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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Höhere Lehranstalten (Reform in Bayern)
gieren und in der Klasse durchzusprechen ist. 4) Auch aus den übrigen sprachlichen Unterrichtsgegenständen nnd aus der Mathematik sind den Schülern kleinere häusliche Aufgaben zur Einübung des Lehrstoffes und zur Anregung der eignen Thätigkeit zu geben. Dieselben hat der Lehrer zu kontrollieren, indem er auch außerhalb der Schulstunden die Hefte partienweise einer Durchsicht unterzieht. Dabei ist auf Ordnung und auf Reinlichkeit der Schrift zu achten.
5) Eine Häufung der Schulausgaben ist zu vermeiden; wo mehrere Lehrer in einer Klasse beschäftigt sind, haben sich dieselben zu diesem Behufe miteinander zu verständigen.« Man wird hierin vielleicht die anderwärts beliebten Zeitgrenzen für die häuslichen Arbeiten der Schüler der verschiedenen Schul-und Altersstufen vermissen. Allein es ist zuzugeben, daß derartige Vorschriften bei der außerordentlich verschiedenen Begabung der Schüler und bei der nie aufzuhebenden Ungleichheit des Bildungsstandes der Einzelnen auch in einer und derselben Klasse nur einen sehr beschränkten Wert haben.
Ausführlicher als in der Schulordnung von 1874 wird (^ 17) vom Turnen gehandelt. Damals hatte man sich begnügt, auszusprechen, daß der Unterricht im Turnen nach dem System von Spieß gemäß dem Leitfaden für den Turnunterricht an den Schulanstalten des Königreichs Bayern« (Münch.
1864) erteilt werde. Auch in der neuen Schulordnung wird das System Spieß ausdrücklich als eingeführt bezeichnet, daneben aber einiges Genauere über die Einrichtung und Abstufung des Turnunterrichts hervorgehoben. Danach bezweckt der Turnunterricht harmonische Ausbildung des ganzen Körpers zu gesteigerter Rüstigkeit, Gewandtheit und Ausdauer. Zugleich soll er zur Ordnungsliebe, Entschlossenheit, Geistesgegenwart erziehen, jugendliche Frische und Fröhlichkeit pflegen. Besondere Kraftübungen und Kunststücke (Gipfelübungen) sind ausgeschlossen. Den Übungen des Gehens, Laufens, SvringenZ ist die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Übungen im freien Stütz an den Stemmgeräten beginnen nicht vor der dritten, das Bockspringen nicht vor der vierten, die Beugestütz- und Beugehangübungen nicht vor der fünften Klasse, das Pferdspringen bleibt den höhern Klaffen vorbehalten. Bei geeigneten Verhältnissen können vom Vorstande der Anstalt Spielstunden mit freiwilligem Besuch unter Aufsicht eingerichtet werden.
Unter den sprachlichen Lehrfächernist das Deutsche mit offenbarer Auszeichnung behandelt und noch ausdrücklicher als bisher in den Mittelpunkt gestellt.
»Der Unterricht (H 9, 2) hat sich nicht auf die eigens für dieses Fach angesetzten, sondern auf alle Lehrstunden zu erstrecken, die insofern auch deutsche Stunden sein sollen, als die Schüler im allgemeinen und insbesondere bei dem Übersetzen aus den fremden Sprachen zur Vervollkommnung des deutschen Ausdruckes und zum sprachrichtigen Antworten anzuhalten sind.« In den drei obern Klassen bilden <H 9, 20) freie Vorträge über geeignete Themata, die teilweise zur Kontrolleder Privatlektüre dienen, einen wesentlichen Bestandteil des deutschen Unterrichts.
