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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Frankreich (Kreditanstalten, Staatsfinanzen, Gesetzgebung)

kommt noch die Küstenschiffahrt, welche im Einlauf und im Auslauf je 54,552 Schiffe von 5,049,929 T. umfaßte.

Eine Übersicht der auf Grund des Gesetzes vom 29. Jan. 1881 gezahlten Schiffbau- und Schiffahrtsprämien zeigt, daß bis Ende 1889 an Bauprämien 23,86, an Schiffahrtsprämien 66,61, zusammen 90,47 Mill. Fr. gewährt worden sind. Im J. 1889 betrug der Tonnengehalt der Schiffe, für welche Bauprämien geleistet wurden, 42,817 T., wovon auf hölzerne Schiffe 7287 T. und 77,000 Fr. Prämien, auf eiserne Schiffe 35,529 T. und 2,120,000 Fr., auf neue Maschinen und Kessel 850,000 Fr. entfielen. Zur Hebung der Binnenschiffahrt Frankreichs ist ein von der Regierung der Kammer vorgelegter Gesetzentwurf bestimmt, welcher die Hauptursachen der Langsamkeit des Betriebs auf den Binnenschiffahrtsstraßen und der dadurch bedingten unnütz hohen Frachtsätze durch größere Regelmäßigkeit des Verkehrs, durch Abkürzung der Liegezeit in den Häfen, bessere Ausrüstung der letztern und durch schnelle und sichere Auskunfterteilung über den Zustand der Wasserstraßen und den Frachtenmarkt beseitigen soll. Auch wird die Errichtung besonderer Schiffahrtskammern in dem erwähnten Gesetzentwurf vorgesehen.

Dem Post- und Telegraphenverkehr dienten in F. im J. 1890: 7096 Post- und 6419 staatliche Telegraphenanstalten mit einem Personal von 57,874 Köpfen. Das Staatstelegraphennetz hatte eine Entwickelung von 96,632 km Linien und 305,461 km Drähten. Außerdem bestanden 3179 Privattelegraphenstationen. Der Briefpostverkehr umfaßte 787 Mill. Stück Briefe und Korrespondenzkarten, 755 Mill. Warenproben und Drucksachen und 480 Mill. Stück Zeitungen, zusammen 2021 Mill. Stück. Der telegraphische Korrespondenzverkehr zählte 28 Mill. interne, 6,7 Mill. internationale, dann 4,3 Mill. gebührenfreie und Dienstdepeschen. Der finanzielle Betrieb beider Verkehrszweige ergab zusammen 158 Mill. Fr. Einnahmen und 144 Mill. Fr. Ausgaben.

[Kreditanstalten.] Über die Verlängerung des Privilegiums der Bank von F., dessen Wirksamkeit Ende 1897 abläuft, ist der Kammer bereits ein Gesetzentwurf vorgelegt worden. Hiernach soll das Privilegium um 23 Jahre bis Ende 1920 verlängert, dagegen die Bank zur Zahlung eines jährlichen Betrags an den Staat und zwar von 1891 bis 1897 von jährlich 1,7 Mill. Fr., von 1898 bis 1920 von jährlich 2,5 Mill. Fr., verpflichtet werden. Die von der Bank dem Staate gemachten Darlehne von 60 und 80 Mill. Fr., welche bisher mit 3, bez. 1 Proz. verzinst wurden, sollen vom 1. Jan. 1891 an zinsenfrei fortlaufen; auch kann während der Privilegiumsdauer eine Rückzahlung derselben von der Bank nicht gefordert werden. Die Bank verpflichtet sich, die staatlichen Rentenkoupons an ihren Kassen kostenfrei einzulösen, für die Emission von staatlichen Werten ihre Kassen ohne Kostenvergütung zu eröffnen und den Kassendienst auf Kontokorrent des Staatsschatzes zu führen. Die Filialen müssen innerhalb 2 Jahren nach Erlaß des Gesetzes von 94 auf 112 erhöht und neue Nebenstellen errichtet werden. Die Erträge, welche aus der Erhöhung des Zinsfußes für Eskomptierung oder Vorschüsse über 5 Proz. hervorgehen, dürfen nicht unter die Aktionäre verteilt, sondern müssen dem Gesellschaftsfonds zugewiesen werden. Endlich soll nach dem Gesetzentwurf die Maximalgrenze der Banknotenemission von 3500 auf 4000 Mill. Fr. erhöht werden.

