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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Stahlformguß
Ttahlformguß, ursprünglich das Verfahren, auf dem Wege des Gießens Stahl in bestimmte Formen Zu bringen, welches sich auf nur wenige Gebrauchsgegenstände beschränkte. Erst mit der Einführung des Bessemer- und Martinstahls nahm auch der S. nach und nach an Ausdehnung zu, und indem neuerdings ganz allgemein überhaupt das Flußeisen dieser Methode der Formbildung unterworfen wird, hat sich der S. zu einem großartigen Industriezweige aufgeschwungen, der besonders aus Flußeisen eine außerordentliche Menge von Gegenständen für den Maschinen-, Schiff-, Eisenbahnbau!c. liefert und des Materials wegen zweckmäßig Flußeisenformguß genannt wird. Das für den S. bestimmte Material muß vor allem genügend dünnflüssig, in einer dem jedesmaligen Zweck entsprechenden Weise zusammengesetzt und frei von Eisenoxydul sein, da dessen Gegenwart im Innern der Gußstücke Blasen bilden würde. Aus diesem Grunde wird dem Flußeisen, je nach dem zu erzeugenden Gegenstand, etwas Siliciumeisen, Ferromangan oder Ferroaluminium zugesetzt, so daß z.B. für kleinere Maschinenteile das Eisen neben etwa 0,5 Proz. Kohlenstoff 0,2 Proz. Silicium und 0/> Proz. Mangan, und für harte Walzen 1,i Proz. Kohlenstoff, 0,3 Proz. Silicium und 0,7 Proz. Mangan enthält. Das Schmelzen findet entwederin Tiegeln, in Kupolöfen, in Bessemerbirnen oder Siemens-Martinöfen statt. Der Guß aus dem Tiegel ist das älteste und auch jetzt noch in ausgedehntem Gebrauch stehende Verfahren, wenn cs sich uni die Anfertigung kleinerer Stücke aus hartem oder mittelhartem, also kohlenstoffreichem Stahl handelt, da der weichere Stahl eine so hohe Schmelztemperatur hat, daß die Tiegel der starken Kitze nicht genügend widerstehen. Jedoch auch große Stücke werden sehr oft als Tiegelguß durch Zusammengießen aus einer größern Anzahl von Tiegeln mit Hilfe des sogen. Sumpfes (eines großen Behälters, in welchem durch Ausgießen der Tiegelinhalte ein Vermischen der letztern bewirkt wird) gegossen; so stellte z.B. die Vochumer Gußstahlfabrik 1867in Paris eine Tiegelgußstahlglocke im Gewicht von 15,000 kßaus. Zum Erhitzen der Tiegel dienen für kleinere Betriebe Tiegelschachtöfen, welche mit Koks geheizt werden. Für größere Anlagen sind Siemensöfen (s.E i s e n, Ad. 5, S. 423) die geeignetsten, da sie zugleich einen ununterbrochenen Betrieb gestatten. Man baut sie am zweckmäßigsten nicht mit abnehmbaren Deckeln und tief, sondern in der Weise, daß ihre Sohle über. der Hüttensohle liegt und die Tiegel durch Seitenthüren eingesetzt und herausgenommen werden können, wozu an Ketten schwebende Zangen dienen. Die Füllung der Tiegel erfolgt außerhalb des Ofens, ebenso ein Vorwärmen derselben, bevor man sie einsetzt. Gewöhnlich erhalten diese Ofen eine Größe zum Einsetzen von 25 Tiegeln, obwohl auch solche für 80 bis 90 Tiegel (Krupp in Essen) vorkommen. Das Kupolofenschmelzen gibt dem Flußeisen Gelegenheit, Kohlenstoff aufzunehmen, so daß das Material in Gußeisen verwandelt wird. Daher kann der Guß aus dem Kupolofen auch niemals als Stahlguß gelten, obwohl er als solcher oft bezeichnet wird. Der Guß aus der Bessemerbirne hat in Frankreich ausgedehnte, in Deutschland erst in neuester Zeit auf einigen Werken Aufnahme gefunden. Er kommt in der Weise zur Ausführung, daß man in kleinen Birnen Einsätze von etwa 900-1000 kg' möglichst reinen Roheisens bis auf 0,i5>-0,l6 Proz. Kohlenstoff entkohlt und dann ohne weiteres mit Hilfe von Gießpfannen in die Formen gießt. Es gelingt hierbei
ohne Schwierigkeiten in 15 Minuten eine Charge, so daß dieses Verfahren auch einen ununterbrochenen Betrieb ermöglicht. Außerdem bietet es den Vorteil einer großen Dünnflüssigkeit des Materials. Die wichtigste hier für ausgedehnte Anlagen in Betracht kommende Schmelzmethode ist auf die Anwendung der Siemens-Martinöfen (Guß aus dem Martin-ofen) gegründet. Als geeignetste Größe dieser Öfen kann man die für 8000 - 10,000 ko- Inhalt annehmen, da kleinere ungünstige Betriebsverhältnisse ergeben. Der Einsatz besteht aus altem Eisen (Eisenbahnschienen) und aus Roheisen in passender Mischung, der zur Erzielung blasenfreier Gußstücke beim Schmelzen und vor dem Abstechen noch Mangan und Silicium zugesetzt wird. Eine geeignete Zusammensetzung ist z B.:
Roheisen mit 3,5 Proz. Kohlenstoff, 2,0 Proz,
Silicium und 1,5 Proz. Mangan .. . Tpiegeleiscn mit 1s Proz. Mangan. . Eisenbahnschienen, Stahlspäne. .. .. .
