Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schmarotzerpflanzen

832

Schmarotzerpflanzen (phanerogamische: Braunschupp-S., Knollensproß-S.).

gegen reichlich vorhanden. Die Keimung der Samen von Cuscuta findet in der Erde oder auf der verwitterten Borke von Bäumen statt; der im Ruhezustand eingerollte Keimling streckt sich, wird schraubenförmig, und sein Wurzelende dringt in den Boden, während das entgegengesetzte Ende sich wie der Zeiger einer Uhr herumbewegt und eine Stütze zu erfassen sucht; sobald dies gelungen ist, umwickelt es dieselbe mit einigen Windungen und bildet Haftwarzen aus, welche dann, wenn die ergriffene Unterlage eine lebende Pflanze ist, den schon geschilderten Saugstrang aussenden. Das untere Ende der Pflanze stirbt darauf ab, und dieselbe steht dann nicht mehr mit dem Boden, sondern nur noch durch die Haustorien mit der Wirtspflanze in Verbindung; im Gewebe letzterer laufen die Saugstränge in myceliumähnliche Zellfäden aus. Der Parasitismus von Cuscuta ist demnach viel weiter vorgeschritten als bei den Rhinanthaceen und bei der Mistel, da dort die selbständige Assimilation fast ganz aufgegeben erscheint.

Dasselbe gilt von der Gruppe der Braunschuppschmarotzer, die von den lippenblütigen Orobancheen gebildet wird. Dieselben entwickeln oberhalb der Erde einen dicken, fleischigen, mit Schuppenblättern besetzten, gelblich oder braungefärbten, oft auch bläulich oder violett überlaufenen Blütensproß, der unterwärts in eine Art von Knolle übergeht; letztere sitzt der Wurzel einer Nährpflanze auf und trägt an ihrer Basis eine Anzahl kurzer Fasern, von denen sich einige ebenfalls der Nährwurzel anheften. Bei der Keimung des sehr kleinen Samens von Orobanche, die nach Koch nur bei dichter Berührung einer Nährwurzel erfolgt, entwickelt sich der völlig ungegliederte Embryo zu einem Faden, dessen unteres Ende mit warzenartigen Ausstülpungen in die Nährwurzel eindringt und dort ein keilförmiges primäres Saugorgan ausbildet, während gleichzeitig die außerhalb des Wirts verbleibende Basis des Keimlings zu einem knollenförmigen Körper etwa von Erbsengröße heranwächst, der in seinem Innern (endogen) nach oben zu Stammvegetationspunkte, nach unten Anlagen von Wurzeln erzeugt. Umgekehrt wie bei Cuscuta, bei welcher das obere Ende des Keimlings sich allein weiter entwickelt, stirbt dasselbe bei Orobanche frühzeitig ab. Der aus der Keimlingsbasis hervorgegangene Knollenkörper gewinnt durch die an ihm auftretenden Wurzelanlagen zunächst die Form eines kleinen Streitkolbens und läßt erst nach längerer Zeit (bei Phelipaea ramosa z. B. 3½ Monat nach der Aussaat) den Blütensproß hervortreten. Die meisten Orobancheen sind nur auf einer beschränkten Zahl von Nährpflanzen entwickelungsfähig, so z. B. Phelipaea ramosa auf Hanf und Tabak, Orobanche caryophyllacea auf Galiumarten, Orobanche Teucrii auf Arten von Teucrium etc. Die bisweilen ebenfalls zu den Braunschuppern gezählte Schuppenwurz (Lathraea Squamaria, s. Tafel, Fig. 2) unterscheidet sich von ihnen sowohl in systematischer als in biologischer Beziehung und wird deshalb neuerdings zu den Rhinanthaceen gestellt. Sie besitzt ein fleischiges, weiß gefärbtes, dicht mit Blattschuppen nach Art eines Fichtenzapfens besetztes, sich verzweigendes Rhizom, dessen Enden sich über die Erde erheben und anfangs hakenförmig eingekrümmte, violettrötlich überlaufene Blütenstände mit einseitswendigen Lippenblumen tragen. Die Keimpflanze von Lathraea entwickelt ein Würzelchen, das auf einer Nährwurzel (Haselnuß, Hainbuche u. a.) eine primäre Haftscheibe nebst Saugfortsatz erzeugt, während sich das Stengelende zu dem Schuppenrhizom entwickelt. Letzteres bildet Beiwurzeln, die in dickliche, fadenförmige Ästchen mit Haftscheiben und Saugfortsätzen auslaufen.

Eine vierte Reihe der S., die Knollensproßschmarotzer, zu welchen die merkwürdigen, oft an Pilze erinnernden Formen der Balanophoreen gehören, knüpft in mancher Beziehung an die Entwickelung der Orobancheen an, indem auch bei ihnen der primäre Vegetationskörper eine Art von Knollen bildet, aus welchem die blütentragenden Sprosse hervorwachsen; jedoch ist die Gruppe von den Braunschuppengewächsen durch zahlreiche systematische und biologische Merkmale verschieden. In Europa wird sie nur durch den Malteserschwamm (Cynomorium coccineum, s. Tafel, Fig. 6) vertreten, während die übrigen 36 bekannten Arten vorzugsweise die tropischen Urwälder Südasiens und Südamerikas bewohnen und dort auf

^[Abb.: Fig. 3. Cuscuta europaea, auf dem Stengel des Hopfens schmarotzend: a in natürlicher Größe. - b Durchschnitt des Nährstengels und des Haftorgans, vergrößert.]