Das Sparkassenwesen hat im J. 1890 eine günstige Entwickelung genommen. Die Zahl der Sparkassenbücher betrug Ende 1890: 5,759,856, d.h. um 535,034 mehr als im vorigen Jahr. Die Einzahlungen in der Höhe von 869,5 Mill. Fr. überstiegen diejenigen des Jahres 1889 um 104 Mill. Fr. Die Gesamtsumme der Einlagen ist von 2683,5 auf 2906 Mill. Fr. gestiegen. Nach einem Gesetzvorschlage der Regierung soll eine Reform der Sparkasseneinlagen angebahnt werden. Bisher sind nämlich die französischen Privat- sowie die Postsparkassen verpflichtet, die Einlagen dem Staate (der Caisse des dépôts et consignations) einzuliefern. Künftig aber soll den Sparkassen freigestellt werden, für das bisherige System zu optieren oder sich als sogen. freie Sparkassen zu konstituieren. Den letztern Anstalten soll gestattet werden, einen Teil der Einnahmen zu selbständigen finanziellen Operationen (Eskompte und Réeskompte, Baukredit, landwirtschaftliche Ameliorationsdarlehne) zu verwenden; doch soll die diesen Zwecken zugeführte Summe nicht das Vierfache des eignen Aktienkapitals und 1/6 des Betrags der Einlagen übersteigen. Überdies soll die Höhe des Einlagenmaximums von 2000 auf 300 Fr. restringiert, die Kündigungsfrist verlängert und der Zinsfuß im Verhältnis zur Zunahme der Einlage verringert werden.

[Staatsfinanzen.] Die Budgetvorlage der Regierung für das Jahr 1892 veranschlagt die Einnahmen auf 3,218,404,133, die Ausgaben auf 3,217,815,525 Fr., den Überschuß der Einnahmen somit auf 586,608 Fr. Eine Steuerreform wird in Bezug auf die geistigen Getränke geplant. Nach der bezüglichen Gesetzvorlage soll die Steuer für die der Gesundheit zuträglichen Getränke um 79 Mill. Fr. ermäßigt und dieser Ausfall durch Erhöhung der Spiritussteuer von 156 1/4, auf 195 Fr. für den Hektoliter gedeckt werden. Die hauptsächlichsten Reformen des Gesetzes betreffen die Aufhebung der Ausschankkontrolle für geistige Getränke, die Einführung einheitlicher Steuern und Vereinfachung des Steuer-Erhebungsverfahrens bei Wein und Obstwein, Änderung des Steuersystems für Bier, entsprechend dem Gradgehalt, Regelung der Steuerfreiheit der Eigenbrenner, endlich Erleichterung der Aufsicht beim Versand von Getränken. Die bestehenden Ausschank- und Versandabgaben sollen durch eine mäßige Verbrauchssteuer ersetzt werden.

[Gesetzgebung.] Durch ein Gesetz vom 22. März 1890 ist die Bildung von Vereinigungen mehrerer Gemeinden zur Verwaltung gemeinsamer Angelegenheiten gestattet, bez. geregelt worden. Zu erwähnen ist auch noch ein Gesetz vom 4. März 1889, welches aus dem umfassenden Gesetzentwurf über das Konkursverfahren (zum Ersatz des 3. Buches des 1838 revidierten "Code de commerce") ausgeschieden wurde und hauptsächlich die Ordnung der gerichtlichen Liquidation, eines neuen neben dem eigentlichen Konkurs eingeführten Verfahrens, bezweckt. Hierdurch sollen zu gunsten des Kaufmanns, welcher selbst seine Vermögenslage dem Gericht kundgibt, die Härten des bisherigen Rechtes gemildert und ihm nur ein kleiner Teil seiner politischen Rechte genommen werden, um so die Kaufleute zu veranlassen, ihre Lage sobald wie möglich kundzuthun. Eine vielbesprochene Angelegenheit bildeten im J. 1891 die Wetten auf den Rennplätzen, welche nach den bestehenden Gesetzen eigentlich nicht zulässig sind. Durch ein zu diesem Zweck erlassenes Gesetz werden nun aber die unter der Aufsicht der Nenngesellschaften stehenden und unter ihrer Verantwortlichkeit betriebenen Totalisatoren erlaubt und von dem Ertrag