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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Russisches Reich (Heerwesen und Marine; Geschichte)
das Mittel, um außerordentliche Einnahmen zu gewinnen. Es war ein Zusammenwirken glücklicher Verhältnisse, welche durch die Energie des russischen Finanzministers unterstützt wurden. Seine Kunst scheiterte aber an außerhalb derselben liegenden Ereignissen.
Die Kurse der russischen Wertpapiere sind gefallen, die in Kreditrubel verzinslichen stärker als die Goldanleihen. Es wurden in Berlin notiert:
1. Juli 31. Dez.
30. Juni 15. Aug.
1890 1890 1891 1891
4proz. 1880er Anleihe . 96,50 96.90 98.10 96,80
4ftroz. 1890er - .. . 96,90 98.00 98.50 95.50
Qrient.Auleihcn II. Serie 73,50 76,30 73,50 67,00
III. Serie 73.40 78,75 74,40 67.20
Russische Noten. .. .. . 235.10 237,60 233,3« 212,20
193 Infanterie-Regimenter, 20 Schützen-Regimenter, 7? selbständige Bataillone,
Die Verwendung sehr bedeutender Summen für den Notstand hat die Bilanz Rußlands bedeutend beeinflußt. Es hat sich in Verbindung mit Mindereinnahmen wieder ein Defizit gebildet, welches man russischerseits durch spätere Überschüsse und Anleihen zu decken hofft. Ob sich diese Hoffnung verwirklichen wird, ist eine offene Frage.
^Heerwesen und Marine.) Das russische Heer hatte 1891 folgende Zusammensetzung:
Feldtruppen, 599,000 Mann. 78.500 Pferde:
338 Eskadrons Kavallerie.
350 Batterien.
34^/2 Bataillone Genietruppen.
Reservetruppen. 69,500 Mann. 2200 Pferde:
18 Infanterie-Regimenter, 88 selbständ. Bataillone, 33 Batterien.
Festungstruppen, 38.000 Mann, 250 Pferde:
1 Regiment und 26 selbständige Bataillone Infanterie, 5 Ausfallbatterien. 51^ Bataillone Festungsartillerie.
Ersatztruppen. 5500 Mann, 5100 Pferde: 18 Kavallerie-Ersatzkadres, 2 Batterien.
165 Lokalkommandos: 24.000 Mann;5 Trainbataillone: 2000 Mann, 500 Pferde;
Verwaltungstruppen: 43.000 Mann. 2250 Pferde.
Zusammen: 781,000 Mann, 88,800 Pferde. Ferner an Kosaken»
truppen:
Kosaken. 58,500 Mann, 45,500 Pferde: 49 Regimenter, 6 Bataillone, 20 Batterien.
Kosakenmiliz. 3500 Mann, 3000Pferde: 23 Sotnien berittene.
2 Sotnien Fußkosakenmiliz.
Insgesamt: 843.000 Mann. 137.300 Pferde.
Im I. 1890 wurden bei der Aushebung der Losung unterworfen 878,011 Mann, unter diesen47,783 Juden. Auf Befreiung vom Dienste hatten keinen Anspruch 457,254 Mann. Es wurden ausgehoben 259,268 Mann, unter diesen 14,755 Juden. Das Heeresbudget für 1892 ist auf 228,907,132 Rubel festgesetzt; für die Beschaffung des neuen Repetiergewehrs kleinen Kalibers von 7,02 inia (3 Liniengewehr), unter Bezeichnung Gewehr 21/91 durch Order uom 16. April 1891 eingeführt, sind 20 Mill. Rubel bewilligt. Um über die Zweckmäßigkeit der Wiedereinführung der Lanze bei der Kavallerie ein Urteil zu gewinnen, sind drei Lanzenarten in Versuch genommen: 2,75 in lange Lanzen mit verlängerter Spitze und Vambusschaft, 1,74 kF schwer; 2,85 ui lang mit Bambusschaft, wie erstere mit Fähnchen, 1,232kF schwer; Lanzen deutschen Modells mit Schaft aus gewalztem Stahlrohr, 3,2om lang, 1,933kF schwer.
