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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Krokodile (Brutpflege, Sommerschlaf)
anwalt Geiz - Christiania. Der erstere empfahl in enger Anlehnung an sein Gutachten eine Reihe einzelner Mahregeln zur Wahrung der Interessen des durch eine strafbare Handlung Verletzten (der Staatsanwalt soll von Amts wegen die Verurteilung des Thäters zn Schadenersatz beantragen; die Antragsdelikte sollen besonders bei leichten Vermögensdelikten vermehrt werden; der Schadenersatz soll Bedingung bei der bedingten Verurteilung oder Entlassung werden). Die Frage, ob der Arbeitsüberuerdienst des Sträflings (peculimn) zum Schadenersatz verwendet werden soll, verneinte Prins. Letzteres that auch Geiz, doch bekämpfte er auch die vorgeschlagenen positiven Maßregeln (insbesondere die ersten beiden) imt gewichtigen Gründen. Er erwartete alles Heil vom Opportunitätsprinzip (freiem Ermessen der Staatsanwaltschaft in Bezug auf Anklageerhebung), wobei »thätige Neue« besonders berücksichtigt werden wird. Sehr warm stimmte ihm mit besondern: Bezug auf Deutschland Seuffert - Bonn bei, der gleich den übrigen Rednern eine Erweiterung der Äntragsdelikte verwarf. Die Abstimmung ergab Annahme folgender Thesen: 1) Die Gesetzgebung soll mehr, als es bisher der Fall war, auf die Entschädigung des Verletzten Rücksicht nehmen. 2) Wenn der Schuldige in den Fällen der leichtern Vemögensdelikte den Beschädigten rechtzeitig entschädigt, so soll von Verurteilung zu Strafe Abstand genommen werden dürfen. Diese Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn der Schuldige schon früher wegen eines Vermögensdeliktes verurteilt worden ist. 3) Es ist eine Untersuchung darüber anzustellen, ob und inwieweit das Pekulium teilweise zur Entschädigung des Verletzten verwendet werden kann.
Auch die dritte Frage, betreffend die Gewohnheitsverbrecher, war für die Vereinigung keine neue. Die Berichterstatter van Hamel-Amsterdam und Häradshöfding Uppström-Stockholm brachten besonders für ihre Heimatländer Material bei, unter besonderm Hinweis auf, dessen Mangelhaftigkeit.
Die Beratung war sehr kurz; fast einstimmig wurden die beiden Sätze angenommen, von denen insbesondere der zweite einer der weitestgehenden und radikalsten ist, welche die Vereinigung bisher ausgesprochen hat: 1) Im Interesse einer bessern, für die Gesetzgebung absolut notwendigen Belehrung über den Charakter und die Gefahr der Gewohnheitsverbrecher, namentlich der sogen. Unverbesserlichen, beauftragt die Vereinigung ihren Ausschuß, sich an die verschiedenen Regierungen zu wenden, um das hohe Interesse an einer detaillierten, präzisen, uniformen und zur Vergleichung geeigneten Rezidivistenstatistik zu betonen. 2) Gegenüber den sogen, unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern ist es absolut notwendig, daß nicht im Urteil über die letztbegangene That auch das definitive Urteil über die Behandlung des Delinquenten abgegeben werden soll, sondern daß dabei der Fall einer neuen Untersuchung, betreffend die Person des Delinquenten, seine Vergangenheit, sein Betragen während einer festzu^ stellenden Probezeit 2c. einer spätern Entscheidung überlassen werden soll. Endlich wurde bei der 1891er Tagung die Herausgabe einer rechtsvergleichenden Darstellung der Strafgesetzgebung der Gegenwart (I^ißlatiou P6iiki6 ccimMi'66) in deutscher und französischer Sprache beschlossen.
