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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kriegsgeschichtliche Litteratur

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Kriegsgeschichtliche Litteratur (deutsch-französischer Krieg von 1870/71).

gemeinen sowie über »Ursachen und Wirkungen im Festungskriege« berichtete v. Tiedemann. Von österreichischer Seite besitzen wir »Die Verteidigung von Straßburg« durch M. Brunner, einem Genieoffizier, und »Zur Geschichte der Belagerungen von Belfort und Straßburg« von Graf Geldern, einem Artilleristen.

Auf französischer Seite haben die Kommandanten der letztgenannten Festungen Denfert-Rochereau und Uhrich das Wort genommen, die Schicksale der Bergfeste Bitsch, von welcher in deutschen Büchern wenig die Rede ist, haben Dalsème, »Le siège de Bitsch« (Par. 1874), und Pradal, »Forteresse de Bitsch« (Annecy 1875), geschildert, und Gegenstand zahlreicher Schriften ist dort die Verteidigung von Paris geworden, am eingehendsten durch ein vierbändiges Werk des Generals Ducrot, ferner durch Schriften der Generale Trochu und Vinoy, mehr belletristisch durch F. Sarcey und den Zeitungskorrespondenten Labouchère. Als kriegsgeschichtlich beachtenswert sind noch die Schriften von Viollet le Duc und von H. de Sarrepont zu nennen. Die Verbündeten vor Paris betrachtet Joguet-Tissot. Viel Licht geben über alles, was unter der Regierung der nationalen Verteidigung vorging, die Berichte der zur Untersuchung derselben niedergesetzten Kommission, welche vollständig als »Actes du gouvernement de la défense nationale« (4. Sept. 1870 bis Februar 1871, Par. 1876) im Druck erschienen sind und, wenn auch nicht alle Berichterstatter unparteiisch gewesen sein mögen, durch ihre offene Darlegung der Verhältnisse und die beigegebenen Beweisstücke einen höchst wertvollen Beitrag zur Kriegsgeschichte liefern. An der Spitze steht ein Bericht über Veranlassung und Ausbruch des Krieges, deren Kenntnis man durch die Berichte des Obersten Baron Stoffel (deutsch von K. Braun, Berl. 1872) vervollständigen möge, welche dieser als Militärbevollmächtigter zu Berlin in den Jahren 1868-70 erstattet hat. Es waren Kassandrarufe gewesen. In Einzeldarstellungen, welche ein Ganzes bilden werden, deren Reihe aber noch nicht zum Abschluß gediehen ist, behandelt A. Duquet die Hauptereignisse des Krieges. Die französischen Generale, welche sich während des Krieges in hervorragenden Stellungen befanden, haben fast sämtlich zur Feder gegriffen und dadurch vielfach Kämpfe andrer Art heraufbeschworen. Von mehreren unter ihnen ward es schon oben erwähnt. Von ihnen haben Ducrot außerdem über Sedan, wo er den angeblich Erfolg versprechenden Versuch eines Durchbruchs nach Norden nicht zur Ausführung bringen durfte, und Vinoy über seinen gelungenen Marsch von Mézières nach Paris geschrieben, welcher der Hauptstadt den Kern ihrer Verteidiger zuführte. Dem General Ducrot steht Wimpffen gegenüber, welchem jener den nach Mac Mahons Verwundung zeitweilig geführten Oberbefehl abtreten mußte, und welcher demnächst die Kapitulation abschloß. Er schrieb »Sedan« und eine »Réponse au général Ducrot«. Nach seinem Tode ergriff in einer Neuauflage von Wimpffens Rechtfertigungsschrift noch einmal E. Corra (Par. 1886) die Feder; sein Nebentitel bezeichnet als die véritables coupables Napoleon und Mac Mahon. Letzterer hat bis jetzt geschwiegen, obgleich seine Denkwürdigkeiten druckfertig sind. Eine fernere Schrift über die Schlacht Bazeilles-Sedan vom General Lebrun (neue Auflage, Par. 1884) ist wegen des vielfachen Widerspruchs zu nennen, welchen sie erfahren hat. Die größte litterarische Thätigkeit hat wohl Bazaine entfaltet, indem er einen »Rapport sommaire« (deutsch, Berl. 1872) über die Thätigkeit der Rheinarmee vom 13. Aug. bis zum 29. Okt. erstattete, »L'armée du Rhin« in einer zweiten Schrift (deutsch, das. 1872) beleuchtete und schließlich »Épisodes de la guerre de 1870« (Par. 1883, deutsch im Auszug von Premierleutnant Wewers) veröffentlichte; am wichtigsten sind trotzdem seine in der obengenannten Sammlung enthaltenen Aussagen vor der Untersuchungskommission. Wegen der Kapitulation von Metz hat auch der Kommandant der Festung, General Coffinières de Nordeck (Par. 1871), sich verantworten zu müssen geglaubt; sehr gut und sachlich ist der Hergang vom preußischen General v. Hanneken (Darmst. 1872) dargestellt. Mancherlei Licht über die politischen Verhandlungen, über das Schicksal von Metz und des dort eingeschlossenen Heeres, welche neben den militärischen Maßregeln herliefen, bringt Andlau in »Metz, campagne et négociations par un officier supérieur de l'armée du Rhin« (Par. 1871). Rechtfertigungsschriften aus der ersten Zeit des Krieges veröffentlichten ferner Frossard (Saarbrücken und Spichern), de Failly (Fehlen bei Wörth und Beaumont) und Montauban-Palikao, der Kriegsminister für 24 Tage. Wichtig ist des Obersten Fay »Journal d'un officier de l'armée du Rhin« (zuletzt 1890; deutsch, Posen 1871); wie die gleichzeitig erschienene »Histoire de la guerre de 1870« von V. D(errécagaix) strebt jenes Buch nach Wahrheit und Besserung.

