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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Algerien (Geschichte)

war der Grund zur völligen Unterwerfung der Provinz Konstantine gelegt und die planmäßige Erwerbung des Binnenlandes überhaupt begonnen.

Während Valée die franz. Herrschaft im Osten des Landes zu befestigen suchte, unterwarf sich Abd el-Kader im Westen alle Stämme südlich von seinem Gebiet bis an die Wüste. Darauf brach er im Nov. 1839 gegen die unvorbereiteten Franzosen los, deren Vernichtung er seinen Stammesbrüdern als heilige Sache empfahl. Wiewohl Valée über ein Heer von 70 000 Mann verfügte, mußte er sich gegen Abd el-Kader doch auf die Verteidigung beschränken, und die Herrschaft der Franzosen ward noch einmal in Frage gestellt. Ein günstiger Umschwung trat erst ein, als General Bugeaud 22. Febr. 1841 das Generalgouvernement übernahm. Sein System bestand darin, einesteils durch unaufhörliche Razzias gegen die einzelnen Stämme den Gegner zu ermüden, andernteils in größern Expeditionen die Kerntruppen des Emirs aufzureiben. Nachdem das Heer auf mehr als 80 000 Mann gebracht war, fielen 25. Mai 1841 Tekedempt, des Emirs fester Hauptsitz, und 30. Mai Mascara in die Gewalt der Franzosen. Noch entscheidender wurde der Herbstfeldzug, in dem Saida, Abd el-Kaders letzte Festung, in Bugeauds Hände fiel. Im Jan. 1842 wurde ein Zug nach dem allein noch Widerstand leistenden marokk. Grenzgebiete unternommen und dabei 30. Jan. die Stadt Tlemsen erobert. Durch weitere Erfolge ward die Macht Abd el-Kaders fast vernichtet, und dieser sah sich gezwungen, auf marokk. Gebiet zu entweichen. Schon hielt man die Unterwerfung des Landes für beendigt, als Abd el-Kader plötzlich im Sommer 1842 in A. erschien und den Franzosen Niederlagen beibrachte. Zwar wurde er gezwungen, bald wieder auf marokk. Gebiet überzutreten, doch predigte er dort den heiligen Krieg, sammelte zahlreiche Streitkräfte und wußte es selbst dahin zu bringen, daß ein marokk. Heer Ende Mai 1844 im Felde erschien. Bugeaud brachte jedoch den Marokkanern 14. Aug. die entscheidende Niederlage am Isly (s. d.) bei, während eine franz. Flotte unter dem Prinzen von Joinville Tanger und Mogador bombardierte. Unter Englands Vermittelung kam 10. Sept. ein Friede mit Sultan Abd ur-Rahman zu stande, in dem dieser sich zur Verfolgung Abd el-Kaders verpflichtete. Dennoch fiel letzterer 1845 abermals in A. ein und stachelte aufs neue die Kabylenstämme zu Aufständen an, die nur unter blutigen Kämpfen und durch die unermüdliche Thätigkeit der sog. "afrikanischen" Generale (Lamoricière, Cavaignac, Changarnier, Pélissier, Bedeau, Saint-Arnaud, Bosquet, Jussuff u. s. w.) niedergeschlagen werden konnten. Während dieses kleinen Krieges suchte Bugeaud und seine Nachfolger Bedeau und der Herzog von Aumale die franz. Herrschaft im Innern zu befestigen. Am 1. Sept. trat neben das Militärregiment in jeder der drei Provinzen (Algier, Oran und Konstantine) eine Civildirektion mit einem Beirat unter Vorsitz des Direktors. Der östl. Teil der Kolonie kam in dieser Zeit fast ganz zur Ruhe, während die südl. Grenzen durch Streifzüge über das Gebirge hinaus ausgedehnt wurden. Abd el-Kader, in Marokko selbst von den Truppen des Sultans bekämpft, mußte sich im Dez. 1847 mit dem Rest seiner Streiter auf franz. Gebiet flüchten und dort 22. Dez. ergeben. Er wurde nach Frankreich gebracht.

