Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

841
Sklaverei (Slavenhandel in Westafrika)
rare Gewalt ihrer Gläubiger. Namentlich wandern so Kinder als Sklaven in das Dorf des oft entfernt wohnenden Gläubigers. Auf der That ertappte Diebe! werden gleichfalls zu Sklaven gemacht. Die Sklaven, können wieder Sklaven halten. Aber sie sind rechtlos, ihre Tötung hat nicht Blutrache im Gefolge, wird indes von manchen Häuptlingen zur Auferlegung von Geldbußen benutzt. Auf der Insel Sansibar besteht der größte Teil der Bevölkerung aus Sklaven. Alle Araber wie auch sehr viele Neger besitzen solche. Selbst dem Europäer war es bei Kenntnis der Verhältnisse noch bis vor kurzem möglich, Sklaven in beliebiger Anzahl zu kaufen. Der Sklave lebt entweder bei seinem Herrn als dessen persönlicher Diener oder auf den ländlichen Besitzungen desselben. Sein Los ist selten ein hartes. Er darf sich auch an Fremde vermieten, wobei er freilich oft das meiste seines Verdienstes an seinen Herrn abgeben muß. So besteht ein guter Teil der sich den Europäern als Träger für Expeditionen verdingenden Neger aus Sklaven. Peters fand auf seinem Zuge den Tana hinauf bei den Galla von Odu-Boru-Ruwa ein ganzes Sklavendorf, vornehmlich bewohnt von geraubten Suaheli aus Witu. Solche Sklavendörfer, ja förmliche von Sklaven bewohnte Städte gibt es auch im Hinterland von Liberia, wo manche Herren, namentlich die Häuptlinge, oft viele Hunderte von Sklaven besitzen, die größtenteils dem Feldbau obliegen. Hier ist die Stellung eines Sklaven eine so gute, daß man oft nur mit Mühe einen Unterschied zwischen ihm und seinem Herrn erkennen kann, was ihn freilich nicht davor schützt, im Notfall oder wegen schlechter Aufführung verkauft zu werden. Auch die mehrjährigen Beobachtungen Reichards im Innern Afrikas überzeugten ihn, daß die Lage der Sklaven, mit seltenen Ausnahmen, bei ihren afrikanischen Herren, ja sogar bei den meisten Arabern keine schlechte ist, und daß die Neger selbst ihre Sklaverei der Lage unsrer freien europäischen Arbeiter weit vorziehen. Bei alledem bleibt die Rechtlosigkeit bestehen, wenn schon dieselbe in der Regel nicht zum praktischen Ausdruck kommt. Hat man aber Opfer zu politischen oder politisch-religiösen Zwecken nötig, so werden Sklaven, die man häufig schon lange vorher dazu bestimmt, ohne weiteres hingeschlachtet. Solche Opfersklaven werden von einem Stamme an den andern verkauft. An dieser Haussklaverei bei dem gegenwärtigen Kulturzustand der afrikanischen Völker zu rütteln, erscheint nicht ratsam, wenngleich im Laufe der Zeit jeder sklavereiähnliche Zustand überall, wohin das Christentum und seine Kultur dringt, beseitigt werden muß. Jede Überstürzung in dieser Richtung würde jedoch die schwersten wirtschaftlichen, sittlichen und sozialen Übelstände zur Folge haben.
