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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Ausstellungen (1891)

wohl am reichhaltigsten ausgestellt; drei verschiedene Zentralstationenbetriebe: Gleichstrom, Wechselstrom und Wechselstrom-Gleichstrom, ferner eine Energieübertragung von 20,000 Volt Wechselstrom von der Hauptausstellung nach dem Main. Helios zeigte eine Wechselslromzentrale in Betrieb zugleich für Licht u. Kraft. Schuckert u. Komp. führten ein Dreileitersystem in Verbindung mit Akkumulatoren vor, dessen Erzeugerstation eine 300 pferdige Dampfdynamomaschine bildete. Außer diesen drei Hauptausstellern seien noch Lahmeyer u. Komp. mit einem Gleichstromtransformatorensystem, die Maschinenfabrik Eßlingen mit einem Fünfleitersystem angeführt. Im allgemeinen ließ die Hauptmaschinenhälle das Bestreben erkennen, die elektrischen Maschinen den Eigenschaften der Betriebsmaschinen mehr und mehr anzupassen; vorwiegend sah man daher die elektrischen Maschinen mit den Dampf- und Gaskraftmaschinen direkt gekuppelt. Die Befähigung des elektrischen Stromes zu Kraftübertragung veranschaulichten einesteils die große Anzahl Werkstätten, welche die Überlegenheit des Elektromotors als Betriebsmaschine für das Kleingewerbe deutlich erkennen ließen, und zwar fanden sich hier außer einer großen Zahl von Gleichstrommotoren eine Anzahl Wechselstrommotoren von Ganz u. Komp., gleichsam als ob sie die Anerkennung als gleichberechtigte Motoren erzwingen müßten (in der That für diese Betriebe nicht ganz ohne Erfolg). Andernteils waren auch größere Kraftübertragungen vorhanden, so zwei Bahnen, eine von Schuckert und zwei von Siemens u. Halske, dann für den Betrieb der Pumpwerke am Main und zur Erzeugung des von Schuckert feenhaft erleuchteten Wasserfalls am See. Bei diesen Übertragungen ist Gleichstrom und Mehrphasenstrom (Schuckert) verwendet. Unter den Gegenständen, welche die Leitung und Verteilung des elektrischen Stromes zu besorgen haben und welche von einem großartigen Fortschreiten zeugten, waren namentlich die Kabel für hohe Spannungen interessant, so z. B. jenes von Siemens Brothers and Co., London, welches mit 50,000 Volt geprüft ist und mit 20,000 Volt stetig betrieben wird.

Die einzelnen Apparate für Hausinstallationen in mannigfachster Ausführung enthielt die Installationsmusterhalle. Die Halle für Eisenbahn- und Signalwesen führte dem Publikum die vielfachen Einrichtungen vor, welche für die Sicherheit des Verkehrs auf der Strecke sowie in Bahnhöfen bürgen. Im Anschluß daran fanden sich noch Gegenstände, die sich auf den elektrischen Bahnbetrieb und auf Zugbeleuchtung beziehen, sowie fahrbare Beleuchtungswagen etc. In der Abteilung für Telephonie und Telegraphie brachte die Fernsprechkunst namentlich durch Musikübertragungen von weiter Ferne (München, Wiesbaden) den Beweis ihrer hohen Blüte, während der Siemens u. Halskesche Börsendrucker, der von einer Zentralstelle aus Nachrichten nach beliebig vielen Orten gleichzeitig übertragen läßt, für den heutigen Stand der Telegraphie ein beredtes Zeugnis ablegt. In dieser Abteilung gab die deutsche Reichspost ein prächtiges Bild der gesamten historischen Entwickelung der Telegraphie. In einem besondern Gebäude war die elektrische Bühnenbeleuchtung in allen vorkommenden Effekten vorgeführt. Ein künstlich angelegtes Bergwerk mit Grubenbahn, Gesteinsbohrmaschmen, Pumpen, Ventilatoren etc., alles elektrisch betrieben, ließ die Vorzüge dieser Antriebsart deutlich erkennen. Selbstverständlich fehlten auch die wissenschaftlichen und medizinischen Errungenschaften nicht, sie füllten außer einem besondern Pavillon von Hartmann u. Braun eine ganze Abteilung. Selbst für die elektrische Schiffahrt war gesorgt. Es fuhren zwei elektrische Boote (s. d.) auf dem Main, und in der eben dort befindlichen Sonderausstellung sah man sämtliche für die Kriegs- wie Handelsmarine in Anwendung befindlichen Gegenstände und Apparate, die bezüglich der Einrichtungen großer Auswandererschiffe noch als ein Ganzes in dem eigens erbauten Panorama zur direkten Anschauung gelangten. Elektrische Scheinwerfer, und zwar in Dimensionen wie nie zuvor (Schuckert), übergossen die entferntesten Punkte mit einem Meer von Licht. Den Glanzpunkt der gesamten Ausstellung aber bildete das Zustandekommen der großartigen Lauffener Kraftübertragung (s. Elektrische Kraftübertragung).