Die Februarrevolution von 1848 lähmte für einige Zeit in A. die weitere Entwicklung der franz. Herrschaft. General Cavaignac (s. d.), seit 28. Febr. 1848 Generalgouvorneur von A., hielt die zum Abfall geneigten Stämme mit Erfolg nieder. Unter dem Generalgouvernement Pélissiers (seit Mai 1851) wurde dem General Saint-Arnaud das Kommando gegen die Zuaven (s. d.) in Großkabylien übertragen, der in einem kurzen Feldzuge (26 Gefechte) seine Aufgabe löste. Im Oktober brach ein neuer Aufstand aus, den Pélissier durch Verbrennen von 29 Dörfern dämpfte. Nach dem Staatsstreiche vom 2. Dez. sandte Ludwig Napoleon den General Randon nach A., der die Kolonie vom 11. Dez. 1851 bis 31. Aug. 1858 verwaltete und sich um die Befestigung und Ausdehnung der franz. Herrschaft große Verdienste erwarb. Im Dez. 1852 nahmen Pélissier und Jussuff die Oase Laghuat im Süden A.s in Besitz, während sich fast um dieselbe Zeit im äußersten Süden der mächtige Stamm der Beni Msab unter franz. Schutz stellte. Die Jahre 1853 und 1854 füllten Expeditionen gegen die Kabylen aus. Ein Feldzug, 1854 von Laghuat aus gegen aufständische Araber im Süden unternommen, hatte die Unterwerfung der Oasenlandschaften von Tugurt und Wadi Suf zur Folge. Die nächsten Jahre dehnten die franz. Oberherrlichkeit auch über die Ulad Sidi Scheich und die Oase Wargla ans. Die Franzosen gewannen seitdem einen gewissen Einfluß auf die Tuaregstämme im nördl. Teile der mittlern Sahara und öffneten sich damit die Straßen für den Handel nach dem Innern Afrikas. Daher wurden auch im Auftrage der franz. Regierung die angrenzenden Gebiete der Sahara (s. Duveyrier) gründlich erforscht und wiederholte Versuche eingeleitet, Karawanenverbindungen mit Timbuktu und dem Senegal herzustellen. Eine großartige Expedition unter Randon gegen die Stämme Großkabyliens führte 1856 und 1857 zu deren völliger Unterwerfung. Durch die Dekrete vom 24. Juni und 31. Aug. 1858 wurde A. unter ein besonderes Ministerium gestellt, dessen Chef Prinz Napoleon, seit 24. März 1859 der Graf von Chasseloup-Laubat wurde. Am 11. Dez. 1860 hob aber Napoleon III. dies Ministerium wieder auf und ersetzte es durch ein absolut gebietendes Generalgouvernement, das Marschall Pélissier erhielt. Diesem wurden ein Vicegouverneur, ein Generaldirektor für Civilsachen, ein Ministerium für Justiz-, Schul- und Kultusangelegenheiten und ein Staatsrat von 30 Mitgliedern beigegeben.

Mit Ausnahme einiger unbedeutenden Aufstände unter den Eingeborenen genoß nun A. völliger Ruhe bis zum Jahre 1864. Im Anfang dieses Jahres brach aber wegen der Verurteilung eines angesehenen Arabers zu Stockstreichen bei dem Stamme der Ulad Sidi im Süden von Oran ein Aufstand aus, doch hatten noch vor Ende des Jahre ^[richtig: Jahres] 1864 die meisten Stämme ihre Unterwerfung angekündigt. Während dieser Vorgänge war im Mai Pélissier gestorben und Marschall Mac-Mahon im September an seine Stelle getreten. Im Mai 1865 besuchte Napoleon III. A. und erließ eine Proklamation an die Araber, in der er die Aufrechterhaltung ihrer Nationalität und ihres Grundbesitzes versprach. Die Araber erblickten darin nur ein Zeichen der Schwäche und Unfähigkeit der franz. Regierung, und 1865 brach ein Aufstand in der Provinz Oran aus. Im Okt. 1865 und im März 1866 fiel Si-Hamed ibn Hazam über die den Franzosen treu gebliebenen Stämme her, wurde aber beide Male zurückgedrängt. Anfang 1867 schlugen die Franzosen die Araber bei Goléa