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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Boden (Mikroorganismen, Bodenkrankheiten)

ist sie bei Torf, dann geringer bei yumosem Kalksand, Lehm, Kalksand, am geringsten bei Quarzsand. Großen Einfluß auf die Verdunstung übt der Pflanzennmchs aus.

Je mehr organische Substanzen der B. enthält, um so besser gedeihen in ihm die Mikroorganismen, deren Menge sich auf Hunderttausende in 1 ccm belaufen kann. Mit der Tiefe nimmt die Zahl der Mikroorganismen im B. sehr schnell ab und wird unter 1,5 m in minimal, zumal in jungfräulichein B., während sich in dem vielfach durchwühlten Untergrund großer Städte auch noch in größerer Tiefe Mikroorganismen finden. In 3-3,5 m Tiefe werden indes nur ganz vereinzelte gefunden, und im Bereich des Grundwassers fehlen sie gänzlich. Man hat Sporen von Schimmelpilzen, einige Algen (Cladothrix), hauptsächlich aber Bakterien und unter diesen vorwiegend Bacillen, weniger Mikrokokken, gefunden. Man kann drei Gruppen unterscheiden: oxydierende, reduzierende und solche Bakterien, welche den Bestand des Bodens an Wertbestandteilen vermehren. Zu den oxydierend wirkenden Bakterien gehören die sogen. Eisenbakterien, welche kohlensaures Eisenoxydul aufnehmen und es als Eisenhydroxyd in die massenhaft produzierten gallertartigen Scheiden übergehen lassen. Ahnlich verbrennen die Schwefelbakterien Schwefelwasserstoff zu Schwefelsäure, wenn Kohlensäuresalze zugegen sind, mit welchen die Schwefelsäure Sulfate bilden kann. Angeblich enthält der B. auch Bakterien, welche Ammoniak aufnehmen und dies zu Salpetersäure oxydieren, wenn diese zur Bildung von Nitraten Gelegenheit finden. Die Existenz dieser Salpeterbildungsfermente ist bestritten worden, jedenfalls gelang bisher ihre Isolierung nicht, und man konnte sich denken, daß bei dem gewöhnlichen Verwesungsprozeß wie bei jeder Oxydation Ozon gebildet wird, welches das Ammoniak in Salpetersäure verwandelt. Man hat bisher angenommen, daß Sauerstoff von Organismen nur unter dem Einfluß des Lichts abgeschieden werden könne, die Purpurbakterien entwickeln aber namentlich in den ultraroten Strahlen, physiologisch im Dunkeln, deutlich Sauerstoff, und gewisse farblose Bakterien bilden im Dunkeln aus kohlensaurem Ammoniak ein der Cellulose sehr nahe stehendes Kohlehydrat, wobei sie Sauerstoff ausscheiden, der alsbald zur Bildung von Salpetersäure aus dem Ammoniak verbraucht wird. Auch die Bildung der Kohlensäure im B. dürfte vorwiegend auf Mikroorganismen zurückzuführen sein, wenngleich Kohlensäure auch aus tiefern Schichten aufsteigen und durch Einwirkung von Humussäuren auf Carbonate entstehen kann. Andre Bakterien dürfen wenigstens indirekt beteiligt sein an der Entbindung von freiem Stickstoff aus Nitraten oder organischen Substanzen. Von Bakterien, welche direkt freien Stickstoff liefern, ist nichts bekannt, beider Verwesung aber kann man an die Einwirkung von salpetriger Säure auf amidähnliche Zersetzungsprodukte der Humusstoffe und an das leicht zerfallende Ammoniumnitrit denken, während bei der Fäulnis die tiefgreifenden Zersetzungserscheinungen auch wohl zum Auftreten freien Stickstoffs führen können. Der umgekehrte Vorgang, die Verwertung freien Stickstoffs zur Bildung von assimilierbaren Verbindungen, findet vielleicht in den Wurzelknollen der Leguminosen Vertretung. Hier sind Bakterien im Spiel, über ihre Thätigkeit aber ist Sicheres noch nicht bekannt. Außerdem soll eine Bindung von atmosphärischem Stickstoff auch in dem von höhern Pflanzen nicht bestandenen B. erfolgen. Bedingung ist eine gewisse san-

