Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bevölkerungsgeschichte

116

Bevölkerungsgeschichte (Litteratur).

mit Beginn des 19. Jahrh. eingetretenen vierten und letzten populationistischen Epoche ein sehr verschiedenes ist. Nun steht aber die Volkszahl eines Staates im direkten Verhältnis zu seiner politischen Bedeutung im internationalen Staatenverkehr. Es ist daher von höchstem Werte, die geschichtliche Entwickelung der Beziehung der Staaten zu einander, den Wechsel der führenden Völker u. dgl. auf die einfache Thatsache der Volkszahl zurückzuführen. Um hierfür ein Beispiel zu geben, bringen wir (nach Cheysson) die Bevölkerung der Großmächte in ihrem gegenseitigen Größenverhältnis graphisch (Fig. 1, S. 115) dadurch zur Darstellung, daß für jede ihr Anteil an der Gesamtsumme in den Jahren 1700, 1789, 1815, 1882 durch ein Kreissegment versinnbildlicht wird. Der Ausblick in das Jahr 1932 möge als Hypothese gestattet sein.

^[Abb.: Fig. 2. Zunahme der Bevölkerung in einigen europäischen Staaten (die Verhältnisse im Jahre 1800 = 100 gesetzt).]

Das verschiedene Verhalten der im Gesamteffekt doch eine so enorme Zunahme ergebenden Entwickelung der europäischen Staaten hinsichtlich ihrer Volkszahl läßt sich selbst noch im 19. Jahrh. nicht lückenlos zur Anschauung bringen, da mehrfache wichtige staatliche Veränderungen und territoriale Verschiebungen das Bild trüben. Für einige wichtige Staaten mag dies aus der obigen Darstellung (gleichfalls nach Cheysson) entnommen werden (Fig. 2).

Aus den vorstehenden Übersichten sticht zunächst der stete Rückgang hervor, von welchem Frankreich gegenüber den übrigen Bevölkerungen hinsichtlich der quantitativen Anteile ergriffen ist; ferner zeigt sich, daß dessen Zunahmeverhältnisse die geringsten überhaupt sind, wenn von dem im Verfall begriffenen Irland abgesehen wird. Als Gegensatz kann Rußland und Nordamerika dienen, deren Anteil an der Bevölkerungsziffer der Großmächte rapid anschwillt, oder auch England und Preußen, welche eine ungemein starke Progression der Bevölkerung besitzen; diese Progression scheint den germanischen Staaten überhaupt eigentümlich zu sein. Selbstverständlich bedeutet aber selbst eine geringe Progression einer so gewaltigen Masse, wie dies Rußland ist, absolut genommen, weit mehr als selbst ein hohes Zuwachsprozent kleinerer Völker. Nur Nordamerikas Anteil müßte infolge des ganz exzeptionellen Verdoppelungsverhältnisses, obgleich die Bevölkerung gegenwärtig nicht außerordentlich hoch genannt werden kann, geradezu kolossal anwachsen, falls die gegenwärtigen Verhältnisse als fortbestehend angenommen werden dürfen. Faßt man die Anteile Deutschlands und Österreichs zusammen, so bilden dieselben, auch für die nächste Zukunft hinaus, ein so bedeutendes Prozent an der Gesamtvolksziffer der Großmächte, daß dieser Allianz eine tonangebende Stellung wohl nicht versagt werden kann.

Litteratur.

Die Litteratur zur B. ist noch nicht sehr umfangreich. Was zunächst die Verhältnisse des Altertums anbelangt, so sind insbesondere zu nennen: Hume, Versuch über die Volkszahl der Nationen des Altertums (1752, neue Ausgabe, Lond. 1875), der den damals beliebten Übertreibungen und Überschätzungen zuerst entgegentrat; Böckh, Staatshaushalt der Athener (3. Aufl., Berl. 1886, 2 Bde.); Clinton, Fasti Hellenici, Bd. 2 (Oxf. 1824); Zumpt, Über den Stand der Bevölkerung und Volksvermehrung im Altertum (Abhandlung der Berliner Akademie, 1840); Moreau de Jonnès, Statistique des peuples de l'antiquité (Par. 1851); Hildebrand, Über die Organisation der amtlichen Bevölkerungsstatistik im alten Rom (dessen »Jahrbücher«, Bd. 6); Beloch, Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt (Leipz. 1886); Pöhlmann, Die Übervölkerung der antiken Großstädte (das. 1884, Preisschrift). Besonders zahlreich sind dann die Arbeiten über die historische Bevölkerungsstatistik des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, und zwar einerseits methodologische Studien, wie von v. Inama-Sternegg in der »Statistischen Monatsschrift« und anderwärts, und anderseits über die Bevölkerungsverhältnisse der Städte im 14., 15. und 16. Jahrh., für welch letztere die Quellen eben besonders reich fließen, und zwar sind zu nennen: Bücher (der Begründer dieser Richtung), Die Nürnberger Volkszählung von 1449 (Tübinger Zeitschrift, Bd. 37), und »Die Bevölkerung Frankfurts im 14. und 15. Jahrhundert« (Basel 1886); Ehebergs Arbeit über Straßburg (»Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik«, Bd. 41 und 42), Paasche über Rostock (das., Bd. 39), O. Richter über Dresden und Meißen (»Neues Archiv für sächsische Geschichte«, Bd. 2, und »Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen«, Bd. 1), Schönberg über Basel (»Jahrbücher für Nat.-Ökon.«, Bd. 40), Kirchhoff über Erfurt (»Mitteilungen für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt«, Bd. 5), Hegel über Mainz (»Chroniken der deutschen Städte«, Bd. 2, Leipz. 1882), Arnold über Worms (»Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte«, Gotha 1854) etc. neben vereinzelten Angaben in den historischen Werken v. Inama-Sterneggs, Schmollers etc. Diese zerstreuten Arbeiten über städtische Verhältnisse faßte I. ^[Ignaz] Jastrow in »Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit« (Berl. 1886) übersichtlich zusammen. Wichtiges, zum Teil verarbeitetes Material über die Bevölkerungen der österreichischen Städte in frühern Jahren enthält das »Österreichische Städtebuch« von E. Mischler (Bd. 1 u. 2, Wien 1888 u. 1889). An Stelle der zahlreichen frühern statistischen Arbeiten über die Vergangenheit des französischen Volkes kann jetzt Levasseur, La population française (Par. 1889-91, 3 Bde.) benutzt werden;