee ist nach obiger Tabelle der Widerstand bei scharfem Trab = 1/40 obiger Tabelle der Bruttolast Für die selbe Geschwindigkeit (3,5 m pro Sekunde) würde der Bahnwiderstand beim Eisenbahntransport nur 0,003 -^ 0,00002 . 3,5 . 3,5 = etwa

^[Spaltenwechsel]

1/300 sein, d. h. die Kraft zum Fortschaffen von Lasten auf sehr guten Straßen ist ungefähr 1/40 . 300 = 7½ mal so groß wie auf Eisenbahnen. Dieses günstige Verhältnis der Eisenbahnen wird jedoch bei steigender Bahn bedeutend verschlechtert. Bei einem Steigungsverhältnis 1/40 ist der Fuhrwerkswiderstand 1/40 + 1/40 = 1/20 und der Widerstand auf Eisenbahnen = 1/300 + 1/40 = 17/6,0 = 1/35, also ersterer nur noch 1/20 . 35 = 1¾ mal so groß als letzterer. Der Widerstand W stellt zugleich die Zugkraft der Lokomotive dar, welche bei gewöhnlichen Eisenbahnen nur dadurch auf den Zug übertragen wird, daß die gleitende Reibung (Adhäsion) zwischen den Treibrädern und den Schienen mindestens ebenso groß wie die Zugkraft selbst ist. Es muß also ein genügend großer Teil des Lotomotivgewichts als sogen. Adhäsionsgewicht auf den Treibrädern lasten, um diese Adhäsion erzeugen zu können. Die Adhäsion beträgt etwa ⅛ des Adhäsionsgewichts, so daß man umgekehrt bei bekannter Zugkraft das Adhäsionsgewicht gleich dem achtfachen Werte derselben findet. Wenn eine Lokomotive von 40,000 kg Gewicht einen Zug von 150,000 kg bei einer Steigung von 1/120 nur einer Geschwindigkeit von 10 m pro Sekunde bewegen soll, so ist der Widerstand des Ganzen oder die erforderliche Zugkraft der Lokomotive, bez. die Adhäsion der Treibräder = 150,000 (0,003 + 0,0002 . 100) + 150,000/120 7/6 40,000 (0,003 +0,00002 . 100) + 40,000/120 = 2566 kg. Hieraus ergibt sich das erforderliche Adhäsionsgewicht = 8 . 2566 = 20,528 kg, also ungefähr die Hälfte des Lokomotivgewichts. Mit der Ermittelung des Bewegungswiderstandes der Eisenbahnfahrzeuge haben sich eine große Reihe von Forschern beschäftigt, so Pambour, Harding, Gooch, Redtenbacher, Clark, Welkner, Vuillemin, Dieudonné, Guebhard u. a.

Il. Wasserfahrzeuge (Prahme, Kähne, Boote, Schiffe). Die theoretische Ermittelung der Bewegungswiderstände der Wasserfahrzeuge ist wegen der außerordentlich verwickelten Natur derselben ganz besonders schwierig, so daß man trotz über ein Jahrhundert langer Bemühungen aus zahlreichen Versuchen noch keine allgemein gültige Formel gefunden hat, nach welcher man den Bewegungswiderstand vorausbestimmen könnte. Überhaupt wird man nie zu einer Formel gelangen, in welcher der Bewegungswiderstand in so einfachem Verhältnis von der zu transportierenden Last abhängig erscheint, wie dies bei den Formeln für Landfuhrwerke der Fall ist (vgl. z. B. die obige für Eisenbahnfahrzeuge), und aus welcher man direkt entnehmen kann, welchen Teil der Last die Zugkraft betragen muß, weil der Schiffswiderstand in zu hohem Maß von den Verhältnissen des Schiffs abhängig ist. Nach der ältern sogen. Verdrängungstheorie besteht der Hauptteil des Widerstandes in den der Verdrängung des Wassers entgegenwirkenden Kräften, d. h, in einem Druck, den der vordere Teil eines Schiffs auszuüben hat, um das Wasser zu zerteilen, und in einer Saugwirkung, die der hintere Teil des Schiffs ausüben muß, um das Wasser wieder zusammenzuschließen. Der Widerstand zeigt sich demgemäß in den nach dieser Theorie aufgestellten Formeln abhängig von dem größten eingetauchten Querschnitt des Fahrzeugs, weil dieser