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Deutschland (Bevölkerung)
Robert Hamerling hat sein langjähriger, intimster Freund, P. K. Rosegger, ein wertvolles Buch Persönlicher Erinnerungen« veröffentlicht, wozu auch die von Albert Möser gedruckten Briefe Hamerlingsan Möser gesellt werden dürfen. Von den wenigen eigentlich biographischen Werken, die erschienen sind, heben wir Hayms Biographie Max Dunckers als ganzes Kunstwerk hervor; sie hat mit ihrer Beleuchtung des deutschen Kronprinzen und nachmaligen Kaisers Friedrich viel Aufsehen gemacht. Desgleichen Ludwig Anzengrubers Leben von Anton Bettelheim, gleichfalls das Werk eines Freundes und Fachmannes; eine kleine Selbstbiographie, ergänzt durch einen alten Aufsatz von Karl Müllenhoff, schrieb Klaus Groth, und Lebenserinnerungen im eigentlichen Sinn erschienen von Felix Dahn, Wilhelm Lübke, Thekla v. Gumpert. Von den neuen Briefwechseln, die erschienen, sind es folgende, denen eine dauernde Bedeutung für unsre Litteratur zukommt: der Briefwechsel Friedrich Hebbels (Bd. 1), der eine höchst willkommene Ergänzung seiner Tagebücher ist, und die unter dem Titel »Zur eignen Lebensgeschichte von Alfred Dove herausgegebenen Briefe Leopold v. Rankes, die uns den unpersönlichen Geschichtschreiber herzlich nahe bringen, ebenso wie die Erinnerungen an Döllinger von Luise v. Kobell aus einem vertrauten langjährigen Umgang und nach gleichzeitigen Tagebuchnotizen. Ein kleines Meisterwerk in dieser Art veröffentlichte auch Adolf Frey in seinen »Erinnerungen an Gottfried Keller«, die uns den Menschen und Dichter vielfach neu beleuchten. Der Briefwechsel Mörike-Storm, herausgegeben von Jakob Bächtold, ist eine wichtige Ergänzung der schon vorhandenen Briefwechsel Mörikes mit H. Kurz und M. v. Schwind, beleuchtet aber mehr Storm als Mörike, denn jener hat fleißiger geschrieben. Von Sammlungen kritischer Studien und Essays seien genannt: Der dritte Band von Döllingers »Akademischen Vortragen«, aus seinem Nachlaß von Lasson herausgegeben; die »Episteln und Vorträge« von Wilhelm Jordan; die Beiträge zur Ästethik^[korrekt Ästhetik] und Geschichte der Poesie »Aus meiner Studienmappe« von Friedrich Spiel Hagen (Essays über Auerbach, Frenzel, Edgar Poe u. a.); die »Litterarischen Essays« von Ernst Gnad. Eins der merkwürdigsten kritisch-ästhetischen Werkchen ist das »Kunstbüchlein« vom Wiener Dichter Richard Kralik, das in der wahrhaft klassischen Form eines Organons die paradoxesten Forderungen aufstellt. Nicht leicht hat ein andrer Ästhetiker tiefere Einsichten in das Wesen der Poesie als Richard Kralik, er sagt viel Beherzigenswertes; aber indem er die alten Sagen als den einzigen würdigen Stoff der Poesie bezeichnet, die nicht ein Abbild ihrer Zeit geben, nicht neue Motive aufsuchen, sondern immerfort die über allem Wandel der Zeiten erhabenen Sagenstoffe behandeln sott, isoliert sich Kralik, man kann sagen, von der ganzen Litteratur, von beiden Parteien, den Idealisten und Naturalisten. Gerade als wir diese Übersicht schließen, erscheint das umfangreiche Buch von Johannes Proelß über das »Junge Deutschland«, das durch Erschließung neuer Quellen (z. B. des Archivs der Cottaschen Buchhandlung) eine Bereicherung unsrer Kenntnisse jener Zeit bildet. Das »Junge Deutschland« von Georg Brandes (6. Band seiner »Hauptströmungen«) hat in eleganter Form eine fesselnde, aber keine erschöpfende Darstellung geboten; Proelß ist viel gründlicher, wenn er auch in der Wertschätzung Gutzkows und der andern zu weit gehen dürfte.
