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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Seydler; Shea; Siam; Sibirien

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Seydler - Sibirien

Stufenreihe von der bloß geistigen Demütigung bis zur schmerzhaftesten Selbstpeinigung, er kommt aber auch in larvierter Form ekelhafter Handlungen zum Zwecke sexuell erregender Selbstdemütigungen vor. c) Fetischismus. Es gibt Personen und namentlich Männer, für die der Hauptreiz am Weibe entweder ein bestimmter Körperteil, der mit dem sexuellen Verkehr direkt nichts zu thun hat, oder auch ein Kleidungsstück des Weibes ist; man unterscheidet demgemäß einen Körperteil- und einen Gegenstand-Fetischismus. Im Gegensatze zu der Regel, wonach eine Person als ganze begehrt und nur gelegentlich dieses oder jenes Stück von ihr bevorzugt wird, richtet sich bei den Fetischisten das Begehren ausschließlich auf ein Stück, seien es Haare (Zopfabschneider) oder Schuhe (Stiefelfreier), mit gänzlicher Außerachtlassung der übrigen Persönlichkeit. Fetischismus, Masochismus und Sadismus finden sich auch innerhalb der folgenden Gruppe, welche die gesellschaftlich wichtigste Form der Parästhesien darstellt, nämlich bei den konträren Sexualempfindungen. Man versteht hierunter den Trieb zu Liebesverkehr mit Personen gleichen Geschlechtes und nennt ein mit diesem Triebe behaftetes Individuum homosexual oder einen (männlichen, bez. weiblichen) Urning. Das psychologische Problem der nicht seltenen Verirrung läßt sich folgendermaßen formulieren: wie kommt die Seele eines Weibes (Mannes) in den Körper eines Mannes (Weibes)? Denn das kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Unglücklichen unter einer angebornen Perversion nicht nur des Geschlechtstriebes, sondern auch der ganzen Veranlagung leiden. Obwohl körperliche Merkmale an den Kranken nicht zu entdecken sind, besitzen sie doch von Jugend auf wenigstens innerlich eine ihrem Geschlechte sonst fremde Organisation, die sich natürlich am auffälligsten in den sexuellen Dingen äußert. Deshalb darf man wohl nicht an eine geschlechtliche Monomanie solcher Patienten denken, sondern muß daran festhalten, daß sie auch im allgemeinen abnorm geartet sind. Eine Heilung ihrer Verirrung ist, wenn überhaupt, so nur durch (hypnotische) Suggestivbehandlung möglich. Vgl. v. Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis (7. Aufl., Stuttg. 1892); Derselbe, Neue Forschungen auf dem Gebiete der Psychopathia sexualis (3. Aufl., das. 1891); Moll, Die konträre Sexualempfindung (Berl. 1891); v. Schrenck, Die Suggestionstherapie bei krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinnes (Stuttg. 1892).

Seydler, August, Astronom, geb. 1. Juni 1849 zu Senftenberg in Böhmen, wurde 1870 Assistent und 1872 Adjunkt an der unter Hornsteins Leitung stehenden Sternwarte in Prag, habilitierte sich an der Universität für mathematische Physik, wurde bei Gründung der tschechischen Universität 1882 außerordentlicher und 1885 ordentlicher Professor der mathematischen Physik und Astronomie an derselben, in welcher Stellung er die Errichtung eines astronomischen Instituts veranlaßte, das indessen bei seinem Tode, 22. Juni 1891, noch nicht vollendet war. Er schrieb: »Über das Vierkörperproblem«, »Beiträge zum Zwei- und Dreikörperproblem«, »Beiträge zur Lösung des Keplerschen Problems«, veröffentlichte Bahnbestimmungen einer Anzahl Planetoiden und des Kometen 1890 I und zwei Bände »Theoretische Physik« (tschechisch).

Shea, John Gilmary, kathol. Historiker Amerikas, starb 22. Febr. 1892 in Elizabeth (New Jersey).

