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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Stadtbahnen (Anlage; Abfertigung des Publikums; Zugeinrichtungen)

zeitig die abfahrenden Reisenden an der andern Seite ein.

[3. Höhenlage der örtlichen Bahnen.) Ebenso wie die gegenseitige Kreuzung der Bahnen in Schienenhöhe in städtischen Gebieten durchaus unzulässig ist, ist auch eine Kreuzung städtischer Verkehrsstraßen in Kronenhöhe durch stark belastete örtliche Bahnen nicht denkbar. Letztere sind vielmehr zu unter- oder überführen. Die Bahnen liegen daher auf Dämmen oder in Einschnitten, an deren Stelle in größerer Nähe der Binnenstadt, wo der Grund und Boden teurer wird, Viadukte und Tunnel treten. Der Anschluß einer Bahn an eine andre wird unter thunlichster Vermeidung von Schienenüberkreuzungen hergestellt. Der gegenseitige Anschluß zweigeleisiger Bahnen wird daher, wenn irgend möglich, unter Verwendung einer Rechts- und einer Linksweiche so hergestellt, daß die Geleise der abzweigenden Bahn beide nach der Außenseite der durchlaufenden Linie abgelenkt sind, wonach das eine dieser Geleise im Bogen unter oder über den durchlaufenden Geleisen her mit dem andern wieder zusammengeführt wird. Auch bei abzweigenden eingeleisigen Bahnen sind die Anschlüsse doch doppelgeleisig, was gleichzeitig den Vorteil bietet, daß vor dem Abzweigungspunkt noch ein Zug ungefährdet stehen kann.

[4. Rücksichten bei Anlage der Bahnhöfe.) Infolge der Verschiedenheit in der Höhenlage der Bahn- und Straßenkrone liegen die Stationen über oder unter den Straßen und müssen durch Treppen nach oben, durch Treppen oder Fahrstühle nach unten erreicht werden, durch Fahrstühle, wenn die zu überwindende Höhe über 8-10 in hinausgeht. Das Publikum, welches bei den örtlichen Reisen jede Zeitversäumnis meidet, erwartet in den Stationen die Züge auf den Bahnsteigen und verläßt diese sofort nach dem Aussteigen. Wartesäle sind daher überflüssig. Die Stationen müssen eine gesteigerte Leistungsfähigkeit besitzen, daher leichte Orientierung ohne lästiges, zeitraubendes Fragen ermöglichen, genügend zahlreiche und leicht zugängliche Fahrkartenschalter besitzen, leichte und schnelle Fahrkartenprüfung gewährleisten, mit ausreichenden wegweisenden Aufschriften, deutlichen (auf Schildern, Bänken, Lampen) angebrachten Stationsnamen ausgestattet sein. Die Züge müssen leicht zu besteigen sein (hohe Perrons od. tief liegende Wagenböden) und sollten durch Kopf- und Wagenaufschriften die vorher auf den Stationen angezeigte Fahrrichtung angeben. Unter Umständen ist das Publikum durch Abrufen zu orientieren. Die etwa vorhandenen verschiedenen Fahrklassen sollten an bestimmten, durch Inschriften in den Stationen ein für allemal festgesetzten Stellen halten.

Die Stationen erhalten ferner, was ihre Gesamtanlage betrifft, bei stärkerm Verkehr zweckmäßig getrennte Bahnsteige für die einzelnen Fahrrichtungen, bei durchlaufender zweigeleisiger Bahn also Außensteige. Bei mehr als zwei Geleisen ist dies nicht streng durchführbar. Getrennte Ein- und Ausgänge sind bei stärkerm Verkehr häufig geboten; allerdings ist hierbei in der Regel ein doppeltes Stationspersonal erforderlich. In diesen Beziehungen sind die Anlagen auf der Londoner innern Ringbahn, wo auch der stärkste Verkehr scheinbar mühelos abgewickelt wird, nirgends übertroffen, obwohl die Außenperrons mehrfach nur 4,5 m Breite und 90 m Länge haben. Zu letztern führen je besondere Treppen, deren Verwechselung durch auf den Fahrkarten aufgedruckte Zeichen (0 = Outer rail, I = Inner raii), welche auch an der Treppenwand angebracht sind, unmöglich

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gemacht ist. Die Lochung der Fahrkarten geschieht mit bemerkenswerter Schnelligkeit, da sie zu dem Zweck den Reisenden nicht aus der Hand genommen werden müssen, wie dies z.B. in Berlin geschieht. Bei den New Jorker Hochbahnen sind ebenfalls seitliche Außensteige angewendet. Auf der Berliner Stadtbahn sind Inselsteige vorhanden, welche weniger günstige Treppenanordnungen ermöglichen.