Ganz anders aber steht es mit dem Sklavenhandel nach überseeischen Ländern. Trotz aller gegen denselben getroffenen Maßregeln besteht derselbe noch heute fort. Es ist bekannt, daß die Routen der Sklavenkarawanen ziemlich nahe an die mittelländische Küste führen, und zwar nicht bloß in Marokko, sondern auch nördlich der Libyschen Wüste, wo sie die Oasen des 30.° nördl. Br. erreichen. Daß von hier aus Verschiffungen nach der Levantinischen Küste stattfinden, scheint keineswegs ausgeschlossen. Vogel und Nachtigal haben die Raubzüge der Sultane von Bornu und Baghirmi mitgemacht. Der Sultan von Bornu schleppte nach oft grausamster .Einrichtung der Männer 4000Sklaven fort, von welchen er indes nur 500 nach Kuku brachte. Nachtigal mußte es mit ansehen, wie die Männer hingemordet und eine hilflose Schar von Frauen und Kindern, im ungesunden Lager zusammengedrängt, aneinander geleitet und aufs dürftigste ernährt, von Krankheiten dezimiert wurde. Die übriggebliebene Handvoll Gefangener, meist im elendesten Zustande, konnte endlich vom Markt in Kuku aus über Mursuk in Fezzan an die Nord- und Ostküste des Mittelmeeres gebracht werden. Den Weg, welchen die Karawanen nehmen, kann man an den rechts und links am Wege verstreuten Gebeinen erkennen. Freilich ist der Sklavenhandel in Tripolis ebenso streng verboten wie in Ägypten, aber er besteht dennoch unter den Augen der Behörden wenig geschmälert fort. Der gar nicht oder schlecht bezahlte Gouverneur von Fezzan nahm aus der Kopfsteuer von den durchziehenden Sklavenkarawanen jährlich 40,000 Mk. ein. Die von oben an ihn ergangenen Erlasse veröffentlichte er immer erst dann, wenn eine Sklavenkarawane glücklich vorüber war. Die Zufuhren stammen aus den Raubzügen der genannten Sultane, aus den Abgaben der Vasallen, die ihren Bedarf ebenfalls durch Raubzüge erlangen, endlich aus dem Handel mit den Haussa, Adamaua u. a. Die Ausfuhr geht außer nach Tripolis auch nach Ghat und Ägypten. Ein andres wichtiges Absatzgebiet ist Marokko. Im ganzen Westsudan wird eifrig Sklavenhandel getrieben, das haben auch die neuesten Reisen und Erkundigungen von Foucauld, Teisserenc de Bort und Thompson wiederum bestätigt. Sklavenkarawanen ziehen über Timbuktu, welche ihre Transporte an Händler aus Fez, Mequinez, Marokko und Mogador verkaufen. Jährlich sollen hier 4000 Sklaven feilgeboten werden, wofür der Sultan sich einen Einfuhrzoll von 96,000 Mk. zahlen läßt, aber so stark ist der Verbrauch, daß die Zahl aller Sklaven im Sultanat auf nur 50,000 geschätzt wird.
In Westafrika besteht eigentlicher Sklavenhandel über See schon seit längerer Zeit nicht mehr, wiewohl von einigen Reisenden behauptet wurde, daß derselbe am Golf von Guinea noch immer fortdauert. Aber ein verkappter Sklavenhandel von Angola, Benguela und Mossamedes aus nach Sao Thome und Fernando Po besteht noch immer. Der Anwerbeplatz, um nicht zu sagen Sklavenhandelsplatz, ist hauptsächlich in Benguela. Der Bewerber zahlt für einen kräftigen Sklaven durchschnittlich 50 Fr. bei einer mehrjährigen Arbsitsdauer. Die Händler aus dem portugiesischen Bihe dringen bis nach Luluaburg, von SW. kommend, vor. Sie treiben, nach Wissmann, den schändlichsten Handel mit Menschen, den man sich denken kann. Schwarze Händler aus Angola oder Benguela rekrutieren sich in Bihé Träger und Begleiter, die kriegerisch sind und weitere Reisen unternehmen als irgend ein andrer Neger der Westküste. Sie suchen Länder auf, in denen das Gewehr noch nicht bekannt ist, machen mit den Häuptlingen Verträge über Lieferung von Sklaven und schließen sich selbst den Sklavenjägern an. Die Gefangenen und Erhandelten bringen sie dann zu den Bakubastämmen und verhandeln sie dort gegen Elfenbein weiter, mit dem sie auf dem nächsten Wege, meist über Kubao und Lulua, nach Hause reisen. Etwas Ähnliches wie Sklavenhandel wird übrigens in fast allen tropischen Kolonien, auch in der Südsee, praktiziert, denn eigentliche tropische Kolonisation und S. »liebäugeln« miteinander. Aber abgesehen von der überseeischen Verschiffung besteht der Sklavenhandel nach den portugiesischen Besitzungen in Westafrika noch immer schwunghaft. Offiziell