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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Eisenbahnbetrieb (Panzerpuffer, Heizung der Personenwagen)

Cylinder 50-80 Atmosphären. Die Kosten eines Puffers (ausschließlich der Fundamente und Widerlager) belaufen sich auf 3600 Mark.

Von W. Schmid in München sind Vorschläge gemacht, die Folgen der Zusammenstöße von Eisenbahnzügen abzuschwächen. Er geht von der Ansicht aus, daß die Mittel zum Schutze der Menschen gegen Eisenbahnunfälle (weit ausgebildetes Signalwesen, verbesserte Weichenstellapparate und schnell wirkende Bremsen) noch unzureichend sind, weil die beste Signalvorrichtung und Weichenstellung mit dem Mangel behaftet ist, durch menschliche Bedienung in einem Augenblick unrichtig gestellt werden zu können, wo es mit der sichersten Schnellbremse nicht mehr möglich ist, den Zug zum Stehen zu bringen, um einen Unfall zu verhüten. Auch die Verstärkung der Wagen durch Einführung der eisernen Untergestelle hält er für verfehlt, weil bei einem Zusammenstoß die Untergestelle vom Anprall gar nicht getroffen werden, und zwar deshalb nicht, weil die Puffer der Eisenbahnfahrzeuge ihren Zweck verfehlen. Beobachtungen haben ergeben, daß bei einem Höhenunterschied zusammenstehender Puffer, wie er durch verschiedene Belastung der Wagen sehr leicht herbeigeführt wird, die Pufferscheiben sich schon unter der Einwirkung eines verhältnismäßig geringen Aufstoßes derart verbiegen, daß sie schiefe Ebenen bilden, welche die Puffer der höher stehenden Wagen aufsteigen und diese in die andern Wagen hineingleiten lassen, so daß sie alles darin Befindliche vernichten. Wenn dieses Verbiegen der Puffer und das darauf folgende Abgleiten vermieden werden könnte, so würde mancher Zusammenstoß ohne schlimme Folgen verlaufen. Auch Entgleisungen wären weniger gefährlich, weil dann der seitliche Schub der schief aufeinander stoßenden Puffer vermieden wäre. W. Schmid bringt nun zwei Konstruktionen in Vorschlag, eine für schon vorhandene, eine zweite für neu zu erbauende Wagen. Bei ersterer sollen in allen Personenzügen die Puffer der ersten 3-4 Wagen, die bei Zusammenstößen den größten Anprall auszuhalten haben, mit transportabeln Panzerpuffern versehen werden, welche aus Zweiteiligen zusammengeschraubten Stahlpanzern bestehen, die, über die Puffergehäuse und -Scheiben reichend, einen nach innen stehenden Ring in U-Eisenform bilden, wodurch die Pufferscheiben unbeschadet ihrer Beweglichkeit so eingeschlossen sind, daß sie bei Verbiegungen der gegenüberstehenden nicht verstärkten Puffer das Abgleiten derselben verhüten, so daß die Stöße mit Sicherheit auf die Puffer und, durch diese abgeschwächt, auf den stärksten Teil der Wagen, ihren eisernen Unterbau, übertragen werden. Bei neuen Wagen sollen die Stoßapparate der Eisenbahnfahrzeuge überhaupt derart verstärkt und mit Schutzvorrichtungen gegen das Abgleiten versehen werden, daß ein Seitenschub der Wagen gegeneinander vollkommen ausgeschlossen erscheint. Die Pufferscheiben sollen nicht mehr flach, sondern teils hohl (konkav), teils erhaben (konvex) ausgeführt werden, so daß überall eine konvexe Scheibe des einen Wagens in eine konkave des andern eingreift und die Puffer eine Art Kugelgelenk bilden. Dadurch würde zugleich das Schleudern der Wagen vermindert werden.

