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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Böhme; Böhmen

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Böhme - Böhmen.

wo die Vorlesungen von L. v. Stein und Schäffle sein Interesse für die Volkswirtschaftslehre weckten, promovierte daselbst 1874 und setzte hierauf mit Unterstützung der österreichischen Regierung seine Studien in Deutschland fort, wo er in Heidelberg, Leipzig und Jena Knies, Roscher und Hildebrand hörte. Nach seiner Rückkehr nach Wien als Konzipist im Finanzministerium beschäftigt, habilitierte er sich im Herbst 1879 an der Universität zu Wien als Privatdozent für politische Ökonomie, wurde im Frühjahr 1880 Supplent für diese Fächer an der Universität zu Innsbruck, 1881 außerordentlicher und 1884 ordentlicher Professor daselbst. 1889 wurde er als Ministerialrat ins österreichische Finanzministerium berufen. Außer einer großen Zahl von Aufsätzen in Fachzeitschriften schrieb er: »Rechte und Verhältnisse vom Standpunkt der volkswirtschaftlichen Güterlehre« (Innsbr. 1881); »Kapital und Kapitalzins« (das. 1884-89, 2 Bde.; englisch, Lond. 1890); »Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes« (in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie etc.«, neue Folge, Bd. 13, 1886).

Böhme, Adolf, Schulmann, geb. 25. Mai 1816 zu Berlin, besuchte 1833-36 das Seminar für Stadtschulen daselbst unter Diesterweg und Bormann, war seit 1835 Lehrer an der Augustaschule und dem mit ihr verbundenen Lehrerinnenseminar, bis er 1882 in den Ruhestand trat. Seine Hauptwerke sind die »Anleitung zum Unterricht im Rechnen« (Berl. 1852, 11. Aufl. 1886) und die »Lesefibel für den vereinigten Sprech-, Schreib- und Leseunterricht« (das. 1847, 70 Auflagen), mit der er dieser Methode in eigner Ausgestaltung (Vogel-Böhmesche Methode) im preußischen Schulwesen Bahn brach. B. war Mitarbeiter des »Schulblattes für die Provinz Brandenburg«, der »Rheinischen Blätter für Erziehung und Unterricht« und andrer pädagogischer Zeitschriften. In der 5. Auflage des Diesterwegschen »Wegweisers« (Essen 1875) bearbeitete er die Abteilung für den Rechenunterricht. Für das praktische Leben ist bestimmt: »Neuer Adam Riese. Allgemeiner deutscher Rechenlehrer« (9. Aufl., Berl. 1886). B. ist Vorsitzender der Diesterweg-Stiftung.

