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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tennyson; Terrakotta; Tessin

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Tennyson - Tessin.

ist ein besonderes Gebäude (tennis court, jeu de paume, Ballhaus), etwa 29 m lang, 10 m breit, mit einer Umfassungsmauer von mindestens 7 m Höhe, auf der die das Dach tragenden Pfeiler ruhen. Im Innern des Gebäudes, dessen Fußboden, fein gepflastert oder zementiert, mit einem Liniennetz gezeichnet ist, laufen, der einen Längsmauer und den beiden Quermauern angebaut, niedere, schmale, schräg abgedachte Wandelgänge mit verschiedenartigen Öffnungen (ouverts du premier, de la porte, du second, du dernier; grille; dedans). Durch den Zusatz des Wandelganges mit dem dedans und den an der glatten Längsmauer befindlichen Vorsprung (tambour) unterscheiden sich die neuern Ballhäuser von den früher (in Deutschland fast ausschließlich) gebräuchlichen jeux carrés. Quer über die Mitte (parallel den Quermauern) ist ein Netz gespannt, an den Endpunkten je 1,5 m, in der Mitte 90 cm hoch, welches den Spielraum in zwei Hälften teilt, welche von je einer Partei zu ein oder zwei Spielern verteidigt werden. Ursprünglich wurde der Ball im Fluge oder nach dem ersten Aufprall vom Boden mit der Handfläche (palma: paume) geschlagen, daneben kam aber früh schon der Gebrauch des Ballschlägers (raquette, racket) auf und verdrängte das Handballspiel. Sobald der Ball unter bestimmten Formalitäten aufgeschenkt ist, treibt ihn jede Partei der andern so zu, daß er stets über das Netz fliegt, dagegen weder den Plafond noch die Mauern oberhalb der Spiellinie berührt. Es kommt also darauf an, den Ball fortwährend im Gange zu erhalten; jeder Fehler kommt dem Gegner zu gute. Im übrigen vergleiche man das Werk von Julian Marshall, »Annals of T.« (Lond. 1878).

Das moderne T., wie es heute noch in Frankreich und besonders in England (30 Ballhäuser) in Blüte steht, ist das Produkt einer Jahrhunderte dauernden Entwickelung. Sein Mutterland ist Italien, wo wir in einem nach klassischem Vorbild entstandenen Handballspiel das Prototyp von T. zu suchen haben. Aber erst im Mittelalter bildete sich in Frankreich das spezifische jeu de la courte paume aus. Mitte des 14. Jahrh. hatte ganz Paris seine Ballhäuser, deren Zahl im J. 1657 auf 114 steigt. Sämtliche französischen Könige (besonders Heinrich IV.), hoch und niedrig huldigten dem Spiel, dessen größte Blütezeit bis zu Ludwig XIV. währt. Am bekanntesten ist wohl das Ballhaus von Versailles, in welchem 20. Juni 1789 die Nationalversammlung tagte. Von Frankreich aus verbreitete sich das Spiel, von den Franzosen le roi des jeux et le jeu des rois betitelt, besonders nach Italien (im 16. Jahrh.), nach England unter dem Namen T. (vor 1369), um das 16. Jahrh. an die deutschen Hose und in die größern deutschen Städte, starb aber im Laufe des 18. Jahrh., ausgenommen in Wien, allmählich bei uns aus. Wenige Platz- und Straßennamen erinnern noch an diese kulturhistorisch hochinteressante Erscheinung.

Das Lawn Tennis (Wiesenballspiel) entnimmt dem Mutterspiel T. das Prinzip, verlegt aber den Spielplatz ins Freie und modifiziert die Spielregeln derart, daß eine gesonderte Darstellung nötig ist (s. Bd. 10, S. 583). In den Jahren 1877 u. 1878 in seinen Grundzügen zu Wimbledon (England) festgelegt, wurde es bis 1888 vom Marylebone Cricket Club und dem All England Lawn T. Club, sodann von der Lawn T. Association, deren Bestimmungen maßgebend sind, geleitet. In Nordamerika dient die United States National Lawn T. Association seit 1883 demselben Zweck. Das Spiel ist auf der ganzen Erde verbreitet.

