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Frankreich (Sozialpolitik, Heerwesen)
der letztern ein von der Regierung zu fixierender Betrag öffentlichen Wohlthätigkeitskassen zugewiesen. Der jährliche Geldumsatz auf den 30-35 französischen Rennplätzen dürfte 200 Mill. Fr. und die Einnahme der Renngesellschaften hieraus 20 Mill. Fr. betragen.
[Sozialpolitik.] Regierung und Kammer beschäftigen sich gegenwärtig in F. sehr viel mit der Arbeiterfrage, ohne indes bisher zu greifbaren Resultaten gelangt zu sein. So konnte über den Gesetzentwurf betreffend die Kinder- und Frauenarbeit in Fabriken keine Einigung zwischen Kammer und Senat erzielt werden. Ein der Kammer neuerdings vorgelegter Gesetzentwurf bezweckt die Alters- und Invaliditätsversicherung der Arbeiter. Hiernach soll jenen Arbeitern, welche weniger als 3000 Fr. jährlich verdienen und nicht ausdrücklich erklären, die Vorteile des Gesetzes nicht genießen zu wollen, vom 55. Lebensjahr an ein Ruhegehalt von 300-600 Fr. gesichert werden, wogegen die Arbeitgeber vom Lohn des Arbeiters von dessen 25. Lebensjahre an 5-10 Cent. täglich zurückzubehalten, die gleiche Summe aus eignem hinzuzufügen und den Betrag vierteljährlich an die staatliche Arbeiterrentenkasse oder die betreffende registrierte Privatkasse abzuführen hätten. Für ausländische Arbeiter hätten die Arbeitgeber täglich 10 Cent. zur Kasse beizutragen. Von seiten des Staates würden diese Einlagen jährlich um 2/3 erhöht werden. Auch soll eine Versicherung für den Todesfall bis zu 1000 Fr. erfolgen können, wofür der Staat 1/3 der Jahresprämie übernehmen würde. Der Ausschuß beschränkte sich vorläufig darauf, die finanzielle Tragweite dieses Gesetzentwurfs, nach welchem in Zukunft mit der fruchtbringenden Anlage eines Kapitals von 12 Milliarden Fr. gerechnet werden müßte, in Erwägung, zu ziehen. Durch ein Gesetz vom 2. Juli 1890 sind die Bestimmungen, betreffend die Arbeitsbücher, ausgenommen für jugendliche Arbeiter aufgehoben worden.
Von neuen Organisationen auf sozialpolitischein Gebiet ist der Oberste Arbeitsrat (conseil supérieur du travail), welchem die Prüfung von Gesetzvorschlägen in Bezug auf die Arbeiterfrage zugewiesen ist, und welcher die in solchen Fällen bisher vorgenommenen Spezialenqueten ersetzen soll, bereits in Thätigkeit getreten. Er tagt unter dem Vorsitze des Handelsministers und ist aus 50 auf 2 Jahre ernannten Mitgliedern (14 Parlamentsmitglieder, 36 Arbeitgeber und Arbeiter) und aus 10 ständigen Mitgliedern (vermöge ihrer öffentlichen Stellung) zusammengesetzt. Eine neue Institution ist ferner das Arbeitsamt (office du travail), dessen Zweck darin besteht, die auf die Arbeiterfrage bezüglichen Daten zu sammeln und in dem periodisch erscheinenden "Bulletin" sowie in Spezialpublikationen zu veröffentlichen. Von größern Arbeitseinstellungen sind insbesondere die Streiks der Bediensteten der Omnibusgesellschaften in Paris, Marseille und Bordeaux, der Eisenbahnarbeiter der Paris-Orleans- bahn und der Kohlenarbeiter im Pas-de-Calais hervorzuheben. Die Regierung wirkte in den ersterwähnten Fällen bei den Gesellschaften auf die Bewilligung der gerechten Forderungen der Arbeiter ein; auch sprach sich die Kammer aus diesem Anlaß für die Ausdehnung des nach dem Gesetz vom Jahr 1848 bestehenden 12stündigen Maximalarbeitstages auf die Bediensteten konzessionierter Verkehrsanstalten und für das strafgerichtliche Vorgehen gegen diejenigen Arbeitgeber aus, welche Arbeitern aus dem Grunde, weil sie Arbeitersyndikaten angehören, die Arbeit verweigern.