[5. Abfertigung des Publikums.) Die Reisenden betreten die Bahnsteige an bestimmten Eingängen, wo die Prüfung der Fahrkarten oder auch, sofern Fahrkarten nicht ausgegeben werden, die Entrichtung des Fahrgeldes und in letzterm Falle auch die Zählung der Reisenden vorgenommen wird. Die Eingänge dienen bei weniger starkem Verkehr, wo eine strenge Sonderung der ab- und zugehenden Reisenden nicht erforderlich wird, wohl auch als Ausgänge. An diesen werden auch die Fahrkarten, sofern solche während der Reise überhaupt in der Hand der Reisenden bleiben, abgenommen, was dann meist wieder ein besonderes Personal erfordert. Beim Abteilsystem der Züge wird, um an Zeit zu sparen, dem Publikum das Öffnen der Thüren stets selbst gestattet, während beim System mit Kopfthüren der Zutritt wohl nur von dem Schaffner freigegeben wird. Abrufen ist bei ausgiebiger Anbringung der Stationsnamen (an den Wänden, auf Banklehnen und Laternen) nicht erforderlich, vorausgesetzt, daß die Namen nicht durch anderweite Aufschriften schwer auffindbar sind. In Berlin wird nicht ausgerufen, in London, wo dicht aneinander aufgehängte riesengroße Geschäftsanzeigen sämtliche Wände bedecken, wird ausgerufen, und zwar so, daß vor dem Eintreffen der Züge von einem Stationsbeamten die Richtung des ankommenden Zuges und beider Einfahrt des Zuges der Name der betreffenden Station ausgerufen wird. In New York, wo die zahlreichen, einander genau gleichenden Stationen nach der Straßennummer benannt sind, wird durch die Zugschaffner bei der Abfahrt die nächste Station mit den: Zusatz »Next« und bei der Einfahrt nochmals ohne den Zusatz ausgerufen. Im übrigen wird in London und Berlin durch verstellbare Weisertafeln und wechselbare Aufschriften die Richtung des Zuges noch bekannt gegeben. Wo verschiedene Wagenklassen bestehen, wird das Auffinden derselben, wie schon gesagt, durch besondere Aufschriftstafeln über den Bahnsteigen oder an der Wand erleichtert. Belästigung des Publikums durch Signale mit Dampfpfeifen, Glocken etc. ist im örtlichen Bahnverkehr vermieden.

[6. Züge.] Beim Abteilsystem der Züge wird ein schnelleres Entleeren und Füllen gewährleistet als bei dem System mit Längsgang und Eingang von der Kopfseite. Die Zahl der Fahrklassen ist bei den verschiedenen S. verschieden. In London hat man drei, in Berlin zwei, in New York und auf der City- und Südlondonbahn nur eine Fahrklasse. In letzterm Falle ist die Abfertigung der Züge wesentlich vereinfacht. Die Zusammensetzung der Züge ist eine sich stets gleichbleibende und mit Rücksicht auf die umkehrenden Bewegungen derselben häufig eine ganz symmetrische. Züge, welche in ständigem Kreislauf verkehren, wobei auch eine gerade Anzahl von Zwischenkopfstationen eingeschaltet sein kann, und Züge, welche auf derselben Basis hin und her pendeln, gleichviel, ob dabei Zwischenkopfstationen angelaufen werden, können ihre Wagen in beliebiger Reihenfolge anordnen. Bei Ringfahrten mit einer ungeraden Zahl eingeschalteter Rückkehrpunkte (Zwischenkopfstationen) ist dagegen Gleichmäßigkeit angebracht. Ganze