Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Apponyi; Apraxin; Aräopyknometer; Arbeiterschutzkonferenz

32

Apponyi - Arbeiterschutzkonferenz.

nicht die übrigen Glieder des Reaktionsverlaufes treffen, hat Wundt die Dauer der A., d. h. der Zeit, die man bedarf, um einen einfachen Eindruck in das Bewußtsein aufzunehmen, auf 0,08-0,1 Sekunde berechnet. Im allgemeinen bezeichnet Wundt jeden durch die Aufmerksamkeit geleiteten seelischen Vorgang als A., indessen ist diese erweiternde Terminologie ebensowenig zweckmäßig wie die von Steinthal-Lazarus verwendete, der zufolge jeder Verarbeitungsprozeß seelischer Momente A. heißen soll, oder die in der Herbartischen Schule übliche, nach welcher alle Bildungsvorgänge der sich entwickelnden Seele Apperzeptionsprozesse genannt werden. Bei allen diesen Wortdeutungen fällt die ursprüngliche und festzuhaltende Beziehung zur Sinneswahrnehmung fort. Die A. ist aber endlich auch nicht als eine mystische Macht hinzustellen, welche nach Belieben in einem von ihr verschiedenen Bewußtseinsinhalt walten kann; vielmehr entsteht für die künftige Psychologie die Aufgabe einer Kausalerklärung der sogen. apperzeptiven Leistungen aus den Bewußtseinsinhalten selbst und ihrem associativen Verbande.

Apponyi, Albert, Graf, ungar. Politiker, Sohn des ehemaligen ungarischen Hofkanzlers Graf Georg A., geb. 1846 zu Wien, wurde im Jesuitenkollegium erzogen, studierte dann die Rechte in Wien und Pest, machte nach 1868 längere Reisen, namentlich in Deutschland und Frankreich, und wurde 1872 in das ungarische Abgeordnetenhaus gewählt, dem er mit einer Unterbrechung von zwei Jahren seit 1877 angehört. Hier zeichnete er sich bald durch eine ungewöhnliche Rednergabe aus; er ist heute unbestritten der vorzüglichste Sprecher des ungarischen Parlaments. Anfangs gehörte er der konservativen Partei des Barons P. Seneyey an, ging nach dessen Rücktritt zur vereinigten Opposition über und ist dermalen der Führer der sogen. gemäßigten Opposition, welche insbesondere gelegentlich der Wehrgesetzdebatte (Anfang 1889) gegen das Kabinett Tisza, namentlich gegen den Träger desselben, den Ministerpräsidenten Koloman v. Tisza, einen ebenso rücksichtslosen wie erfolgreichen parlamentarischen Kampf führte. Das Gebiet der staatsrechtlichen und der volkswirtschaftlichen Fragen beherrscht Graf Albert A. mit Vorliebe; desgleichen bewegt er sich gern auf dem Felde der auswärtigen Politik. Dem neuen ungarischen Kabinett unter dem Grafen Julius Szapáry gegenüber beobachtet A. eine wohlwollende, annähernde Neutralität, die einer gänzlichen Vereinigung zuführen dürfte.

Apraxin, 2) Stephan Feodorowitsch, Graf von, russ. General. Vgl. Masslowski, Der Feldzug Apraxins in Ostpreußen 1756-57 (deutsch von Drygalski, Berl. 1889).

