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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Amnestie - Amorbach

Gedächtnisschwäche (s. d.) im engern Sinne (das Nichtzustandekommen von Gedächtnisbildern), und für die Unfähigkeit, in das Gedächtnis aufgenommene Eindrücke in das Bewußtsein zurückzurufen, Erinnerungsschwäche (s. d.) im engern Sinne (das Vergessen von früher Gewußtem).

Amnestie (vom grch. amnēsteia, das Vergessen, besondere eines erlittenen Unrechts), diejenige Verfügung der Staatsregierung oder des Souveräns, wonach für ganze Kategorien von strafbaren Handlungen das Strafverfahren eingestellt oder nicht eingeleitet werden soll (s. Begnadigung). Die A. ist bald eine allgemeinere und unbedingte, bald eine beschränktere und bedingte. Ihre vorzüglichste Bedeutung hat die A. für politische, in hochgesteigerten Parteikämpfen um und über die Staatsgewalt begangene Vergehen, indem sie dazu dienen soll, solche Kämpfe abzuschließen und den Staat wieder in einen normalen Zustand zu versetzen (politische A.). Sie enthält dann ein gewisses Zugeständnis, daß auch die, welche das bestehende Recht angegriffen und verletzt haben, in gutem Glauben an innere Berechtigung gewesen seien, oder doch billige Rücksichten und das allgemeine Friedensinteresse eine strafrichterliche Verfolgung als ungeeignet erscheinen lassen. Daher ist die Amnestieklausel ein gewöhnlicher Bestandteil der Friedensverträge nach einem Kriege. Doch kommen A. auch bei besonders wichtigen Begebenheiten vor, zu denen in Monarchien Thronwechsel und gewisse freudige Ereignisse in dem regierenden Hause, z. B. Vermählung des Souveräns, Geburt eines Thronfolgers u. s. w., gezählt werden. Solche A. pflegen auch für geringere gemeine Vergehen, Defraudationen u. s. w. gewährt zu werden; doch ist man damit in neuerer Zeit viel sparsamer geworden. Zuweilen werden aber gerade solche freudige Vorkommnisse benutzt, um eine politische A. zu erteilen. Die für die polit. Entwicklung Deutschlands wichtigste A. enthält der Westfälische Friede, Art. 2 fg. Im neuen Deutschen Reiche steht das Recht, A. zu erteilen, nicht dem Reiche selbst, sondern nur den Einzelstaaten zu, ausgenommen A. in Friedensverträgen.

Amnĭon (grch.), Schafhaut, die besondere Hüllenhaut, welche der Embryo der höhern Wirbeltiere (Reptilien, Vögel und Säugetiere, die daher auch als Amnioten den andern Wirbeltieren gegenübergestellt werden) während seiner Entwicklung im Ei um sich bildet, geht, ursprünglich sehr zart, aus den Rändern der Frucht hervor) welche sich faltenartig emporheben, besonders am Vorder- und Hinterende (Kopf- und Schwanzkappe des Embryo) und schließlich über dem Rücken zusammenwachsend einen mit Eiweiß enthaltender Flüssigkeit (s. Fruchtwasser) gefüllten Sack bilden. Bei der Geburt wird das A. blasenförmig vorgetrieben und meist zuletzt gesprengt, so daß die Flüssigkeit sich ergießt («die Wasser springen»); sonst wird das Kind im Sacke geboren.

Amnĭossäure, s. Allantoin.

Amniōta, gemeinsame Bezeichnung der drei höhern Klassen der Wirbeltiere (s. d. und Amnion).

Amöbäisch (grch.), wechselnd, abwechselnd; amöbäisches Gedicht, Amöbäum, Wechselgesang, ursprünglich Improvisationen sicil. Hirten, die hauptsächlich durch Theokrits Idyllen und Vergils Eklogen zur Litteraturgattung erhoben wurden.

Amöben, s. Kammerlinge.

