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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Waldpflanzen

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Waldpflanzen (Baumgrenze)

naß und trocken werden, sind für den Gesundheitszustand um so bedenklicher, je höher die Temperatur im Sommer steigt. Verbessert werden die Gesundheitszustände durch zweckmäßige Entwässerung, durch Anbau landwirtschaftlicher Kulturgewächse, namentlich dicht stehender Gras- und Kleearten, Mais etc. Viel wirksamer aber ist ein gut gepflegter W. mit normalem Bestandesschluß. Vielfach unterbrochener Kronenschluß und kümmerlich entwickelter Baumwuchs hindern die günstige hygienische Wirkung, die nur eintritt, wenn man, wie auch bei Aufforstung auf nassem Terrain, regelmäßige Entwässerungsanlagen vornimmt. Daß der W., wenigstens außerhalb des tropischen Gebietes, der Entstehung und Verbreitung des Wechselfiebers entgegenwirkt, hat man schon lange gewußt, und im Kirchenstaat standen deshalb die Wälder unter dem Schutz sehr strenger gesetzlicher Bestimmungen. Es lassen sich viele Fälle nachweisen, in denen durch Entwaldung eine Verschlimmerung, durch Wiederbewaldung dagegen eine Verbesserung der öffentlichen Gesundheit hervorgerufen wurde. Einen überraschend günstigen Erfolg hat man in der Gegend des Trappistenklosters Tre Fontana bei Rom durch ausgedehnte Anpflanzungen von Eucalyptus globulus, E. resinifera u. a. erzielt. Diese Pflanzungen sind jetzt 20 Jahre alt, und der Gesundheitszustand der Kolonie hat sich in einer Weise gebessert, daß von Gefahr keine Rede mehr ist. In der bayrischen Festung Germersheim in der Rheinpfalz trat früher das endemische Wechselfieber in der heißen Jahreszeit so stark auf, daß der Ort sehr gefürchtet war. Seitdem aber die Glacis, Wälle und Grabenränder mit Gras, Ziersträuchern und Zierbäumen dicht bepflanzt sind, läßt sich eine geradezu überraschende Abnahme des Wechselfiebers feststellen. Während 1859 bei einer Präsenzstärke von 5895 Mann 59 Proz. erkrankten und die Morbidität an Wechselfieber 1854-63 durchschnittlich 35 Proz. der Präsenzstärke betrug, sank sie 1877-86 auf 1 Proz. herab. Ähnliche Erfahrungen hat man in der Solagne, südlich von Orléans, gemacht, die großen Sümpfe in Virginien und Carolina sind selbst für Europäer ganz ungefährlich, solange sie mit W. bedeckt bleiben, die Luft wird aber ungesund, wenn der W. gefällt ist. In Holland wurden Hunderttausende von Hektaren der Überschwemmung ausgesetzten Grundes urbar und bewohnbar gemacht durch Weidenpflanzungen. Durch dasselbe Mittel wurde die Bevölkerung in der sumpfigen Niederung des Flüßchens Now bei Aachen vom Wechselfieber befreit. Vgl. Ebermayer, Die Beschaffenheit der Waldluft (Stuttg. 1885); Derselbe, Physikalische Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden (Aschaffenb. 1873); Pettenkofer, Verbreitung der Cholera in Indien (Braunschw. 1871); Frankhauser, Forstliche Reiseskizzen (Zürich 1885).

