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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kulturgeschichtliche Litteratur

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Kulturgeschichtliche Litteratur (europäische Urgeschichte).

klarzulegen; der erste Band behandelt die religiösen Institutionen, insbesondere die Opfer, und führt zu wichtigen neuen Ergebnissen; besonders hervorgehoben werden mag der Nachweis, daß die tierischen Schlachtopfer älter sind als die Menschenopfer. Speziell mit der assyrisch-babylonischen Religion beschäftigen sich die Vorlesungen von A. H. Sayce, »On the origin and growth of religion as illustrated by the religion of the ancient Babylonians« (Lond. 1887); ein Gesamtbild der Kultur dieser Länder geben das schon in vierter Auflage (Freib. 1891) erschienene illustrierte Kompendium von Fr. Kaulen, »Assyrien und Babylonien nach den neuesten Entdeckungen«, und das gleichfalls illustrierte Buch von A. H. Sayce, »Assyria, its princes, priests and people« (Lond. 1885), während G. Rawlinson, »Egypt and Babylon« (das. 1884), die Kulturgeschichte der beiden bisher besprochenen Länder zu einem Buche zusammenfaßt. In die älteste Kulturepoche Arabiens führen uns die Untersuchungen über die Reste arabischen Heidentums, welche J. ^[Julius] Wellhausen im dritten Hefte seiner »Skizzen und Vorarbeiten« (Berl. 1887) veröffentlicht hat, und diejenigen in W. Robertson Smiths schönem Buche »Kinship and marriage in early Arabia« (Cambridge 1885), welche für dies Gebiet in der That die einstige Herrschaft des Mutterrechts dargethan haben; mit den ältesten Handelsbeziehungen der Phöniker, ihrem Verkehr bis zum Norden und ihren Kolonien in Ägypten beschäftigt sich J. ^[Jens] Lieblein, »Handel und Schiffahrt auf dem Roten Meer in alten Zeiten« (Leipz. 1886); für die spätere Periode ist G. Jacob, »Der nordisch-baltische Handel der Araber im Mittelalter« (das. 1887), zu erwähnen. Die systematischen Arbeiten über die Religion des Alten Testaments hängen so eng mit der Theologie zusammen, daß sie hier am besten ausgeschlossen bleiben; nur J. ^[Johannes] Fritz, »Aus antiker Weltanschauung. Die Entwickelung des jüdischen und griechischen Volkes zum Monotheismus« (Hagen 1886), mag auch hier genannt werden. C. R. Conder, »Syrian stonelore or the monumental history of Palestine« (Lond. 1886), versucht eine Kulturgeschichte Palästinas, so wie sie sich aus den erhaltenen Denkmälern ergibt, zu entwerfen; E. Stapfer, »La Palestine au temps de Jésus-Christ« (3. Aufl., Par. 1886), schildert die sozialen und religiösen Zustände des Landes im Anfang unsrer Zeitrechnung. Endlich sind am besten hier noch zwei Gesamtgeschichten der islamitischen Architektur zu nennen: Franz-Pascha, »Die Baukunst des Islam« (Darmst. 1887), und R. Adamy, »Architektonik des mohammedanischen und romanischen Stils« (Hannov. 1887). In die älteste Vorzeit der indogermanischen Völker Asiens führt uns das Buch von F. Spiegel, »Die arische Periode und ihre Zustände« (Leipz. 1887); der Verfasser sucht hier mit den Mitteln und der Methode der Sprachvergleichung die Kulturzustände der Iranier und Indier vor ihrer Trennung zu ermitteln und zur Darstellung zu bringen; auch die »Linguistisch-historischen Forschungen zur Handelsgeschichte und Warenkunde« von O. Schrader (Jena 1886), die in einem ersten Abschnitt den Handelsverkehr zu Wasser und zu Lande, im zweiten die Geschichte der Gewebstoffe betreffen, gehen in die älteste indogermanische Periode zurück. Eine illustrierte Kulturgeschichte Indiens gibt Le Bon, »Les civilisations de l'Inde« (Par. 1887), und auch die »Geschichte des alten Indien« von S. Lefmann, welche in der Onckenschen Sammlung erschienen ist (Berl. 1890), ist in ihrem Hauptteil kulturgeschichtlichen Inhalts. Eine Reihe von Monographien zur chinesischen Kulturgeschichte vereinigt F. Hirth in seinen »Chinesischen Studien« (Münch. u. Leipz. 1890, Bd. 1). Wir erwähnen schließlich noch das allgemeinere Werk von Le Bon, »Les premières civilisations« (Par. 1889), eine gleichfalls illustrierte Kulturgeschichte der Ägypter, Assyrer, Juden, Perser, Meder und Phöniker und zwei nicht sehr umfangreiche, aber auf ausgebreiteten Studien beruhende Vorträge von R. v. Scala, »Über die wichtigsten Beziehungen des Orients zum Occident im Altertum« und »in Mittelalter und Neuzeit« (Wien 1886-87).