Deutschland. Nach den endgültigen Ergebnissen der Volkszählung vom 1. Dez. 1890 betrug die Bevölkerung (mit Helgoland) 49,428,470 Seelen (24,230,832 männlich, 25,197,638 weiblich), welche sich auf die einzelnen Staaten wie folgt verteilen:
Staaten	 Bevölkerung 1890	1885	Zunahme (- Abnahme) Seelen	Proz.
Preußen ohne Helgoland	29955281	28318470	1636811	5,3
Preußen mit Helgoland	29957367			 
Bayern	5594982	5420199	174783	3,2
Sachsen	3502K 84	3182003	320681	10,1
Württemberg	 2036522	1995185	41337	2.1
Baden	 1657867	1601255	56612	3.5
Hessen	 992883	956611	36272	3,8
Mecklenburg-Schwerin	 578342	575152	3190	0.6
Sachsen-Weimar	326091	313946	12145	3.3
Mecklenburg-Strelitz	97978	98371	- 393	- 0,4
Oldenburg	354968	341525	13443	3,9
Braunschweig	403773	372452	31321	8,4
Sachsen-Meiningen	223832	214884	8948	4,2
Sachsen-Altenburg	170864	161460	9404	5.3
Sachsen-Koburg-Gotha	 206513	198829	7684	39
Anhalt	 271963	248166	23797	9,5
Schwarzburg-Sondersh.	 75510	73606	1904	2,9
Schwarzburg-Rudolst.	85863	83836	2027	24
Waldeck	 57281	56575	706	1,2
Reuß ältere Linie	62754	55904	6850	12,3
Reuß jüngere Linie	119811	110598	9213	8,3
Schaumburg-Lippe	39163	37204	1959	5,3
Lippe	128495	123212	5283	4,3
Lübeck	 76485	67658	8827	13,1
Bremen	180443	165628	14815	8,9
Hamburg	622530	518620	103910	20,0
Elsaß-Lothringen	1603506	1564355	39 151	2,5
Deutsches Reich ohne Helgol.	49426384	46855704	2570680	5,5
Deutsches Reich mit Helgol.	49428470	-	-	-
Genauere Angaben über die einzelnen Staaten s. bei den betreffenden Artikeln. Die Bevölkerung des Deutschen Reiches ist seit 1871 von 41,058,792 auf 49,428,470 Einw. gestiegen, hat sich also um 8,369,673 Köpfe oder 20,4 Proz. vermehrt. Die Zunahme war während der einzelnen Zählungsperioden keine gleichmäßige. Im Zeitraum 1885-90 betrug sie im Durchschnitt jährlich 1,07 Proz. und blieb hinter der Periode 1875-80 (1,14 Proz.) nur um ein Geringes zurück, übertraf jedoch die Zunahme in den Perioden 1871-75 (1 Proz.) und 1880-85 (0,7 Proz.). Die starke Zunahme im letztvergangenen Jahrfünft erklärt sich einmal durch die stärkere natürliche Vermehrung infolge des Überschusses der Geburten über die Sterbefälle, sodann durch die geringere Auswanderung gegenüber der vorhergehenden Periode. In den Jahren 1885-90 war die durchschnittliche jährliche Zunahme in folgenden Landesteilen stärker als in einer der frühern Zählungsperioden seit 1871: in den preußischen Provinzen Westfalen (jährlich 1,93 Proz. der mittlern Bevölkerung), Brandenburg (1,03 Proz., besonders im Regierungsbezirk Potsdam um 2,72 Proz.), Rheinland (1,62 Proz., besonders im Regierungsbezirk Köln um 1,84 Proz.) und Schleswig-Holstein (1,13 Proz.), außerdem in den Regierungsbezirken Hannover (1,71 Proz.) und Lüneburg (0,96 Proz.); ferner in Oberbayern (1,81 Proz.), den sächsischen Kreishauptmannschaften Leipzig (2,32 Proz.), Zwickau (1,91 Proz.) und Bautzen (0.78 Proz.), endlich den Bundesstaaten Hamburg (3,64 Proz.), Lübeck (2,45 Proz.), Reuß ältere Linie (2,31 Proz.), Anhalt (1,83 Proz.), Braunschweig (1,61 Proz.), Sachsen-Koburg-Gotha (0,76 Proz.) und Elsaß-Lothringen (0,49 Proz., in Lothringen 0,84, im Oberelsaß 0,39 Proz.). Eine Ab-^[folgende Seite]