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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Fische (Tiefseefische)
Die Kenntnis der Tiefseesische datiert schon aus den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts, doch waren lange Zeit nur wenig Formen bekannt, bis die Zahl derselben durch die Expedition des Challenger, die nordatlantische Expedition, die amerikanischen und ! französischen Expeditionen bedeutend wuchs, so daß ' Günther 385 Arten aufzählen konnte. Von diesen! sind 155 Oberflächenfische, die nur zeitweilig unter ! die 100-Fadenlinie hinabsteigen, aber nicht tie-i fer als 300 Faden, oder sie gehen zwar nicht an die l Oberfläche, aber auch nicht tiefer als 300 Faden. Es bleiben also 230 Arten wahre Tieffeesische, die sich unterhalb 300 Faden finden. Die größte Tiefe, aus welcher F. heraufgebracht sind, ist 2900 Faden. Nach unten zu nimmt, soweit sich dies nach den bisherigen Formen beurteilen läßt, der Formenreichtum ab. Es finden sich zwischen 100 und 300 Faden 232 Arten, zwischen 300 und 500 Faden 142, zwischen 500 und 700 Faden 76, zwischen 700 und 1500 Faden 56, zwischen 1500 und 2000 Faden 24 und zwischen 2000 und 2900 Faden 23 Arten. Von den zwischen 100 und 300 Faden vorkommenden 232 Arten fanden sich 108 auch oberhalb der 100-Fadenlinie. Bestimmte bathymetrische Zonen lassen sich zwar nicht unterscheiden, doch können für mehrere Familien die Tiefengrenzen angegeben werden, bis zu welchen sie lnn'absteigen. 400 Faden bezeichnet die unterste Tiefe für die Familien der Meergrundeln, Schleimfische.
Harsche, Panzerwangen u. a. Mit 500 Faden verschwinden mit je einer Ausnahme drei wichtige Familien, die Haie, Rochen und Plattfische; bei 2000 Faden erreichen die Schellfische und Salme ihre tiefste Verbreitung. Viele Tiefseesische besitzen aber auch eine auffallende bathymetrische Energie, indem jolche uon 300 bis 2000 Faden Tiefe verbreitet sind. In der horizontalen Verbreitung der Tiefseefische lassen sich wie bei andern Tieffeetieren keine Provinzen nachweisen, indem sie, der Gleichförmigkeit der physikalischen Verhältnisse entsprechend, kosmopolitisch sind.
Allen wahren Tiefseesischen kommt eine Anzahl gemeinsamer Charaktere zu, die einen Tiefseefisch schon von vornherein von einem Küstenbewohner oder einem Oberflächenfisch unterscheiden lassen. Diejenigen F., welche nur zeitweilig unterhalb 100 Faden hinabgehen, unterscheiden sich nicht von den gewöhnlichen Küstenfischen; dagegen zeigen schon F., welche dauernd in verhältnismäßig geringen Tiefen, z. B. 80-120 Faden, leben, Veränderungen in ihrer Organisation, indem der Schlund schwarz gefärbt ist und die Augen größer erscheinen als diejenigen der verwandten Küsten- und Oberflächenbewohner. Die echten, unterhalb 300 Faden sich findenden Tiefscefische zeigen weitere Veränderungen und Umbildungen, ohne daß der Grad derselben jedoch der Tiefe proportional wäre.