Tennyson, Alfred, engl. Dichter. Vgl. van Dyke, »The poetry of T., critical essays« (Lond. 1890).

Terrakotta. Man unterscheidet Bau- und Zierterrakotten. Erstere sind, was die technische Seite betrifft, nur bis zur höchstmöglichen Vollendung gearbeitete, mit Ornamenten versehene oder in kunstvollen Formen hergestellte Verblendsteine u. -Stücke, die den Hauptschmuck einer Fassade ausmachen. Man bedient sich zur Belebung der dekorativen Wirkung oft verschiedener Farben, die den Thonen entweder eigentümlich sind, oder die sie durch Zumischen färbender Metalloxyde erhalten haben. Alle Waren sind zur Erhöhung der Wetterbeständigkeit möglichst bis zur Sinterung gebrannt; bei fetten Thonen und bei großen Stücken setzt man zur Verminderung der Schwindung und des damit zusammenhängenden leichten Rissigwerdens beim Brennen auch wohl einen Teil oder die Hälfte in schon gebranntem und wieder fein gepulvertem Zustand (Schamotte) zu. Die Farben der Bauterrakotten und der hinsichtlich der technischen Anfertigung hier gleichfalls hergehörigen Mosaikplatten gehen vom hellsten Gelb bis zum Schwarz. Auch Porzellansteine aus weißem Kaolin, glasierte oder unglasierte Stücke, verwendet man. Das Brennen der Waren findet in Steingut-, Porzellan- oder Mendheimschen Gasöfen statt. Die Zierterrakotten, d. h. die bekannten Väschen und Figuren aus meist gelb oder rot brennendem Thon, sind technisch in noch verfeinerter Art hergestellt, unterscheiden sich aber sonst in ihren technischen Eigenschaften nicht von der Bauterrakotta.

Tessin (Geschichte). Noch immer bilden die politischen Zustände des Kantons T. eine unerfreuliche Ausnahme in der Schweizer Eidgenossenschaft, indem das Parteileben in demselben eine Entwickelung genommen hat, welche an die leidenschaftlichen Kämpfe der italienischen Republiken des Mittelalters erinnert. Bei den Wahlen im März 1889 konnte nur durch das rechtzeitige Einschreiten der Bundesbehörden Bürgerkrieg und Gewaltthat verhindert werden. Die Hauptursache der beständigen Aufregung, die rücksichtslose Parteiherrschaft der Klerikalen, blieb bestehen. Dank einer künstlichen Wahlkreiseinteilung fielen ihnen im Großen Rate 75 und den Liberalen, obschon diese an Zahl fast gleich stark waren, nur 37 Sitze zu, so daß sich die letztern zu der Rolle einer ohnmächtigen Minderheit verurteilt sahen. Regierung, Gerichte, Statthalterposten, Schule blieben ausschließlich in den Händen der Klerikalen. Im April 1890 schien die Entdeckung, daß der dem herrschenden System angehörige Staatskassierer Scazziga, ein notorischer Börsenspieler, dank der nachlässigen Kontrolle seiner Vorgesetzten, den Staat um mehr als eine Million hatte betrügen können, einen Umschwung herbeizuführen. Im Volke gab sich große Aufregung kund, die Regierung, die von der liberalen Opposition mit einer Anklage bedroht wurde, dankte in corpore ab; aber ihre Mitglieder wurden vom Großen Rate teils wiedergewählt, teils durch Gesinnungsgenossen ersetzt, so daß der ganze Sturm im Sande verlief. Hierauf versuchten die Liberalen ihr Glück mit einer partiellen Revision der Kantonalverfassung, durch welche für den Staatsrat und die untern Richter die Wahl durch das Volk eingeführt und die frühern Wahlkreise wiederhergestellt werden sollten. Trotz der heftigsten Opposition der herrschenden Partei bedeckte sich das Revisionsbegehren mit mehr als 10,000 Unterschriften, und 9. Aug. wurde dasselbe vom Revisionskomitee der Regierung eingereicht. Nach dem klaren Wortlaut der Ver-^[folgende Seite]