Nach einer Statistik der gewerblichen Arbeitseinstellungen in F. von 1852 bis 1889 ist die Zahl derselben seit 1882 bedeutend größer als früher, am größten im J. 1889 mit 321 gewesen. Über die Ursachen der Arbeitseinstellungen wird angegeben, daß in 47,4 Proz. der Fälle das Verlangen nach Lohnerhöhung, in 26,7 Proz. der Widerspruch gegen Lohnherabsetzung vorlag, während in 10,5 Proz. verschiedene Beschwerden über die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses erhoben, in 4,8 Proz. die Herabsetzung der Arbeitszeit, in 4 Proz. die Entlassung mißliebiger Vorgesetzter gefordert, in 2,8 Proz. gegen Entlassung von Vorgesetzten oder Mitarbeitern, in 1,4 Proz. gegen die Verkürzung der Arbeitszeit Einsprache erhoben wurde. Die meisten Arbeitseinstellungen, 40 Proz., betrafen die Textilindustrie, 19 den Bergbau und die Metallindustrie, 12 die Baugewerbe und Möbelfabrikation. Der Erfolg war in der überwiegenden Mehrheit der Fälle den Arbeitern ungünstig, nämlich in 58,3 Proz., während 17 Proz, durch gegenseitiges Nachgeben erledigt wurden und nur 24,7 Proz. durchaus günstig für die Arbeiter verliefen.
[Heerwesen.] Die budgetmäßige Stärke des Heeres ist diejenige, welche sich aus dem Rekrutierungs-(Wehr-)Gesetz und der durch das Finanzgesetz bewilligten Stärke für die einzelnen Heeresformationen ergibt; sie ist mit der Präsenz- oder Iststärke des Heeres infolge des dem Kriegsminister zustehenden Rechtes von Entlassungen, Beurlaubungen etc. nicht übereinstimmend. So betrug die Iststärke 1891 (abweichend von der budgetmäßigen, Bd. 18, S. 303):
27050 Offiziere
510051 Mann
733 Offiziere (Gendarmerie)
25027 Mann (Gendarmerie)
Zusammen: 562861 Mann, 137945 Pferde.
1892 soll das Heer stark sein:
27374 Offiziere
517269 Mann
733 Offiziere (Gendarmerie)
25027 Mann (Gendarmerie)
Zusammen: 570403 Mann, 138990 Pferde,
mithin 1892 mehr 324 Offiziere, 7218 Mann, 1045 Pferde.
Im J.1889 stellten sich bei der Aushebung 357,624 Mann, von denen 36,391 zu jedem Dienst untauglich ausgemustert wurden. Die Aushebung und Verteilung der Mannschaften der Jahresklasse 1889 erfolgte 1890 zum erstenmal nach den Bestimmungen des Wehrgesetzes vom 15. Juli 1889. Im November 1890 gelangten zur Einstellung 193,473 Rekruten bei der Landarmee, 11,400 bei den Marinetruppen. Bei der Aushebung 1890 beteiligten sich an der Losung 310,275 Mann, von ihnen waren 140,718 ohne weiteres dienstpflichtig, 40,915 Söhne von Witwen etc., welche nur 1 Jahr zu dienen haben, 3401 Studierende, welche nur 1 Jahr zu dienen brauchen, 32,741 bereits zum Dienst verpflichtet, 29,620 von der Einstellung befreit, 39,997 zurückgestellt, 22,792 für Hilfsdienste bestimmt, 91 ausgeschlossen. Von den 204,373 Ausgehobenen kamen zur Verteilung: 9000 für die Marineinfanterie, 2400 für die Marineartillerie, 127,648 für die Infanterie, von ihnen 47,912 zu ein einjährigem Dienst, 24,300 für die Kavallerie, davon 4200 auf 1 Jahr, 24,335 für die Artillerie, davon 3410 auf 1 Jahr, 3820 für die Genietruppen, davon 410 auf 1 Jahr, 5740 für den Train, davon 4070 auf 1 Jahr, 7130 für die Verwaltungstruppe.
Die Gesamteinstellung hat 1891: 242,734 Mann