Von den französischen Ingenieuren Courcelles und Elu rührt ein Projekt her, die Eisenbahnwagen mit Elektrizität zu heizen. In die üblichen, im Innern der Wagen befindlichen Heizkörper sollen Gitter aus dünnen Bleistäben eingesetzt werden, welchen von einer Dynamomaschine Elektrizität zugeführt wird. In den Bleigittern setzt sich die Elektrizität in Wärme um, erhitzt diese und wird von da auf den Mantel der Heizkörper übertragen, und zwar soll die Wärmemenge genügen, um die Wagen gehörig warm zu halten. Ähnliche Projekte werden in neuerer Zeit mehrfach gemacht, sind jedoch bisher nicht zur Anwendung gekommen, weil diese Art der Heizung zu teuer wird. Um zu beurteilen, inwiefern eine elektrische Heizung der Eisenbahnwagen möglich ist, muß man zunächst die Wärmemenge kennen, die in der Zeiteinheit in das Innere eines Wagens geschafft werden muß, um die Temperatur dauernd in ausreichender Höhe zu erhalten. Der stündliche Wärmeverlust eines geheizten Personenwagens durch Ausstrahlung beträgt nun für jeden Grad Temperaturdifferenz (d. h. Differenz der innern und äußern Temperatur) 3 Wärmeeinheiten (W.-E.) pro 1 qm Wandfläche und 9 W.-E. pro 1 qm Fensterfläche. Ein mittlerer Wagen von 66 qm Wandfläche und 2,6 qm Fensterflache strahlt also stündlich 66 TTTTT 3 + 2,6 TTTTT 9 = rund 220 W.-E. aus, wenn die Temperatur im Wageninnern um 1° E. höher ist als außen. Diese Wärme muß also durch die Heizung ersetzt werden. Dazu kommt aber noch diejenige Wärme, welche bei der Ventilation des Wagens mit der verdorbenen Luft ins Freie entweicht. Für jede Person im Wagen müssen pro Stunde etwa 17 cbm Luft ausgewechselt werden, bei 1° C. Temperaturdifferenz werden also die 17 cbm hinzugeführte Luft um 1° C. zu erwärmen sein. Da nun 1 cbm Luft 4/3 kg wiegt und 1/4 W.-E. zur Erwärmung von 1 kg Luft um 1° C. erforderlich ist, so beträgt die wegen der Ventilation stündlich zuzuführende Wärmemenge für jede Person 17 TTTTT 4/3 TTTTT 1/4 = 17/3 W.-E., und in einem mit 30 Personen mittelmäßig besetzten Wagen 30 TTTTT 17/3 = 170 W.-E. Es wären somit im ganzen für jeden Grad Temperaturdifferenz 220 + 170 = 390 W.-E. zuzuführen, daher bei einer Differenz von 30°, wie sie in kältern Gegenden oft genug vorkommt, das Dreißigfache, 11,700 W.-E. Hiervon wird jedoch ein guter Teil von den Insassen selbst durch den Atmungsprozeß erzeugt, nämlich pro Person stündlich 120 W.-E., also von 30 Personen 30 TTTTT 120 = 3600 W.-E., so daß die Heizung stündlich noch 11,700 - 3600 = 8100 W.-E. liefern muß; das entspricht einer Wärmemenge von TTTTT pro Minute oder TTTTT pro Sekunde. Nun ist eine W.-G. einer mechanischen Arbeit von 424 Meterkilogramm gleichwertig, es würde somit zur Erzeugung der erforderlichen Heizwärme eine Arbeit von 2^/l - 424 - 954 Meterkilogramm in der Sekunde oder, da 75 Sekundenmeterkilogramm 1 Pferdekraft sind, TTTTT = rund 13 Pferdekräfte nötig sein. Veranschlagt man den Nutzeffekt einer Dynamomaschine und denjenigen der Heizvorrichtung zu je 80 Proz., d. h. nimmt man an, daß beider Umwandlung der Arbeit der Dampfmaschine in Elektrizität 20 Proz. verloren gehen, und ebenso bei der Umwandlung der Elektrizität in Wärme, so muß von der Dampfmaschine eine Arbeit von 13 TTTTT = rund 20 Pferdekräften geleistet werden. Ein Zug von 15 Personenwagen würde also zur Heizung durch Elektrizität eine Dampfmaschine von 15 »20-300 Pferdekräften bedürfen, wodurch ungefähr die gesamte Arbeit einer Lokomotive absorbiert werden würde. Man würde also zur Heizung ebensoviel Kraft und folglich ebensoviel Kohlen gebrauchen wie zur Bewegung des Zuges. Hieraus ist