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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Elektromotoren (Gleichstrom- und Wechselstrommotoren)

auch bei den Gleichstrommotoren nur im Prinzip gelöst. Eine fernere Ausbildung mußte ihr Hauptaugenmerk darauf richten, die Motoren ihrer Aufgabe gemäß passend einzurichten. Anders sind die Anforderungen, welche man an eine stromgebende Maschine stellt, anders jene, welche die mechanische Arbeitsleistung bezwecken. Und wenn z. B. auch eine und dieselbe Gleichstrommaschine ebensogut als Maschine wie als Motor arbeitet und es auch eine ganze Reihe von Fällen gibt, wo einfach gewöhnliche Gleichstrom-Lichtmaschinen als Motoren verwendet werden können, so gibt es doch noch manche Punkte, welche besonders bei den Motoren von höchster Bedeutung sind. Zunächst soll ein Motor möglichst wenig Bedienung und Beaufsichtigung erfordern. Diese Bedingung tritt bei elektrischen Maschinen lange nicht so in den Vordergrund, da Bedienungspersonal schon an und für sich stets vorhanden sein muß. Zu Erfüllung dieser Bedingung müssen z. B. bei Gleichstrommotoren die Bürsten am Kommutator auch ohne Verstellung bei jeder Belastung möglichst ohne Funkenbildung arbeiten, was durch ein besonders kräftiges magnetisches Feld erreicht wird. Sie müssen ferner kompakt und solide gebaut sein, wenig Platz einnehmen und gegen äußere Einwirkungen (Feuchtigkeit, Staub etc.) möglichst unempfindlich sein. Anderseits wird in vielen Fällen eine geringe Tourenzahl gefordert, da die meisten der anzutreibenden Arbeitsmaschinen bei einer solchen arbeiten. Teilweise werden, wie z. B. bei elektrischen Bahnen, sehr vielfache Forderungen, wie geringes Gewicht, hohe Leistung, geringe Rauminanspruchnahme, leichte Zugänglichkeit zu den einzelnen Teilen, geringe Tourenzahl und hohe Zugkraft beim Anfahren zugleich gefordert; andre Betriebe verlangen eine unveränderliche Geschwindigkeit trotz variabler Belastung u. a. Kurzum, der Motor muß seinen jeweiligen Zwecken angepaßt sein, und diese sind zu verschieden und vielfältig, als daß man eine nur für Lichtzwecke bestimmte Maschine allenthalben als Motor verwenden könnte.

Gleichstrommotoren sind lediglich Gleichstrommaschinen, in welche der elektrische Strom eingeleitet wird und die dann Arbeit leisten. Bei Gleichstrom läßt sich also eine und dieselbe Maschine als stromerzeugende Maschine oder als Motor verwenden. Immerhin ist das Bestreben nicht zu verkennen, einem Motor eine seiner speziellen Aufgabe angemessene Gestaltung zu geben. Es ist ein ander Ding, Licht zu geben, als mechanische Arbeit zu leisten. Letztere z. B. verlangt eine mäßige Tourenzahl der Antriebsmaschine, und so ist man denn auch bei der Konstruktion von Motoren vorwiegend daraufhin ausgegangen, langsam laufende zu erzielen. Ferner sind in vielen Fällen Motoren von l/20 bis 1 Pferdekraft am meisten gesucht, während man Lichtmaschinen von dieser geringen Stärke nie bauen wird, da sie zu klein sind, um in Anlagen Verwendung zu finden.