Europäische Urgeschichte.

In das Dunkel der prähistorischen, d. h. vor dem Beginn unsrer unmittelbaren historischen Überlieferung liegenden und deshalb zumal chronologisch nicht bestimmbaren Entwickelung der Länder und Völker Europas sucht die Forschung von verschiedenen Seiten und mit verschiedenen Mitteln Licht zu bringen. Soweit sie sich dabei der anthropologisch-naturwissenschaftlichen Methode bedient, sind ihre Ergebnisse hier nicht zu verzeichnen; nur eine der einschlagenden Arbeiten mag um ihrer großen Bedeutung willen auch hier erwähnt werden: R. Virchows im »Archiv für Anthropologie« (Bd. 16, Braunschw. 1886) veröffentlichter Gesamtbericht über die von der Deutschen anthropologischen Gesellschaft auf Virchows Anregung veranlaßten Erhebungen über Farbe der Augen, der Haut und der Haare der Schulkinder Deutschlands, Erhebungen, die dann auch in der Schweiz (Bericht von J. ^[Julius] Kollmann), Belgien und Österreich angestellt worden sind, und aus deren Resultaten sich nicht nur die heutige Verteilung des blonden und brünetten Typus in Mitteleuropa erkennen läßt, sondern auch wichtige Folgerungen für die Verhältnisse der Vorzeit sich ziehen lassen. Vom anthropologischen Standpunkt geht auch das große und wichtige Werk von Joh. Ranke, »Der Mensch« (Leipz. 1886, 2 Bde.), aus; aber nur der erste Band ist vorzugsweise naturwissenschaftlichen Inhalts; der zweite, dessen zweite Hälfte den Sondertitel: »Die Urrassen in Europa« führt, enthält eine überaus gründliche und sorgfältige Zusammenfassung der bisherigen urgeschichtlichen Forschungen und veranschaulicht in zahlreichen und zuverlässigen Abbildungen die Ergebnisse der Ausgrabungen von Waffen, Geräten und Schmuckgegenständen prähistorischen Ursprungs in Nord- und Mitteleuropa. Im übrigen ist man aufs eifrigste mit möglichst genauer Verzeichnung und Katalogisierung dieser Fundgegenstände beschäftigt; so erscheinen, herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz Sachsen, die »Vorgeschichtlichen Altertümer der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete« (Halle 1884 ff.), an denen verschiedene Gelehrte mitarbeiten, so von Alb. Voß und G. Stimming bearbeitet die »Vorgeschichtlichen Altertümer aus der Mark Brandenburg« (2. Ausg., Berl. 1890), so läßt der Historische Verein für Niedersachsen durch A. v. Oppermann einen »Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen« herausgeben (Hannov. 1887 ff.) und die Naturhistorische Gesellschaft zu Danzig mit Unterstützung des westpreußischen Provinziallandtags »Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreußen und angrenzender Gebiete« (Danz. 1887) beschreiben, so fährt das Mainzer Zentralmuseum mit seiner großartigen Publikation der »Altertümer unsrer heidnischen Vorzeit«, welche L. Lindenschmit bearbeitet, rüstig fort, so erschien im Verlag der Anthropologischen Gesellschaft in Budapest gleichzeitig in magyarischer und deutscher Ausgabe das große Werk von J. ^[József] Hampel, »Altertümer der Bronzezeit in Ungarn«