Sehr schwach entwickelt sind die Knochen oder die Muskeln oder auch beide Systeme. Die Knochen sind faserig, gespalten und mit zahlreichen Hohlräumen durchsetzt; sie sind arm an Kalk; der primitive Knorpel ist in größter Ausdehnung vorhanden; die Hautflächeknochen bleiben oft hautartig oder sind mehr oder weniger reduziert, wie z. B. die Kiemendeckel, welche zu klein sind, die Kiemen zu bedecken. In gleicher Weise sind auch die Muskeln schwach, besonders die großen Seitenmuskeln des Körpers und Schwanzes, die einzelnen Bündel lassen sich leicht trennen, ! so daß die Muskulatur sehr leicht in Stücke zerfällt.! Doch ist dies, wie das leichte Zerbrechen der Wirbel-! säule, jedenfalls eine Folge der Aufhebung des star- ^ ken Druckes, denn in der Tiefjee unter ihren eigentlichen Lebensbedingungen genügt jedenfalls die
schwache Ausbildung der Organe, ohne daß der Fisch der Gefahr des Zerörechens ausgesetzt wäre, da sie als Fleischfresser und zum Teil gewaltige Räuber über große Gewandtheit und Körperkraft verfügen müssen. Das Aufheben des Druckes beim Herausziehen der gefangenen F. führt zur Zersprengung der innern Organe, besonders der Schwimmblase, oder zum Heraustreten des Magens, wie dies auch von den Süßwasserfischen großer Tiefen (Kropffelchen) bekannt ist. In vielen Fällen ist ein besonderer Muskel zum Zusammendrücken der Schwimmblase entwickelt. Eine Verbindung der Schwimmblase mit dem Darm ließ sich nie nachweisen, auch nicht bei den Physostomen. Die Kiemenblätter sind weniger entwickelt oder in geringerer Anzahl vorhanden, es schein t demnach der Atmungsprozeß weniger energisch als bei Oberflächenfischen zu sein.
Bemerkenswert ist, daß alle Leibeshöhlen bei den Tiefseefischen schwarz sind. Sehr ausgebildet sind bei Tiefseefifchen schleimführende Systeme, die bei vielen Familien im Kopf zur Bildung von Höhlungen führen, welche unter sich durch Kanäle kommunizieren. Alle diese Höhlungen und Kanäle enthalten große Massen Schleim, dessen physiologische Bedeutung noch nicht aufgeklärt ist, wahrscheinlich steht er in Beziehung zu den Leuch torg anen, die sich bei Tiefseefischen in einem Grad hoher Ausbildung finden, wie sie sonst von keinem der vielen leuchtenden Tiere bekannt ist; die mikroskopische Untersuchung der Leuchtorgane der Tiefseefische hat ergeben, daß sie als umgewandelte Drüsen zu betrachten sind. Die' histologische Struktur sowohl als die Anordnung der Leuchtorgane ist eine sehr mannigfaltige, und man kann zwölferlei verschiedene Arten unterscheiden.
Zunächst zerfallen sie in zwei große Gruppen, in regelmäßig oeellare phosphoreszierende Organe und regelmäßig orüsenförmige Organe. Die erstern erscheinen mit dem bloßen Auge als kleine, rundliche Organe, welche über die ganze Oberfläche des Körpers zerstreut und häufig mehr oder weniger regelmäßig segmental angeordnet sind. Ihrem Bau nach sind sie einfach kugel- oder sackförmige Gebilde, oder sie sind zusammengesetzt und in diesem Fall durch eine transversale Einschnürung in einen sack- oder kugelförmigen und einen becherförmigen Teil zerlegt.
Häufig verschmelzen die zusammengesetzten Leuchtorgane zur Bildung größerer Organe. Den einfachen kommt häusig, den zusammengesetzten stets ein Pigmentmantel zu, die zusammengesetzten besitzen außerdem noch häufig einen aus nadel- oder feinen, fadenförmigen Elementen zusammengesetzten silberglänzenden Reflektor, der als vorzüglicher Hohlspiegel wirkt, indem er das Licht in einem Bündel vereinigt.
Die unregelmäßig drüsenförmigen Leuchtorgane finden sich als große Flecke an den Seiten des Körpern, auf umgewandelten Barteln und Flossenstielen am Unterkiefer und in ganz vorzüglicher, höherer Ausbildung unterhalb des Auges. Die Bedeutung der Leuchtorgane ist nach ihrer verschiedenen Lage jedenfalls eine verschiedene. Die regelmäßigen Ocellarorgane, die oft in großer Zahl Längsreihen an den Seiten bilden, sehen größtenteils nach hinten und unten; es ist daher ziemlich sicher anzunehmen, daß diese Organe Verteidigungswaffen, Schreckorgane sind, aus welchen förmliche Breitseiten« von Lichtblitzen auf einmal abgegeben werden können. Die großen, unterhalb der Äugen stehenden Leuchtorgane dagegen dienen als Blendlaternen, die in den dunkeln Tiefen dem Fisch als Licht dienen und das vor ihm liegende Dunkel zu erhellen vermögen. Die