Ebenso zahlreich wie in dem ersten Teile des Krieges erheben in dem zweiten die Leiter der außerhalb Paris im Felde stehenden Heere ihre Stimmen. Die wichtigste unter ihnen hat allerdings geschwiegen und ist auf immer verstummt, »Gambetta und seine Armeen« sind aber von gegnerischer Seite durch C. Freiherrn von der Goltz (Berl. 1877) in ihrem ganzen Werte gewürdigt worden. Über die Vorgänge auf allen Kriegsschauplätzen außerhalb Paris schrieb Ch. de Freycinet, welcher als Gambettas délégué à la guerre zur Verwirklichung von dessen Gedanken, guerre à outrance, dem Kampfe auf das Messer, die défense nationale ins Werk setzte, »La guerre en province« (deutsch, 3. Aufl., Gera 1876), ein Buch, welches durch »Histoire du gouvernement de la défense nationale en province«, von zwei Männern, Steenacker und de Goff, welche damals unter Freycinet gewirkt hatten (Par. 1884), ergänzt wird. Über die erste Loirearmee, die Zeit bis nach der zweiten Einnahme von Orléans durch die Deutschen begreifend, schrieb ihr Heerführer Aurelle de Paladines; die Thaten der zweiten Loirearmee, den Rest der Kämpfe an diesem Strome und die später an der Sarthe ausgefochtenen bis zu Ende des Krieges, schilderte Chanzy (deutsch von O. v. Busse, Hannov. 1873); um die Schicksale einzelner Heereskörper als Kern gruppiert sich die Darstellung der Ereignisse auf diesen Kriegsschauplätzen in Gougéard, »Deuxième armée de la Loire, division de l'armée de Bretagne«, Cathélineau, »Le corps Cathélineau«, Martin de Pallières, »Orléans«, Crouzat, »Le 20. corps à l'armée de la Loire«, Pourcet, »Les débuts du 16. corps. Le 25. corps«. Auf französischer Seite verdient ferner Beachtung »Le blocus de Paris et la première armée de la Loire« von A. G. (Par. 1889); auf deutscher nennen wir von Einzeldarstellungen v. Scherff, »Die Schlacht bei Beaune la Rolande« (Berl. 1873), Draudt, »Die Thätigkeit des Detachements Ranzau vom 20. Dezember 1870 bis zum 19. Februar 1871 an der obern Loire« (Darmst. 1874) und in dreifacher Bearbeitung durch C. Frei-^[folgende Seite]