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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Stadtbahnen (Fahrgeschwindigkeit, Zugstärke; Fahrkarten)

Züge oder einzelne Wagengruppen bilden wohl für, gewöhnlich ein untrennbares Ganze (Blockzüge). Die Kuppelungen sind dabei in London besonders kurz, um die Züge kurz zu halten. Die Züge in Berlin und London erhalten an jedem Ende ein Schutzkoupee, das hintere dient dem Schaffner (das vordere in London wohl einem zweiten Schaffner) als Aufenthalt. In London enthält jedes dieser Koupees eine Handbremse. Die Ausrüstung der Züge mit durchgehenden Bremsen ist in neuerer Zeit selbstverständlich. In Berlin wird die Smith Hardy-Luftsaugebremse, in London die Westinghouse- oder selbstthätige Luftsaugebremse, in New York die Eamessche Bremse angewendet. Dampfheizung sind in Berlin und New Dork in Gebrauch, in London höchstens Fußwärmer. Beleuchtung durch Gas; neuerdings wird Elektrizität versuchsweise angewendet. Der Beförderungsdienst der Züge ist je nach der Art der verkehrenden Wagen verschieden. In London läßt der (hintere) Zugschaffner selbst, in Berlin der Stationsbeamte nach Meldung des Zugschaffners den Zug abfahren. Letzteres ist das Umständlichere. Bei den Zügen mit Längsgang in New York befindet sich zwischen je zwei Wagen auf der Hinterplattform des vordern je ein Schaffner. Der Schaffner auf der tzintervlattform des letzten Wagens gibt das Zeichen zur Abfahrt durch einmaliges Ziehen an einer unter der Wagendecke angebrachten Zugleine, welches vom folgenden Schaffner durch zweimaliges, vom dritten Schaffner durch dreimaliges Ziehen fortgepflanzt und so dem Zugführer mitgeteilt wird. Letzterer bringt dann durch zweimaliges Ziehen an der Leine eine Glocke auf der Lokomotive zum Ertönen, wodurch das Signal zur Abfahrt gegeben ist. Die Fahrgeschwindigkeit ist für alle Züge der Stadtlinien die gleiche. Bei Vorortlinien ist sie wohl etwas größer als bei den Stadtlinien; zudem kommen besondere Vorortschnellzüge in Betracht. Eine größere Geschwindigkeit des Zuges während der Fahrt als 40 km in der Stunde kommt, abgesehen von den Schnellzügen, im allgemeinen nicht vor, durchschnittlich wird mit 30 km gefahren. Die Reisegeschwindigkeit (d. h. die Aufenthalte eingerechnet) ist etwa zu 20-25 km anzunehmen.

Die Zugstärke beträgt in Berlin durchschnittlich 8-10 Wagen, hierunter sind dem Bedürfnis entsprechend etwa 2 Wagen II. Klasse. In London ist die Zugstärke ebenfalls nach dem Bedürfnis verschieden und geht bis zu 12 Wagen, selten darüber hinaus, der Durchschnitt beträgt 10 Wagen. Die auf den S. verwendeten Wagen sind teils zweiachsig, teils haben sie vier Achsen, welche in Drehgestellen vereinigt sind. Die zweiachsigen Wagen I. Klasse haben 4x8, die Wagen II. Klasse 4x10 oder 5x10 und die III. Klasse 5x10 Sitze, die vierachsigen Wagen 8x10 Plätze III. oder II. Klasse und 6x8 Sitze I. Klasse. Gemischte vierachsige Wagen haben drei Abteilungen I. Klasse in der Mitte und je zwei Abteilungen II. Klasse an den Enden. Die Wagen der New Yorker Hochbahnen sind sämtlich als Durchgangswagen gebaut, wie dies in Amerika üblich ist. An den Enden der Wagen sind Längs-, in der Mitte Quersitze so angeordnet, daß auch Raum für Stehplätze verbleibt, welche zu Zeiten starken Verkehrs benutzt werden. Die Zahl der Plätze, 32 Längs-, 16 Quersitze und 32 Stehplätze, beträgt zusammen 80. Es gibt nur eine Klasse für Reisende beiderlei Geschlechts. Die Endplattformen der Wagen sind gegen die Bahnsteige mit Drehthüren, im übrigen durch Gitter seitlich abgeschlossen. Bei den Berliner Wagen ist Rauchen in III. Klasse allgemein gestattet, in der II. Klasse jedoch verboten, in London sind Rauchwagen besonders bezeichnet, in New York besteht allgemeines Rauchverbot, auch auf den Kopfplattformen. Die Züge der City- und Südlondonbahn, deren Wagen etwa wie die der gewöhnlichen Straßenbahnen eingerichtet sind, bestehen aus 3 Wagen zu je 32 Personen auf zwei Längsbänken.