Böhmen, Geschichte. Der günstige Verlauf der Ausgleichsverhandlungen im Januar 1890 (s. Österreich, Bd. 17) rief in den Kreisen der deutsch-böhmischen Bevölkerung aufrichtige Befriedigung hervor. Auf dem am 9. Febr. 1890 zu Teplitz abgehaltenen deutsch-böhmischen Parteitag wurden die von den Parteiführern getroffenen Abmachungen einmütig sanktioniert und zugleich beschlossen, daß sich die Deutschböhmen an der Prager Landesausstellung des Jahres 1891 beteiligen werden. Auch die Alttschechen erklärten sich, wenn schon mit einer gewissen Beklommenheit, durch die Vereinbarungen für befriedigt, während sich die Jungtschechen, welche zu den Verhandlungen nicht zugezogen worden waren, zunächst nicht als Partei über den Ausgleich vernehmen ließen. Mit der Durchführung der Ausgleichsbestimmungen trat am raschesten der Justizminister Graf Schönborn hervor. Am 5. Febr. erschienen nämlich bereits zwei Verordnungen, von welchen die eine der Bildung einer Kommission beim Prager Oberlandesgericht galt, welche unter Zuziehung von je zwei Vertrauensmännern der Deutschen und Tschechen die Abgrenzung der Gerichtsbezirke vorzunehmen hat, während die andre die Bildung eines deutschen und eines tschechischen Senats beim Prager Oberlandesgericht, ferner die Verfügungen über das Erfordernis der Sprachkenntnisse nach dem praktischen Dienstbedarf für die richterlichen Beamten zum Gegenstand hatte. Während der durch die Ostertage veranlaßten Unterbrechung der Reichsratssession fand 14.-16. April eine Nachkonferenz zum deutsch-böhmischen Ausgleich statt. Es handelte sich hauptsächlich um die Abänderung der Landtagswahlordnung, betreffend den allodialen Großgrundbesitz, dessen Wählerschaft in fünf territoriale Wahlkörper zum Zwecke der Wahl von je einer Anzahl von Landtagsabgeordneten eingeteilt werden sollte. Nach dem Regierungsentwurf wären der deutschen Partei von den 54 in Betracht kommenden Landtagsmandaten nur 13 zugefallen. Da sich die deutschen Großgrundbesitzer mit dieser geringen Vertretung nicht zufrieden gaben, kam eine Einigung nicht zu stande, und wurde daher die Austragung dieser Angelegenheit dem Landtag vorbehalten. Inzwischen hatten die Jungtschechen nach ihrer anfänglichen Zurückhaltung in einem Manifest vom 20. Febr. den Ausgleich in der vorliegenden Form für nicht annehmbar erklärt. Im einzelnen erhoben sie keine prinzipiellen Bedenken gegen die Teilung des Landesschul- und des Landeskulturrats sowie gegen die Errichtung zweier Senate beim Prager Oberlandesgericht. Auch sprachen sie sich für die Wahlreform und für die Errichtung einer neuen Handelskammer im östlichen Böhmen aus, verlangten aber zunächst die Erledigung der nationalen Desiderien der Tschechen. Bei dieser Kundgebung und bei ihrer weitern Haltung gegenüber dem Ausgleich handelte es sich übrigens bei den Jungtschechen hauptsächlich darum, ein neues Agitationsmittel in die Massen zu werfen und den Alttschechen möglichst viele Reichsrats- und Landtagsmandate abzunehmen. Die von den Jungtschechen gegen den Ausgleich eingeleitete Bewegung machte denn auch in B. reißende Fortschritte und wurde durch die von der Regierung dagegen eingenommene Haltung, speziell die Taktik des Statthalters Grafen Thun, welche sich in der Konfiskation von Zeitungen, in dem Verbot und der Auflösung von Wählerversammlungen äußerte, nur noch genährt. Einen schwerwiegenden Sieg errang die jungtschechische Partei am 16. April bei der Wahl des Reichsratsabgeordneten im Jungbunzlauer Städtebezirk, welcher bisher durch den gemäßigten Alttschechenführer Mattusch vertreten war und nun den Jungtschechen zufiel. Sofort nach Schluß der Reichsratssession, 19. Mai, trat in Prag der böhmische Landtag, in welchem zum erstenmal seit dem Exodus vom 22. Dez. 1886 die Vertreter des deutschen Volkes in Böhmen wieder erschienen, zu seinen Beratungen zusammen, welche die im Januar zu Wien getroffenen Vereinbarungen verwirklichen sollten. Dem Landtag wurden vorgelegt die Gesetzentwürfe hinsichtlich der Teilung und Einrichtung des Landesschul- und des Landeskulturrats, hinsichtlich der Minoritätsschulen, der neuen Landtagskurien und der Reform der Landtagswahlordnung für den allodialen Großgrundbesitz; doch erledigte er bis zu seiner Vertagung am 3. Juni infolge der jungtschechischen Verschleppungs- und Obstruktionspolitik nur eine einzige Ausgleichsvorlage, nämlich den Gesetzentwurf, betreffend die Zweiteilung des Landesschulrats, welcher nach endlosen Debatten, wobei die Deutschen die größte Geduld und Mäßigung bewiesen, ohne wesentliche Änderung angenommen wurde. Das Gesetz wurde noch im Juni 1890 vom Kaiser sanktioniert, welcher auch bei Gelegenheit der Vorstellung der Delegierten Anlaß nahm, den Ausgleich unter seinen persönlichen Schutz zu nehmen, indem er erklärte, daß das begonnene Ausgleichswerk unter allen Verhältnissen durchgeführt werden müsse, und zugleich be-^[folgende Seite]