Der kaiserliche Konvoi, welcher zum Dienst beim Kaiser bestimmt ist und zum kaiserlichen Hauptquartier gehört, besteht nach der neuen Organisation vom 8. Juni 1891 aus 4 Sotnien Kosaken und zwar aus je 2 Sotnien Leibgarde-Kuban- und Leibgarde-Terekkosaken. Der Konvoi ist stets aktiv. Ende 1890 sind
> die vier Torpedokompanien in acht Feftungs! minenkompanien in den Seefestungen Kronstadt Sweaborg, Wiborg, Dünamünde, Otschakow, Sebastopol, Kertsch, Michailowsk umgewandelt worden. Sie haben den Zweck, die Festungen durch Seeminen zu verteidigen, eine Aufgabe, die in Deutschland der Matrosenartillerie zufällt. Sie gehören zu den Genietruppen. Die bisher der Abteilung für Elektrotechnik des Ingenieurkorps unterstellte Luftschifferversuchsabteilung ist im Mai 1890 selbständig errichtet worden und besteht aus einem Luftschifferschulpark sowie seit 1891 aus emer Festungsballonabteilung, die je nach Bedürfnis vermehrt werden sollen; im Kriege will man dagegen Feldluftschifferabteilungen bilden.
Die Verstärkung der Marine befindet sich seit Jahren in energischer Ausführung, wobei die Schaffung einer starken Flotte im Schwarzen Meere mit diä Hauptsache ist. Der Organisation der russischen Marine liegt das sogen. Equipagensystem zu Grunde, nach welchem für jedes Schiff eine volle aktive Besatzung, für die nicht in Dienst gestellten Schiffe am Lande, im Frieden vorhanden ist. Sämtliche zur operativen Flotte gehörenden Schiffe sind in Gruppen von3 bis etwa 8 Schiffen verschiedener Art und Größe geteilt; solche Gruppe heißt Equipage, in welcher in der Regel ein Panzerschiff das Stammschiff bildet.
Bisher'war die Marine in 10 Equipagen geteilt; die starke Vermehrung der Schiffe forderte eine Neueinteilung, welche durch den Prikas vom 9. Okt. 1891 angeordnet ist. Künftig werden 24 Flottenequipagen bestehen, Nr. 1-16 in Kronstadt, Nr. 17-18 in Petersburg, je 9 bilden die 1. und 2. Flottendivision der Baltischen Flotte. 6 Equipagen, Nr. 28-33, bilden die Flottendivision der Flotte des Schwarzen Meeres.
Das Offenlassen von Nr. 19-27 läßt darauf schließen, daß diese9Equipagen noch dann formiert werden sollen, wenn die geplante Erweiterung des schwimmenden Materials erreicht ist. Nach der neuen Verteilung der Schiffe besteht die Ostseeflotte aus 28 Schiffen erster, 38 zweiter, 49 dritter, 17 vierter Klasse- die Schwarzemeerflotte aus 8 Schiffen erster, 8 zweiter, 2? dritter und 3 vierter Klasse; im Kaspisee sind 7, in Ostsibirien (Wladiwostok) 5 Schiffe dritter Klasse.
Das Flottenpersonal besteht aus 2 Großadmiralen, 11 Admiralen, 34 Vize-, 29 Konteradmiralen, 285 Stabsoffizieren, 337 Subaltern- und 27 Generalstabsoffizieren, 30,000 Matrosen und Seesoldaten.
Der Marineetat für 1892 beträgt 47,882,233 Rubel, von denen 19,145,509 Rubel für Schiffsneubauten bestimmt sind.
Geschichte.
In der äußern und innern Politik Rußlands fanden 1891 wichtige Veränderungen statt. Noch im Februar hatte der Zar eine Anfrage des französischen Botschafters, die allerdings ungeschickt angebracht wurde, ob Frankreich bei einem damals (infolge der Beleidigungen der Kaiserin Friedrich in Paris) möglichen Konflikt mit Deutschland auf russischen Beistand rechnen dürfe, abgelehnt. Den vereinten Bemühungen der kriegslustigen Panslawisten und Franzosenfreunde in der russischen Diplomatie, im Offizierkorps und am Hofe, unter denen der Botschafter in Paris, v. Mohrenheim, und der Chef des Generalstabs, Obrutschew, besonders eifrig sich zeigten, gelang es, dem Zaren eine bessere Meinung von der Wehrkraft der französischen Republik und der Beständigkeit des in Frankreich herrschenden Regierungssystems beizubringen. Dazu kam der glänzende Empfang des deutschen Kaisers in London, der ein Zu-