Die Lektüre ausgewählter Stücke des Nibelungen- und des Gudrunliedes (H 9, 16) sowie einiger Lieder Walthers von der Vogelweide ist beibehalten. Es soll damit nach der sehr'sachgemäßen Vorschrift »nicht nur ein Verständnis unsrer alten Sprache und Litteratur, sondern auch eine historische Sprachbetrachtung angebahnt werden«. Dem Unterricht im Lateinischen ist zwar auch jetzt noch das doppelte
Ziel gesetzt, den Schülern eine derartige Kenntnis der lateinischen Sprache beizubringen, daß sie einen deutschen, jedoch im Gedankenkreise der alten Schriftsteller liegenden Text zu übersetzen vermögen und dieselben anderseits mit den hauptsächlichsten Werken der klassischen Litteratur der Römer bekannt zu machen.
Jedoch sollen beide Aufgaben so im wechselseitigen Zusammenhange miteinander zu lösen sein, daß der grammatische Unterricht sich wesentlich auf das beschränkt, was für das Verständnis der Autoren in: Umfange der Gymnasiallektüre von Bedeutung ist.
Im Griechischen ist nur das allseitige Verständnis der klassischen Werke der griechischen Litteratur als Zweck ins Auge zu fassen; der grammatische Unterricht soll hier wesentlich nur in den Dienst der Hauptaufgabe treten und nur die Sicherheit der Interpretation vorbereiten. Im Französischen sollen die Schüler grammatische Sicherheit und einen hinreichenden Wortschatz gewinnen, so daß sie die Fähigkeit erlangen, französische Schriften zu verstehen und deutsche Texte mit einiger Gewandtheit ins Französische zu übersetzen. Besonderes Gewicht wird der Aussprache und der Anleitung des Schülers zum eignen Gebrauche der französischen Sprache beigelegt, wozu auch dem Lehrer dringend angeraten wird, nn Unterricht sich thunlichst der französischen Sprache zu bedienen.
Enge Grenzen sind auch im neuen Lehrplan den: natu rkundlichen Unt erricht gezogen. Die eine Stunde in den fünf untern Klassen und Jahrgängen, welche für die Naturbeschreibung ausgeworfen ist, wird es dem Lehrer nicht leicht machen, den Schülern klare und feste Anschauungen aus dein weiten Gebiete anzueignen. Eigentümlich ist auch, daß der Unterricht in der Physik'nicht in die oberste Klasse sich fortsetzt. Doch ist der zu Grunde liegende Gedanke aus dem Pensum der neunten Klasse für die Mathematik erkennbar, die hier, von einem mathematischen Repetitorium abgesehen, das danach oder daneben hergeht, ganz in mathematische Geographie übergehen soll. Nicht geringe Aufgaben werden darin dem Lehrer gestellt: »Grundbegriffe, welchefich auf die Erscheinungen am Sternenhimmel beziehen; Ortsbestimmungen der Gestirne durch verschiedene Koordinatensysteme; Gestalt und Größe der Erde, bestimmt durch Gradmessungen; Abplattung der Erde, durch Gradmessungen und Pendelbeobachtungen zu finden; Bestimmung der geographischen Länge und Breite eines Ortes durch astronomische Messung oder mit Globus und Landkarte; tägliche Bewegung ocr Erde um ihre Achse; unveränderlicher Sternta^; Sternzeit; Zählung der geographischen Längen und der Zeiten von einem bestimmten Meridian der Erde aus; einheitliche Weltzeit; jährliche Bewegung der Erde um die Sonne; das System des Kopernikus; dieKeplerschen Gesetze; das Newtonsche Gravitationsgesetz; Erklärung des scheinbaren Sonnenlaufes, der Jahreszeiten, der Zonen; Bestimmung eines wahren und eines mittlern Sonnentages; Ungleichheit der wahren Soilnentage; Sonnenuhren; mittlere Sonnenzeit; Dauer eines mittlern Sonnentages.< Hinsichtlich der Lehrmethode ist ausdrücklich verlangt, daß die mathematische Geographie nicht nur mit Benutzung eines guten Telluriums und eines großen Globus gelehrt, sondern auch durch Beobachtung des gestirnten Himmels unterstützt werden soll, was immerhin im Schulleben einige Schwierigkeit bereiten wird.
Wieweit das erreichbar und wie überhaupt die neue Einrichtung sich bewährt, muß die Erfahrung lehren. Das Urteil über die neueste bayrische Schul-