Waldpflanzen, Gewächse, die entweder als Bäume in mehr oder weniger einheitlichen Beständen auftreten, oder im Schutze derselben eine aus Sträuchern, Stauden und Kräutern bestehende tiefere Vegetationsschicht bilden. Die Pflanzen der ersten Gruppe, deren Gesamtheit in einem bestimmten Gebiet als dessen Waldformation zusammengefaßt wird, erscheinen in den verschiedenen Erdteilen und Ländern nicht gleichartig, sondern setzen sich aus floristischen Elementen zusammen, deren Charakter in erster Linie von der Zugehörigkeit des einzelnen Gebietes zu einem bestimmten Florenreich (s. Pflanzengeographie, Bd. 18) abhängt, und welche demzufolge zunächst als boreal, tropisch und austral zu unterscheiden sind. In biologischer Hinsicht sind dagegen diejenigen Züge für die Waldvegetation von hervorragender Wichtigkeit, in welchen sich die Wachstumsweise und die Ansprüche derselben an die Hauptfaktoren des Pflanzenlebens, wie Licht, Wärme, Feuchtigkeit, Niederschlagsmenge u. a., am deutlichsten aussprechen. Da das Baumleben zunächst an einen bestimmten Wert der mittlern Temperatur gebunden ist, bei dessen Überschreitung das Wachstum erlischt, und ebenso einen gewissen Zeitraum mit ausreichender Wärme erfordert, um die Phasen der Blattentwickelung, des Blühens und Fruchtens durchlaufen zu können, so findet nach den Polen zu die Waldvegetation einen Abschluß in der Baumgrenze, welche dem Mindestmaß von Ansprüchen des Baumlebens an Mitteltemperatur und Vegetationsdauer entspricht. Auf der nördlichen Halbkugel stimmt diese Linie in ihrem Verlauf ungefähr mit der Juliisotherme von 10° überein, die zugleich auch als Südgrenze der arktischen Flora (s. d.) angenommen wird. In Südgrönland, Island und Nordskandinavien wird die Baumgrenze von der nordischen Weißbirke (Betula alba L.) gebildet, deren Belaubungs- und Entlaubungstemperatur zwischen 7-10° liegt, und die eine Verkürzung der Vegetationszeit bis zu drei Monaten verträgt; am Meerbusen von Kola wird die Birke von der Kiefer, die im russischen Lappland der vorherrschende Waldbaum ist, weiter östlich von einer Varietät der Fichte (Picea obovata) abgelöst; in Sibirien bilden Lärchen (Larix sibirica), in Nordamerika vorwiegend Weißfichten (Picea alba) die Waldgrenze. Über letztere hinaus dringen in das Gebiet der arktischen Flora nur noch strauchige Holzpflanzen niedrigen Wuchses, wie Juniperus nana, Betula nana, Zwergweiden u. a., vor. Auf der südlichen Halbkugel ist im äußersten Süden des amerikanischen Kontinents die Baumgrenze undeutlich, da dort bei etwa 46° südl. Br. die vorwiegend immergrünen Gehölze allmählich in Buschformen übergehen; an der Magelhaensstraße kommt von Nadelholzarten nur noch eine Libocedrus-Art vor; zwei Buchen (Fagus antarctica und betuloides), die zwar im Innern des Landes noch waldbildend auftreten, bilden an der Küste nur niedrige Gebüsche. Die baumlose Nord- und Südzone der Erde entspricht im allgemeinen dem »polaren« Gürtel Köppens, in welchem das ganze Jahr hindurch niedrige Temperaturen (unter 10°) herrschen und die Vegetationszeit weniger als drei Monate umfaßt. Wie nach den Polen zu Kälte und Eismassen, so treten nach den Wendekreisen zu Niederschlagsmangel und Dürrhitze auf weitgedehnten Steppen und Wüsten als Schranken des Baumlebens auf. Die Wälder nehmen auf beiden Erdhalbkugeln außerhalb der Tropenzone nur einen breiten Gürtel ein, der ihnen zwischen der Glazialregion sowie der Prärien-, Steppen- und Wüstenzone frei bleibt. Letztere wird von eigenartigen, der Trockenheit des Klimas angepaßten Pflanzen (Xerophyten) besiedelt und erstreckt sich auf der nördlichen Halbkugel von der Sahara über das nördliche Arabien, Persien, die Länder in der Umgebung des Kaspischen Meeres und des Aralsees bis auf das Hochplateau Innerasiens, wo sie ihr Hauptzentrum erreicht; in Nordamerika trennt sie als Präriengebiet (nebst der Mohavewüste in Kalifornien, der Salzsteppe des Großen Beckens im Felsengebirge u. a.) die Baumzone in zwei Hauptabschnitte, die als pacifischer und atlantischer Wald unterschieden werden. Auf der südlichen Halbkugel durchquert das Xerophytengebiet in Afrika als Kalahari nörd-^[folgende Seite]