Siam. Die Schätzungen der Bevölkerung schwanken zwischen 6 und 25 Mill., die richtige Ziffer möchte aber 12 Mill. sein und zwar 3 1/2 Mill. Siamesen, 3 1/2 Mill. Chinesen, 2,600,000 Schan, Lao und Birmanen, 1 Mill. Kambodschaner, 1 Mill. Malaien und Hindu, 400,000 Pegin. Karenen, Kalmücken, Kamaizen u. a. Die Einwanderung von Kulis aus China betrug 1888 über 15,000. Der Handel hebt sich außerordentlich schnell, zwischen 1884 und 1888 stieg die Einfuhr von 6,2 auf 10,9, die Ausfuhr von 11,2 auf 16,3 Mill. Doll. Bei der Ausfuhr nimmt Reis die erste Stelle mit (1888) nicht weniger als 12,6 Mill. Doll. ein, es folgen stufenweise mit Beträgen von 940,000 - 123,000 Doll. Teakholz, gedörrte und gesalzene Fische, Rindvieh, Pfeffer, Sappanholz und Häute. In den Hafen von Bangkok liefen 1888 ein: 469 Schiffe von 358,745 Ton., aus 472 Schiffe von 352,445 T. Die weitaus erste Rolle behaupten die englischen Schiffe, von denen 291 mit 226,058 T. einliefen, dann folgen deutsche (90 von 74,706 T.), siamesische (50 von 29,755 T.) etc. Der Eisenbahnbau erfährt durch die Regierung eine mächtige Förderung; 1889 wurde einer englischen Gesellschaft die Konzession für eine 88,5 km lange Bahn von Bangkok nach Packnam und Patriew erteilt. Der Verwaltungsrat dieser Borapah Railway Comp. genannten Gesellschaft besteht neben sieben Europäern aus sieben Prinzen des königlichen Hauses und einem siamesischen Minister. Auch der Bau einer 700 km langen Linie von Bangkok nach Meghong wurde beschlossen. Ein englisches Syndikat, welches den Bau ausführt, liefert die eine Hälfte des Baukapitals, die andre Hälfte die siamesische Regierung. Dieselbe ernannte 1890 den königlich preußischen Baurat Bethge zum Generaldirektor der siamesischen Eisenbahnen, unter dessen Leitung die 268 km lange Bahn Bangkok-Ajuthia-Korat durch ausländische Unternehmer ausgeführt werden soll. 1891 wurde einem englischen Kaufmann in Singapur die Konzession für eine 218 km lange, die Halbinsel Malakka durchquerende Bahn von Singara an der Ostküste über Saiburen nach Kulen im zinnreichen Süden der Provinz Queda erteilt. In 76 Postämtern wurden 1888 im innern Verkehr 185,834, im äußern Verkehr 315,631 Briefpostsendungen befördert. Die Einnahmen betrugen 63,347, die Ausgaben 166,392 Fr. Die Telegraphenlinien hatten 1889 eine Länge von 2724, die Drähte von 2784 km. Durch 22 Ämter wurden 28,705 Depeschen befördert. Die Einnahmen betrugen 210,125, die Ausgaben 239,214 Fr. Vgl. L. v. Jedina, An Asiens Küsten und Fürstenhöfen (Wien 1891).

Sibirien. Der Mangel regelmäßiger und rascher Verbindung der einzelnen Gebiete im Innern Sibiriens und mit dem Auslande ist bisher das ernsteste Hindernis jeder Kulturentwickelung daselbst gewesen. Von den wichtigen Städten erfreut sich nur Tomsk eines direkten und nicht gar zu langen Wasserweges nach dem europäischen Rußland. Irkutsk dagegen ist nur nach wochenlanger Wagenfahrt zu erreichen. Wenn im Frühjahr und Herbst das Wetter die jeder künstlichen Unterhaltung entbehrenden Straßen in Moräste verwandelt, ist jede Möglichkeit, diese Hauptstadt des mittlern S. zu erreichen, aufgehoben. Ebenso entbehrt der wichtigste Hafen und feste Punkt Ostsibiriens, die Hauptstadt des Ussurigebiets, Wladiwostok, jeder Wasserverbindung mit seinem Hinterlande und dem wichtigen Lebensnerv desselben, dem Amur. Nur während des Winters, wenn der Schlitten ein rasches Durcheilen weiter Strecken ermöglicht, ist somit der bei weitem größte Teil des russischen Asien dem Verkehr bequem zugänglich. Im Sommer benutzt man soweit als möglich die großen Ströme,