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dig-thonige Beschaffenheit des Bodens, welcher der Luft reichlichen Zutritt gestatten muß, nicht zu feucht, reich an Kali und arm an Stickstoff sein muß, und ein gewisser Gehalt an organischer Substanz. Dieser Prozeß muß auf Mikroorganismen zurückgeführt werden, da er sonst nirgends mit Sicherheit beobachtet worden ist. Freilich konnten bisher auch keine Organismen mit einem derartigen Bindungsvermögen nachgewiesen werden, anch ist über die Art dieser Mikroorganismen nichts Näheres bekannt, man denkt an chlorophyllfreie bakterienähnliche Formen, aber auch an Algen. Von pathogenen Bakterien sind der Vacillus des malignen Ödems, oes Nauschbrandes, des Tetanus und vielleicht auch des Typhus im B. nachgewiesen worden, aber schon vor dieser Nachweisung hat man den B. mit den Infektionskrankheiten in Zusammenhang gebracht. Man hatte beobachtet, daß die sogen. Bodenkrankheiten, zumal Milzbrand, Typhus, Cholera, nicht immer und an allen Orten epidemisch auftraten, sondern gewisse Jahreszeiten und bestimmte Orte bevorzugten oder mieden (Pettenkofers zeitliche und örtliche Disposition, Nägelis siechhafter und siechfreier B.). Nach Pettenkofer soll das mutmaßliche Krankheitsgift als solches allein nicht im stande sein, die Krankheit zu erzeugen, vielmehr muß es im B. erst eine Art Reifung durchmachen. Aus dem Krankheitskeim soll unter Mitwirkung der zeitlichen (x) und örtlichen (y) Disposition des Bodens das eigentliche Krankheitsgift entstehen. Es wurde festgestellt, daß die Typhussterblichkeit mit dem Steigen des Grundwasserspiegels fiel und mit dem Fallen desselben stieg, und man stellte sich vor, daß beim Steigen des Grundwassers das Typhusgift im B. nicht reifen und der Atemluft sich nicht beimischen könne, während beim Fallen des Grundwassers das x und y wieder in Thätigkeit treten könnten, um zusammen mit dem Typhuskeim die Krankheit zu erzeugen. Diese Theorie kam in eine eigne Lage durch die Entdeckung der pathogenen Bakterien, von denen nachgewiesen wurde, daß sie ohne weiteres, ohne Hinzutreten eines x und y, die Krankheit erzeugen. Es wurde auch erkannt, daß die pathogenen Bakterien nur schwierig in den B. gelangen, in demselben gar nicht zu leben vermögen, und daß sie, wenn sie hineingelangt sind, sich noch viel schwerer aus ihm wieder erheben können. Eine nur 2 cm dicke Sandschicht ist im stande, die in vielen Kubikmetern Luft enthaltenen Bakterienkeime zurückzuhalten, und eine auf den B. gegossene Flüssigkeit mit pathogenen Bakterien wird also in den B. einsickern, die Bakterien aber auf der Oberfläche zu lassen. Gelangt die Flüssigkeit durch Risse und Spalten in tiefere Schichten des Bodens, so verläuft derselbe Vorgang an einer tiefern Stelle, indes ohne weitere Folgen, da zwar die saprophytischen Bakterien bei niedriger Temperatur sich vermehren, die pathogenen aber einer höhern Temperatur bedürfen. Der Milzbrandbacillus gedeiht nicht unter 14° und geht schon unter 16° bei Gegenwart andrer Bakterien zu Grunde. Der Tuberkelbacillus wächst nicht unter 30°, der Cholerabacillus nicht unter 15°, und so bieten tiefere Schichten des Bodens nicht die Möglichkeit der Vermehrung dieser Bakterien. Das Steigen und Fallen des Grundwassers kann keinen Einfluß auf die Bakterien haben, denn gewöhnlich gelangen sie gar nicht in den Bereich des aufsteigenden Grundwassers, und selbst wenn das der Fall ist, so hindert die filtrierende Kraft des Bodens, daß sie durch das Grundwasser an die Oberfläche gefördert werden. Es ist aber auch weiterhin nicht einzusehen, wie die Bakterien aus dem B.