Einsatz
Zusatz am Schluß:
Eisenmangan mit 45 Proz. Mangan . Tiliciumsftiegel mit 10 Proz. Silicium.
1120 Kilogr.
126 -5600
Wogr.
84
70
! Charge: 7000 Kilogr.
! Die Schmelzung dauert in diesem Fall etwa 7 Stunden bis zum Abstich, der entweder für rohe, schwere^ Güsse direkt in die Form oder in Gießpfannen statt' findet. Aus dem Martinofen- und Tiegelguß hat! sich ein hauptsächlich in Deutschland eingeführtes" gemischtes Verfahren ausgebildet, welches die Vorteile beider vereinigt. Hierbei dient der Martinofen! wie oben unmittelbar zur Erzeugung der schwersten' Gegenstände Neben demselben befindet sich zugleichi aber ein Tiegelofen zur Aufnahme von Tiegeln, diei aus dem Martinofen gefüllt werden und den Zweck
> haben, durch nochmaliges Durchschmelzen, oft unter einem Zusatz von Aluminium, ein besonders gleich! mäßiges, namentlich für kleinere Gußstücke besser ge^ eignetes Gußmaterial (Tiegelguß) zu liefern. Von^ großer Wichtigkeit für den' S. ist selbstverständlich! das Formmaterial und die Herstellung der Guß! formen. Da das Fluheisen im flüssigen Zustande eine Temperatur von 1600" besitzt, somußdas Form. material außerordentlich feuerbeständig sein. In Frankreich bedient man sich des Thones von Varepve, des Sandes von Vieson, der Tiegelscherben sowie des Ganisters, in Deutschland benutzt man in der Regel ein^ feingemahlenes Gemisch von4Tiegelscherben, 3Scha! motte, 2fetten Thon. Aus diesem durch Wasser plastisch gemachten Material findet die Bildung der Form nach den bei den Gußformen für Gußeisen geltenden Regeln statt, nur ist ein Schwindmaß von 1:72 zu Grunde Zu legen und für große Verlorne Köpfe Sorge zu tragen. Das Innere der Form erhält einen Überzug vonz Graphit. Die Formen werden vor dem Gebrauch scharf ausgetrocknet- für vielgliederige Gußstücke hat sich! eine stärkere Erhitzung der Formen vor dem Eingiei ßen sehr nützlich erwiesen, weil das Metall dann des
> ser ausläuft. Das flüssige Metall erstarrt in der Form! sehr rasch unter gleichzeitigem Eintritt des Schwin! dens, wodurch leicht ein Zerreißen herbeigeführt wird,
I wenn man nicht durch sofortiges Entfernen der Kerne! das Hindernis für die Zusammenziehung des Guß! stückes wegräumt. Infolge dieser Manipulation ent! stehen ungleichmäßige Abkühlungen und unter dem Einfluß der letztern in verschiedenen Teilen des Gußstückes Spannungen, die leicht ein späteres Zer! sprengen nach sich ziehen. Um diese Spannungen zu! beseitigen, unterwirft man die Gußstücke einem Aus 56"