Aräopyknometer. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichts kleiner Mengen einer Flüssigkeit, die für die Anwendung des Aräometers nicht hinreichen, hat Eichhorn ein Instrument konstruiert, welches eine Verbindung des Aräometers mit dem Pyknometer darstellt. c (s. Figur) ist der zur Aufnahme der zu wägenden Flüssigkeit bestimmte Hohlraum, welcher mit dem Stöpsel d verschlossen wird, während ein Knöpfchen e letzterm das Gleichgewicht halt. In der kleinen Erweiterung an der untern Spitze des Instruments ist zur Beschwerung etwas Quecksilber enthalten; b ist eine leere Schwimmkugel, an welche sich die Skala a anschließt. Das Instrument kann für leichte und schwere Flüssigkeiten hergestellt werden. Beim Gebrauch füllt man die Kugel c, die nur etwa 10 ccm faßt, mit der zu wägenden Flüssigkeit, setzt den Stöpsel, ohne Bildung einer Luftblase, ein, spült das Instrument mit Wasser ab, taucht es in destilliertes Wasser von bestimmter Temperatur (15 oder 17°) und liest das spezifische Gewicht unter dem Wasserspiegel an der Skala ab. Vergleichungen der Angaben des Aräopyknometers mit denen, welche auf der Wage mit Hilfe eines Pyknometers erhalten wurden, ergaben gut übereinstimmende Zahlen. Eine besonders kleine Form des Aräopyknometers, welche nur wenige Kubikzentimeter Flüssigkeit bedarf, dient zur Untersuchung von Frauenmilch und Harn.

^[Abb.: Aräopyknometer.]

Arbeiterschutzkonferenz in Berlin. Die internationale A., welche im März 1890 in Berlin stattfand, ist für Europa vielleicht das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Sozialpolitik der neuesten Zeit. Die Notwendigkeit, durch internationale Verhandlungen der Staaten aus eine Gleichmäßigkeit in der Arbeiterschutzgesetzgebung der miteinander auf dem Weltmarkt konkurrierenden industriellen Staaten hinzuwirken, um ohne Schädigung der Industrie eine den berechtigten Interessen und Ansprüchen der industriellen Arbeiter entsprechende Schutzgesetzgebung in den Kulturstaaten durchführen zu können, wurde zuerst von dem elsässischen Fabrikanten Daniel le Grand (schon 1841) ausgesprochen und von diesem in den 50er Jahren durch eine an verschiedene europäische Regierungen versandte Denkschrift näher begründet. Als nun seit dem Ende der 60er Jahre in Deutschland gegenüber der einseitigen, individualistischen, die Politik des laisser faire und laisser aller verteidigenden Manchesterdoktrin (deutsche Freihandelsschule) eine neue Richtung in der Nationalökonomie die herrschende wurde und diese ihre sozialreformatorischen Anschauungen und Forderungen in der Arbeiterfrage entwickelte, wurde gegenüber ihren Forderungen des größern gesetzlichen Schutzes der Arbeiter, insbesondere der Kinder, jugendlichen und weiblichen Arbeiter, die gleichmäßige Durchführung desselben in den industriellen Staaten von größerer praktischer Bedeutung für die internationale Konkurrenzfähigkeit der einzelnen Staaten. Die Notwendigkeit solcher internationalen Verhandlungen wurde auch von Vertretern der Wissenschaft und dieser neuen Richtung (Schönberg, Ad. Wagner, Neumann u. a.) energisch betont, von andern Vertretern derselben (G. Cohn, Brentano u. a.) freilich ebenso entschieden bestritten.

Vorgehen der Schweiz.

Von den Staaten war es die Schweiz, welche zuerst für eine internationale Fabrikgesetzgebung eintrat und diese anzubahnen suchte, nachdem sie im J. 1877 das den industriellen Arbeitern einen sehr weitgehenden Schutz gewährende Fabrikgesetz erlassen hatte und die schweizerischen Fabrikanten durch die ausländische Konkurrenz der andern Staaten, deren Gesetzgebung die Arbeitgeber in der Beschäftigung der Arbeitskräfte weniger einschränkte, geschädigt wurden.

Infolge einer Motion des Nationalrats Frey (9. Dez. 1880), welche 30. April 1881 im schweizerischen Nationalrat zur Verhandlung kam, beschloß der Nationalrat: »Der Bundesrat wird eingeladen, mit den hauptsächlichsten Industriestaaten zu geeignetem Zeitpunkt Verhandlungen anzuknüpfen behufs Anbahnung einer internationalen Fabrikgesetzgebung.« Der Bundesrat wies sofort die diplomatischen