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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wasserleitung

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Wasserleitung (Reinigung der Wasserleitungsrohre).

geben, welches ebenso schnell wie vollständig wirkt. Man bewirkt nach demselben eine kräftige Durchlüftung des in einen feinen Regen von bestimmter geringer Fallhöhe aufgelösten Wassers, wodurch eine augenblickliche Oxydation des gelösten Eisenoxyduls zu unlöslichem Eisenoxyd herbeigeführt wird, und trennt letzteres von dem W. durch eine unmittelbar sich anschließende Filtration. Die eigentümliche Gestaltung der letztern Operation, bei welcher sehr grober Sand angewandt wird, bewirkt eine zehnmal schnellere Filtration als die gewöhnliche Benutzung von Sand, die bekanntlich auch bei sorgsamster Ausführung die Mikroorganismen nicht vollständig aus dem W. zu entfernen vermag.

Wasserleitung. Nach langjährigem Gebrauch überziehen sich gußeiserne Wasserleitungsrohre infolge der Einwirkung der im Wasser enthaltenen Luft im Innern mit einer Oxydationskruste von solcher Stärke, daß dadurch der freie Rohrquerschnitt bedeutend (bis zu 50 Proz.) verengert und somit eine Verminderung der Leistungsfähigkeit des Wasserrohrs herbeigeführt wird. Der Überzug ist kein glatter und gleichmäßiger, vielmehr bilden sich auf der Rohrfläche beulenförmige, bei weiterer Entwickelung knollenartige Erhebungen von oxydiertem Eisen. Die Struktur dieser Knollengebilde ist eine schalenförmige, und zwar ist die äußerste Schale die festeste und härteste, während nach innen die Schichten weicher werden. Der innerste, dem metallischen Eisen zunächst liegende Raum ist meistens noch mit einer weichen, breiigen Masse erfüllt. Für die Form und Struktur dieser Knollen gibt G. Oesten folgende Erklärung: Ein auf ein Reißbrett glatt aufgezogener Bogen Papier wird bei genügender Anfeuchtung infolge der dadurch hervorgebrachten Ausdehnung kraus und zeigt eine Menge von blasenartigen Erhebungen. Die obern Schichten der Rohrwandung erleiden nun in ähnlicher Weise durch die Oxydation (Aufnahme von Sauerstoff) eine Flächenausdehnung, infolge deren sie sich, da sie nach Länge und Breite auf der metallischen Unterlage nicht mehr genügend Raum finden, ausbauchen müssen, und zwar die dem Wasser zunächst gelegene Schicht, als die am höchsten oxydierte, am meisten. Diese Schicht nimmt den Sauerstoff zunächst auf, da aber hinter ihr weniger oxydierte, also stärker oxydierbare Eisenschichten liegen, so werden diese der erstern den Sauerstoff teilweise wieder entziehen, es findet also eine allmähliche Wanderung des Sauerstoffs von der wasserbespülten Schicht nach dem Innern der Eisenwandung hin statt, und daher werden sich Lagen (Schalen) von verschiedengradig oxydiertem Eisen übereinander bilden. Hierbei gelangt die äußerste Schicht niemals zur höchsten Oxydationsstufe, weil ihr der Sauerstoff immer wieder entzogen und weitergeleitet wird. Daß eine solche Sauerstoffwanderung thatsächlich stattfindet, ist dadurch anschaulich zu machen, daß ein von abgekratzter Oxydationskruste in einer Flasche hergestellter schlammiger Niederschlag, ursprünglich durchweg schwarzgrünlich gefärbt, sich bei geöffneter Flasche, also bei Luftzutritt, an der Oberfläche rotbraun (wie Rost) färbt, also offenbar höher oxydiert, während die rote Färbung sich nach dem Verschließen der Flasche (Abschluß der Luft) allmählich wieder verliert, eine Folge der Abgabe des aufgenommenen Sauerstoffs an die darunter liegenden Schichten. Übrigens wird durch den seit 20 Jahren üblichen Asphaltüberzug die Bildung der Oxydschichten nicht verhindert, sondern nur verzögert. Die durch die Knollenansätze hervorgerufene Querschnittsverminderung ist um so erheblicher, je mehr Wasser an der Rohrwand vorbeigeflossen ist; denn um so größer ist die Menge des zugeführten Luftsauerstoffs. Rohrstücken mit geringem Wasserumlauf, z. B. sogen. tote Enden, sind stets weniger davon betroffen als Röhren mit lebhaftem Wasserdurchfluß. Unter gleichen Umständen schreitet die Oxydbildung bei engern Rohren in gleichem Maße fort wie bei weitern Rohren, allein bei derselben durchschnittlichen Höhe der Rostschicht in beiden ist das Verhältnis der Verengerung in dem kleinen Rohre ein viel ungünstigeres als in dem weiten. Bei einer durchschnittlichen Höhe der Rostschicht von 1 cm, wie sie sich in den ältesten Teilen des Berliner Rohrnetzes vorfindet, ist die hervorgerufene Verminderung des Querschnitts bei 750 mm Durchmesser = 5,3 Proz., bei 500 mm Durchmesser = 7,9 Proz., bei 300 mm Durchmesser = 12,9 Proz., bei 100 mm Durchmesser = 36,0 Proz., bei 75 mm Durchmesser = 46,0 Proz. des ursprünglichen Querschnitts. Der Übelstand der verminderten Leistungsfähigkeit ist daher bei den engen Rohren am größten, das Bedürfnis der Reinigung am dringendsten.

In Berlin hat sich ein Reinigungsverfahren herausgebildet, nach welchem die Oxydationsbeulen durch geeignete, an Ketten mittels Winden hindurchgezogene Werkzeuge zerdrückt, zerrissen und abgekratzt und dann in Form von Stücken u. Schlamm mit Wasser hinausgespült werden. Die Werkzeuge müssen freie Zwischenräume besitzen, um während ihrer Arbeit dem Spülwasser und Schlamme freien Durchgang zu bieten, sie dürfen nicht so gestaltet sein, daß sie in Erweiterungen und Vorsprüngen, wie sie in einem alten Rohrnetz zahlreich vorkommen, einfallen und sitzen bleiben; sie dürfen keine zu große Länge haben und müssen beweglich eingehängt sein, um Krümmungen passieren zu können, dabei müssen sie auch genügend kräftig und widerstandsfähig sein. Als geeignete Formen haben sich bewährt die Räumer aus Stahl (Fig. 1 und 2) und Bürsten aus Stahldraht (Fig. 3). Um die Arbeitsketten, in welche die Werkzeuge eingehängt werden, in die zu reinigende Rohrstrecke hineinzubringen, muß man zunächst eine Schnur, mittels dieser ein Tau und dann mit diesem die Kette durch das Rohr ziehen. Die Schwierigkeit liegt nur darin, die erste Schnur durch eine längere Rohrstrecke hindurchzubringen. Statt der früher benutzten hölzernen Kugeln

^[Abb.: Fig. 1. Räumer.]

^[Abb.: Fig. 2. Räumer.]

^[Abb.: Fig. 3. Stahldrahtbürsten.]