Amok, Amoklaufen, malaiisch meng-âmok, d. h. in blinder Wut angreifen und töten. Bei den malaiischen Bewohnern des Indischen Archipels entwickelt sich, wenn sie durch Eifersucht, Zorn und andere Affekte in höchste psychische Aufregung geraten, häufig und fast immer ganz plötzlich eine eigentümliche, sich durch Mordsucht charakterisierende, die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Geistesstörung. Im Malaiischen besteht für diesen Zustand der Ausdruck «mâta glap» = verdunkeltes Auge, d. h. es wurde dem Betreffenden dunkel vor den Augen, er geriet in blinde Wut. Die von dieser Wut Befallenen ziehen den Kris (Dolch), springen auf und stoßen im Laufe einen jeden, der für sie erreichbar ist, schonungslos nieder. Alle Amokläufer gelten für vogelfrei, und es ist erlaubt, sie auf der Stelle zu töten. – Vgl. E. Metzger, Einiges über A. und Mataglap (im «Globus», 1887).

Amokebit, s. Amerikanische Rasse (S. 527 a).

Amol oder Amul, Stadt in der pers. Provinz Masenderan, von mehrern Armen des Heraz durchströmt, der in der Nähe aus den Bergschluchten tritt und gegen Norden in den Kaspischen See fließt, hat 10000 E., gute Bazare, eine Brücke von 12 Bogen, viele Grabhügel, pers. Altertümer und das Grabmal des hier 1378 gestorbenen Mir Burzuk oder Sejid Kuwameddin, der über A. und Sari herrschte und als Heiliger verehrt wurde; der Handel ist unbedeutend. Ein untergeordneter Handelsweg führt von hier nach Teheran. In den Gebirgen der Umgegend sind Eisenminen.

A-moll (ital. la minore; frz. la. mineur; engl. a minor), die erste der 12 Molltonarten; sie besteht in ihrer abwärts steigenden Tonleiter aus lauter ursprünglichen Tönen, hat also, wie die parallele Durtonart, C-dur, keine Vorzeichnung. Dreiklang a c e. (S. Ton und Tonarten.)

Amollieren (frz.), erweichen, verweichlichen.

Amōmum L., Pflanzengattung aus der Familie der Zingiberaceen (s. d.) mit gegen 50 Arten in den Tropen der Alten Welt; krautartige Gewächse mit dickem, meist kriechendem Rhizom. Von einigen Arten kommen die Samenkörner als Gewürz in den Handel, so die von A. Melegueta Rosc. und A. granum paradisi Afzel., beide an der Westküste Afrikas einheimisch. Sie liefern die scharf aromatisch und pfefferartig schmeckenden Paradieskörner (Grana Paradisi), die auch als Melegueta-, Mallaguetta-, Malaghetta- oder Maniguettapfeffer (Piper Melegueta) in den Handel kommen und, früher offizinell, jetzt nur als Gewürz dienen.

Amon, ägypt. Gott, s. Ammon.

Amön (lat.), anmutig; Amönität, Anmut.

Àmonaise (frz., spr. ähs’), eigentlich «zu meinem Behagen», behaglich (z. B. ich fühle mich hier à mon aise; dagegen 3. Pers.: er fühlt sich à son aise).

Amöneburg, Stadt im Kreis Kirchhain des preuß. Reg.-Bez. Cassel, 11 km östlich von Marburg, an der zur Lahn fließenden Ohm auf einem Basaltkegel (363 m), Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Marburg), hat (1890) 943 E., darunter 79 Evangelische und 42 Israeliten, Postagentur, Fernsprechverbindung, got. Kirche mit Holzschnitzereien, 1870 an Stelle der von Bonifatius gegründeten erbaut, Schloßruine und Überreste der Festung. Das von Bonifatius gegründete Benediktinerkloster Amana oder Amanaburg wurde 1360 in ein Kollegiatstift verwandelt.

Amor, s. Eros.

Amorbach, Stadt im Bezirksamt Miltenberg des bayr. Reg.-Bez. Unterfranken, im Odenwald, an der links zum Main gehenden Mudau und der Linie