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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ägypten (Bevölkerung); Ägypten (Verwaltung und Verfassung)

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Ägypten (Bevölkerung, Verwaltung und Verfassung)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (Tierreich)'

Schwärmen Störche, Wachteln, Tauben u. s. w. Der im Altertum in ganz Ä. so häufige und wegen seiner Heiligkeit geschonte Ibis ist jetzt sehr selten und hat sich nach dem Süden zurückgezogen. An Skorpionen, Heuschrecken, Mosquitos und andern schädlichen Insekten ist kein Mangel, ebensowenig an Mistkäfern, darunter die Pillenkäfer oder Skarabäen der Alten. Die ehemals berühmte Bienenzucht ist jetzt unbedeutend. Schmarotzerwürmer sind bei den Bewohnern sehr häufig. Das allgemeinste Nutztier ist der Esel, von größter Wichtigkeit auch das einhöckerige Kamel, welches jedoch seine Bedeutung erst in neuern Zeiten erlangt hat und selbst in den Städten in großer Anzahl zu finden ist. Das Pferd kommt auf den ältesten Monumenten noch nicht vor; es erscheint erst im «Neuen Reiche» und wurde wahrscheinlich aus Vorderasien eingeführt; es ward jedoch im Altertum, nach den Monumenten zu urteilen, nur zum Ziehen, nie zum Reiten gebraucht. Neben der einheimischen Rasse findet man das Dongolapferd und das syrische (türk. Beigir); besonders geschätzt ist das syr. Anezi. Am höchsten steht jedoch das seit Mehemed Alis Kriegszügen in Arabien bekannte Nedschdi, das schönste, edelste und tüchtigste aller Pferde. Für die Veredelung des Pferdes geschieht in Ä. selbst sehr wenig. Maultiere sind in den größern Städten häufig. Hornvieh ist zahlreich vertreten, besonders schöne Stiere, eine Hauptstütze des Ackerbaues. Sehr verbreitet ist auch der Büffel, der gleich dem Stiere zur Arbeit verwendet wird, aber von der seit Mitte der sechziger Jahre wütenden Rinderpest verschont blieb. Schaf und Ziege sind in Ä. durch besondere Rassen vertreten, von denen die der Ziege sich durch einen rechtwinklig gewachsenen Nasenrücken auszeichnet. Selten fehlen bei einer Bauernwohnung dürftige Gänse, kleine und meist unschmackhafte Hühner, Enten und vortreffliche Trut- und Perlhühner. Die Hühner werden noch jetzt, wie schon im Altertum, hier und dort in Brütöfen ausgebrütet.