Interessant war auch die von der Aktiengesellschaft für Aluminiumerzeugung in Neuhausen am Rheinfall ausgestellte reiche Sammlung von Gegenständen aus Alummium, welches auf elektrolytischem Wege, und zwar zum Preise von 5 Mk für das Kilogramm, erzeugt wird. Unter diesen Gegenständen ragte ein kleines, durch eine Naphthamaschine getriebenes Aluminiumboot hervor, welches sich durch seine ungemeine Leichtigkeit auszeichnet.

Über die deutsche Ausstellung in London, welche von zahlreichen Industriellen Deutschlands beschickt war, lauten die Urteile verschieden. Es scheint, als könne sich Deutschland im allgemeinen dieser Ausstellung nicht rühmen. Das Beiwerk hat vielfach geradezu Entrüstung hervorgerufen. Einen stark politischen Beigeschmack besaß die böhmische Landesausstellung in Prag, welche die gewerblichen Erzeugnisse der tschechischen Bewohner des Landes veranschaulichte. Ebenso war die französische Ausstellung in Moskau wesentlich auf politische Verhältnisse berechnet. Im Winter 1890/91 wurde in Glasgow eine Gewerbeausstellung veranstaltet, welche vornehmlich Einrichtungen für das Wohl des Arbeiterstandes aufwies, nebenbei aber auch allerlei neue Maschinen und Geräte. In London fand eine großartige Ausstellung für Seewesen statt. Dieselbe veranschaulichte unter anderm die Entwickelung des Schiffbaues und des Rettungswesens zur See. Sie wies auch eine Sammlung der Geschütze, Panzerplatten und Drehtürme der Firma Armstrong und eine Nachbildung in natürlicher Größe des berühmten Linienschiffs Victory auf, auf welchem Nelson seinen Tod fand. Viel Beifall fanden auch die Nachbildung des Leuchtturms von Eddystone sowie dle Sammlung von Gegenständen der Schiffsausrüstung. Die Admiralität allein hatte 298 Modelle älterer und neuerer Schiffe ausgestellt. Eine große Rolle spielten auch die elektrischen Boote, die in mehreren Exemplaren vertreten waren. In London fand ferner die 14. sogen. Stanley-Ausstellung von Fahrrädern statt, die sich eines sehr zahlreichen Besuchs erfreute. Die größte Anziehungskraft übte die Sammlung, welche die technische Entwickelung des Fahrrades von den ersten Zeiten bis zur Gegenwart veranschaulichte. Sonst ergab sich aus der Ausstellung das Überwiegen des Sicherheits-Zweirades mit dem Hinterrad als Triebrad.

Die Brieftaubenausstellung in Berlin wies 1296 Tauben auf. Die erste Klasse bildeten die Tiere, welche 600-860 Km in Einem Fluge zurücklegen. Sehr zahlreich besucht war die landwirtschaftliche Ausstellung in Bremen. Die ausgestellten Tiere gehörten zum größten Teil Nord-^[folgende Seite]