Im Stadt- und Vorortverkehr werden ausschließlich Tenderlokomotiven verwendet. In Berlin bestehen neben dem Stadt- und Ringbahnmuster (Gewicht 40,8 Ton.) noch schwerere Vorortmaschinen (42,66 T.), welche indes im allgemeinen leichter sind als die Londoner Maschinen, von denen eine große Zahl verschiedener Formen besteht. (Gewichte: 47,2 T., 52,7 T. etc.) Die Normaltendermaschinen der New Yorker S. sind nach Forneuschem Muster gebaut und wiegen nur 20,12 T. Der Abstand der Züge ist bei den Londoner und Berliner Bahnen nach dem (Raum-) Blocksystem geregelt, in New Jork war bisher nur Vorschrift, daß der Abstand der Züge so groß sein muß, daß der folgende Zug zum Stehen gebracht werden kann, ehe er den vorhergehenden erreicht. Bei Nebel und Dunkelheit soll dieses Maß mindestens 76 m betragen.

[7. Fahrkarten.] Die Verschiedenartigkeit der Karten sollte bei den S. nach Möglichkeit eingeschränkt werden. Am größten ist sie in London, wo einfache und Rückfahrtkarten I., II. und III. Klasse, Arbeiter-Tages- und -Wochenkarten, Ausflugskarten, Zeitkarten I. und II. (nicht III.) Klasse, letztere für 1, 3, 6 und 12 Monate, im Gebrauch sind. Arbeiterkarten berechtigen hier nur zu bestimmten Frühzügen bis 8 Uhr, später zu allen Zügen nach 4 Uhr nachmittags, an Sonnabenden bereits nach 12 Uhr mittags.

Ist die Fahrt zu allen Zügen freigegeben, so erhöhen sich die Preise auf das Doppelte. Zeitkarten (season and periodical tickets) sind in London im ausgiebigsten Gebrauch, wodurch die Schalterbeamten ganz bedeutend entlastet werden. Die einfachen und Rückfahrtkarten werden bereits am Schalter abgestempelt und gelten nur für die betreffenden Züge. In Berlin gibt es nur einfache Karten II. und III. Klasse; welche nach beiden Richtungen zwischen zwei Stationen gelten, sodann Arbeiter-Tages- und -Wochenkarten mit Ausschluß der Züge zwischen 8 und 4 Uhr, endlich Zeitkarten. Die einfachen Karten werden erst beim Betreten der Bahnsteige abgestempelt und gelten das ganze Jahr hindurch, so daß sie in Vorrat gekauft werden können. Auf den New Dorker Hochbahnen besteht, da es hier nur eine Fahrklasse gibt, auch nur eine Sorte Fahrkarten. Die Fahrpreise sind von der Entfernung unabhängig und nur für die Zeit von 5 Uhr 30 Min. bis 8 Uhr 30 Min. morgens sowie 4 Uhr 30 Min. bis 7 Uhr 30 Min. abends billiger. Gültigkeitsdauer und Benutzbarkeit der Karte ist unbeschränkt. Die Karten werden nach Lösung am Bahnsteigzugang unter Aufsicht des ^3.t6inkii in einen Kasten geworfen, wo ein Maschinenwerk sie durch Zerstechen entwertet. Die Fahrpreise wechseln in London mit der Entfernung, doch, wie bei den Londoner Wettbewerbsverhältnissen der Bahnen untereinander uno mit den Straßenverkehrsmitteln wohl erklärlich, ohne Regelmäßigkeit. Auf Einführung von Gruppenfahrsätzen ist nicht Bedacht genommen. Die Höhe der Fahrsätze ergibt sich nach einem aus vielen Fällen gezogenen Durchschnitt zu 7,8, 5,4 und 4,2 Pf. pro Kilometer in der I., II. und III. Klasse für einfache Fahrkarten. Auf der Berliner Stadt- und Ringbahn werden in der III. Klasse 10 Pf., in der