Krokodile. Über die Brutpflege des Madagaskar-Krokodils bat Völtzkow der Berliner Akademie überraschende Thatsachen mitgeteilt. Die Eier werden in eine 0,a^-0,l) m tiefe Grube mit steilen, am
Grunde unterhöhlten Wänden abgelegt. Da der Boden des Nestes in der Mitte etwas erhöht ist, rollen die Eier von selbst an die unterhöhlten Stelle 1 und die zugescharrte Grube ist dann von außen nicht kenntlich. Die Eingebornen aber wissen die 5,5-9 cm langen und 4-5 oin breiten Eier dennoch zu finden, indem sie den Spuren des Krokodils, welches des Nachts auf dem Neste schläft, vom Wasser ber nachgehen. Zur Zeit, wenn die Eier zum Ausschlüpfen reif sind, scharrt das Muttertier die Grube auf, und das Rätsel, woher es erfährt, daß die Entwickelung weit genug vorgeschritten ist, um das Nest aufzuscharren, löste sich in einfachster Weise: die Jungen rufen nach Befreiung! Da Völtzkow in feinem Hause in Majunga einige mit Sand gefüllte. Krokodileier enthaltende Kisten stehen hatte, um die jungen K. gleich nach dem Ausschlüpfen beobachten und untersuchen zu können, so vernalnn er eines Tages aus einer dieser Kisten hervorgehende Töne und kam auf den Gedanken, daß sich in derselben ausgeschlüpfte und vielleicht dem Ersticken nahe Junge befinden müßten. Aber beim Ausgraben stellte sich die sehr überraschende Thatsache heraus, daß die Töne aus den unverletzten Eiern hervorkamen. Sie sind so laut, daß er sie von den freiliegenden Eiern bis zum Nebenzimmer hören konnte, aber auch von den in Nesttiefe liegenden Eiern konnte es auf Zimmerlänge vernommen werden. Dieses »Rufen« der Jungen aus dem Ei kann man jederzeit anregen, wenn man mit starken Schritten an dem Orte, an welchen: die Eier liegen, vorübergeht, oder wenn man an die Kiste, welche solche reife Eier enthält, klopft, oder das Ei in die Hand nimmt und etwas bewegt; jede Erschütterung veranlaßt die Jungen, sich zu melden.
Da nun das Muttertier auf dein Neste schläft, wird es durch seine Bewegungen den Erdboden erschüttern und die Töne vernehmen, um dann die Eier frei zu legen, aus denen die Jungen bald ausschlüpfen.
Merkwürdigerweise war diese Thatsache allen Leuten in Majunga unbekannt, und der Naturforscher wurde von den Singebornen zunächst ausgelacht, bis sie sich durch Horchen eines bessern belehrten. Die Töne werden mit geschlossenem Munde hervorgebracht, wie es scheint, unter starker Zusammenziehung des Zwerchfells, in der Entstehungsweise und im Klänge den glucksenden Tönen des Schluchzens ähnlich. Die jungen Tiere sind so groß, daß schwer zu begreifen ist, wie sie im Ei Platz hatten; aus einem 8 cm langen Ei kam ein 28 cm langes Tier. Auch die jungen, bissigen Tiere, mit denen die Alte alsbald zum Wasser wandelt, bringen noch ca. 14 Tage lang ähnliche, etwas tiefere Töne, denen der Unken gleichend, hervor, nachher werden sie stumm.
Bei dem Krokodil der Äquatorialprovinz konnten Emin Pascha und Stuhlmann ähnliche Wahrnehmungen nicht machen, obwohl sie mit Sand bedeckte Eier nach 40Tagen ausschlüpfen sahen. Die Eingebornen am Kingani und Pangami sowie in Unjoro und Wadelai essen die Eier sehr gern, auch Emin Pascha aß sie häufig und fand den Geschmack ganz gut, wenn auch etwas moschusartig. Das Eiweiß ist ungemein zähflüssig, gallertartig und stark duftend. Es gerinnt etwas leichter als das der Schildkröteneier, aber immer unvollständig, der Dotter dagegen wird hart. Den durch Alexander von Humboldt geschilderten Sommerschlaf der Alligatoren in der Orinokosteppe konnte Emin Pascha auch an den afrikanischen Krokodilen beobachten. Die von Almsinien herankommenden Nilzuflüsse Atbara und Dender, welche während der Regenzeit ungemein reißen^ und wasserreich find.