Bevölkerung. Trotz wiederholter Fremdherrschaft und zahlreicher Einwanderung in Ä., nämlich altsemitischer, griechischer und römischer im Altertum, arabischer seit dem zweiten Drittel des 7., türkischer seit dem Beginn des 16. Jahrh., bildet den Grundstock der Bevölkerung auch noch gegenwärtig die ägypt.-kopt. Rasse. Die Bewohner des flachen Landes, drei Vierteile der Gesamtbevölkerung, die Fellah (d. i. Pflüger), tragen noch deutlich den altägypt. Typus, wie er uns auf den Monumenten entgegentritt, und machen körperlich den Eindruck einer sehr kräftigen Rasse (s. Fellah). Ebenso beschaffen ist die Bevölkerung der kleinen Städte, während in den größern das arab. Element vorherrscht. In Kairo tritt das Arabertum in der herrschenden Bevölkerung mehr hervor als in den Provinzialstädten; am reinsten findet es sich jedoch bei den Beduinen in der Wüste. Der Konfession nach sind die Ägypter mohammed. Sunniten. Die höhern Militärstellen des Landes hatten früher Türken inne, die der Zahl nach ein geringes, aber das herrschende Element in der Bevölkerung der größern Städte bildeten. Auch die Kawassen oder polizeilichen Schutzwachen waren Türken. Doch ist das Türkische jetzt eine ganz unbekannte Sprache geworden und der Chediv bedient sich in seinen Erlassen an die Statthalter nur des Arabischen. Ein wichtiger Teil der städtischen Bevölkerung sind die christl. Kopten (s. d.), der einzige völlig unvermischt gebliebene Rest der alten ↔ Ägypter, deren Zahl man offenbar zu niedrig auf 350000 schätzt, wovon gegen 10000 auf Kairo kommen. In Alexandria und Kairo bilden die alle Schichten der Gesellschaft durchdringenden Europäer einen wichtigen Teil der Bevölkerung; 1882 zählte man in ganz A. 90886 Fremde, von denen 48672 in Alexandria, 21650 in Kairo, 5876 in Port-Saïd und 1183 in Sues wohnten. Ein Teil steht im Dienste der Regierung, die meisten treiben Handel. Das stärkste Kontingent zur europ. Kolonie stellen die Griechen (37301), dann folgen Italiener (18665), Franzosen (15716), Österreicher und Ungarn (8022), Engländer (6118), Deutsche (948), Belgier (637), Spanier (589), Russen (533) u.s.w. In Kairo und Alexandria giebt es auch in großer Anzahl Nubier (Barabra genannt), die im Rufe der Ehrlichkeit stehen und deshalb zu Dienern, Wächtern und Thorhütern verwendet werden. Die zahlreichen Stämme von Beduinen ziehen mit ihren Herden von Kamelen, Ziegen und Schafen in den Wüstengebieten nomadisierend umher. Die im Fajum sind jetzt ansässig und treiben Ackerbau und Viehzucht; die auf der Sinaihalbinsel sowie die Bischarin und Ababdeh zwischen dem Nil und dem Roten Meere besorgen die Warentransporte in der Wüste. Bei weitem der größte Teil der Beduinen der ägypt. Wüstengebiete sind von reinem arab. Blute und leben noch ganz wie ihre Vorväter vor Jahrtausenden. Fast alle die zahlreichen, oft untereinander in Streit lebenden Stämme sind jetzt dem Einflüsse der ägypt. Regierung unterworfen. Die sieben Stämme in der Sinaihalbinsel dagegen, Tawarah genannt, etwa 6000 Seelen, sollen eine unreine ägypt.-arab. Rasse sein. Am Rande der Wüste rechts des Nils wohnen nur Beduinen, deren Zahl auf 75000 geschätzt wird; ihre 26 Stämme sollen 28000 waffenfähige Leute, darunter 3000 Reiter, aufbringen können. Die bedeutendsten Stämme sind die arab. Maazeh im Norden und die hamitischen, schwarzbraunen Ababdeh im Süden. Im Innern der Arabischen Wüste fristen nur einige Hundert Familien ein kümmerliches Dasein. Freier, unabhängiger und unbändiger ist der Beduine auf der Westseite des Nils. Man zählt hier 24 Stämme, welche 14–15000 streitbare Männer, darunter 3000 Reiter, stellen können. Die Bevölkerung der ägypt. Oasen ist ägyptisch-arabisch, nur die der Oase Siwah ist berber. Stammes. Endlich bilden in A. noch die Ghagar oder Zigeuner einen angeblichen Volksstamm, dessen Angehörige sich als Kesselflicker, Affenführer, Seiltänzer, Schlangenfänger, Hausierer u.s.w. herumtreiben. Die Bevölkerung Ä.s betrug nach der Zählung vom 3. Mai 1882: 6817265 (3401498 männl., 3415767 weibl.) E.; 6479850 waren seßhafte Ägypter, 246529 zeitweilig seßhafte und nomadisierende Beduinen und 90886 Ausländer. Von den Städten haben mehr als 100000 E. Kairo (374838) und Alexandria (227064); mehr als 20000 E. die sieben Städte: Damiette (34044), Tanta (33750), Siut (31575), Mehallet el-Kebir (27823), Mansurah (26912), Medinet el-Fajum (25799), Damanhur (23353); 17 Städte haben mehr als 10 000 E.

Verwaltung und Verfassung. Gegenwärtig wird A. zwar administrativ nur in zwei, Ober- und Unterägypten, geographisch indessen noch immer in drei Teile geteilt: Masr el-Bahri, das nördliche Ä., begreift das Delta und die südlich zunächst liegenden Gegenden bis zum Fajum, doch mit

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 232.