Wechselstrommotoren sind elektrische Maschinen, welche, mit Wechselstrom gespeist, motorische Arbeit zu leisten im stande sind. Vorausgeschickt sei, daß die Leistung motorischer Arbeit mittels gewöhnlichen Wechselstroms ein Problem ist, welches wohl nie für alle praktisch möglichen Fälle gelöst werden wird. Es sind allerdings eine Unzahl verschiedener Methoden angegeben worden, welche diesen Zweck erreichen sollen, allein bis heute gibt es nur zwei Arten von Wechselstrommotoren, welche bis zu einem gewissen Grade und bedingungsweise praktisch brauchbar sind, und zwar 1) die Wechselstrommaschine als Motor und 2) den synchronen Motor der Firma Ganz u. Komp.; allein die Wechselstrommaschine hat den fundamentalen Mangel, daß sie, mit Wechselstrom gespeist, erst dann als Motor arbeitet, wenn sie auf eine bestimmte Geschwindigkeit gebracht worden ist, und der Motor von Ganz u. Komp. hat darin eine tiefgreifende Beschränkung, daß er, wiewohl er von selbst anläuft, beim Anlaufen keine Zugkraft entwickelt, bis er eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht hat, und daß er nicht mit hoher Spannung betrieben werden kann.

Die Wechselstrommaschine als Motor zu betreiben erfordert zunächst, daß die Elekromagnete mittels gleichgerichteten Stromes erregt werden, ferner muß die Maschine auf eine solche Geschwindigkeit gebracht werden, daß die Ankerspulen des Motors gleichzeitig (synchron) wie die Ankerspulen der stromgebenden Wechselstrommaschine vor den Elektromagnetpolen vorübergehen. Schaltet man schon früher ein, so werden gegebenen Falles in einem Augenblick zwar die Ankerspulen von den Magnetpolen in der gewünschten Richtung angezogen werden; ehe sich jedoch die Ankerspulen bis zu einer solchen Stellung hinsichtlich der Magnetpole bewegt haben, daß eine Umkehrung der Stromrichtung den Ankerspulen zur Weiterbewegung notwendig wird, tritt schon bei der Erzeugermaschine der Wechsel in der Richtung des Stromes ein, und die Motorspulen, die eben noch nach einer bestimmten Richtung angezogen wurden, werden wieder abgestoßen; der Motor kommt zum Stehen. Der Wechselstrom kann also bei einer Wechselstrommaschine nur dann eine Bewegung aufrecht erhalten, wenn die Ankerspulen des Motors wie des Generators gleichzeitig vor den Magnetpolen vorbeigehen, dann allein trifft der Wechsel in der Stromrichtung den Motoranker immer gerade in jenem Moment, wo er eines Stromwechsels bedarf. Ist diese Geschwindigkeit einmal erreicht und wird in diesem Moment die Maschine eingeschaltet, so läuft sie als Motor mit der gleichen Geschwindigkeit weiter, ohne daß plötzliche Belastungen sie aus ihrem Tempo zu bringen vermöchten. Tritt jedoch eine plötzliche Überlastung ein und läßt der Motor infolgedessen nur äußerst wenig in seiner Umdrehungszahl nach, so kommt er sofort zum Stillstand. Zwei Dinge sind somit zum Betrieb von Wechselstrommaschinen als Motoren dringend notwendig: 1) Gleichstrom für die Magnete und 2) eine Maschine, welche sie zunächst auf die synchrone Geschwindigkeit bringt. Beide Erfordernisse sind z. B. bei einer Wechselstromgleichstromzentrale (s. Elektrische Zentralstationen) mit Akkumulatoren vorhanden; die Akkumulatoren geben Gleichstrom für die Magneterregung, außerdem bringen sie vermittelst der Gleichstrommaschine, die zunächst als Motor läuft, die Wechselstrommaschine auf die synchrone Geschwindigkeit.

Der Wechselstrommotor von Ganz u. Komp., Budapest, konstruiert durch die bekannten Ingenieure Zipernowskij, Déri und Blathy, wird lediglich durch Wechselstrom gespeist. Die Ankerwelle trägt einen Stromwender, auf welchem zwei Bürsten gleiten, die mit der Magnetwickelung verbunden sind. Der Anker erhält direkt Wechselstrom. Das Prinzip ist folgendes: Wird Wechselstrom eingeleitet, so erhalten Anker- und Magnetspulen in einem bestimmten Augenblick eine solche Polarität, daß etwa der Anker in einer bestimmten Richtung angezogen wird. Diese Anziehung dauert noch alt, wenn