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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Anfechtung

verschiedenartige Regelung erfahren. Im Falle der nachfolgenden Geburt eines Noterben tritt im Gemeinen Rechte Nichtigkeit ein, während die irrtümliche Übergehung so geregelt ist, daß der Übergangene als Miterbe eintritt, die Erbeinsetzung eines Fremden (extraneus) aber beseitigt wird. Der Code civil behandelt den Fall von dem Gesichtspunkte des Noterbenrechts. Das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 2600, 2601 giebt dem Übergangenen eine A., soweit er im Pflichtteile verletzt ist, im Falle späterer Geburt oder späterer Entstehung seines Rechts Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil. - Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §§. 776 fg. nimmt eine besondere Stellung ein. Das Preuß. Allg. Landrecht legt Gewicht darauf, ob der Erblasser noch ein Jahr seit der Geburt des übergangenen oder nach erlangter Kenntnis von dessen Vorhandensein gelebt hat und stirbt, ohne seine Verfügung geändert zu haben. Stirbt er vor Ablauf der Frist, so ist die ganze Verfügung hinfällig, andernfalls erhält der Ubergangene so viel wie der letztwillig Mindestbedachte, II, 2, §§. 450-455; II, 1, §. 444; I, 12, §§. 601, 647. - Wegen des Deutschen Entwurfs vgl. dessen §§. 1780 fg., Motive V, 47 fg. b. Die A. der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft. Das Gemeine Recht giebt gegen die erzwungene Annahme der Erbschaft Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, im Falle des Betruges wird eine A. für nicht zulässig gehalten. In Ansehung der Ausschlagung wird Nichtigkeit behauptet, falls nur der Ausschlagende nicht an die Wirksamkeit glaubt oder die Wirksamkeit bezweifelt. Die neuern Gesetze schweigen zumeist über die A. Soweit sie ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Erklärung bestimmen, wird von manchen gefolgert, die A. auch wegen Zwanges und Betruges sei ausgeschlossen. - Wegen des Deutschen Entwurfs vgl. dessen §§. 2040, 2041, Motive V, 510 fg. c. Die A. wegen Erbunwürdigkeit. Nach Gemeinem Rechte verliert der Erbunwürdige nur die Vorteile der Erbschaft, welche ihm entrissen werden; er bleibt Erbe. Ihm folgen die meisten neuern Rechte, wenngleich in manchen Beziehungen abweichend, auch unter sich verschieden. Vgl. z. B. Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 2280, 2278 mit §§. 2259, 2261, andererseits Preuß. Allg. Landr. I, 12, §§. 599 fg. (im Falle des §. 599 wird noch Verlust des Vorteils ohne A. angenommen, sogar in Ansehung des gesetzlichen Erbteils, Reichsgerichtsentscheidung, Bd. IX, S. 285). Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §§. 540-543, 819 nimmt insofern eine abweichende Stellung ein, als mit Ausnahme eines Falles (wiederheiratende Witwe) der Verlust des Rechts kraft des Gesetzes eintritt; ihm schließt sich das württemb. Gesetz vom 5. Sept. 1839 an in Ansehung derjenigen, welche wegen gewisser Verbrechen durch den Strafrichter verurteilt sind. Nach dem Code civil Art. 727-729, 1046, 1047 gestaltet sich das Verhältnis ähnlich wie bei der Ausschlagung der Erbschaft. - Der Deutsche Entwurf giebt eine A., §§. 2046 fg., Motive V, 520 fg., dagegen tritt bei dem Vermächtnisse Wirkung kraft des Gesetzes ein, §. 1874, Motive V, 189. d. Die A. des Verzichts auf das Inventarrecht. Soweit das geltende Recht einen solchen Verzicht kennt, wird dasselbe gelten müssen, was unter d. gesagt ist. e. Die A. pflichtwidriger Schenkungen, s. Pflichtwidrige Schenkung. f. Die A. von Rechtshandlungen des Erben durch dessen Gläubiger, insbesondere A. der Ausschlagung desselben oder seines Verzichtes auf das Inventarrecht durch die Konkursgläubiger. Nach Gemeinem Rechte wird angenommen, eine solche A. sei nicht zulässig; auch für das Sächs. Bürgerl. Gesetzbuch leugnet Siebenhaar im Kommentar zum §. 2333 die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger. Der Bayrische Codex judicarius c. 20, §. 17, Nr. 2 gewährte den Erbengläubigern ein Absonderungsrecht im Konkurse wie außerhalb desselben, falls der Erbe gegen das ausdrückliche Verlangen der Gläubiger die Inventaraufnahme unterlassen hat. Das Preuß. Allg. Landr. I, 16, §§. 507-511 und die Konkursordn. von 1855, §. 37 gewähren einen Schutz durch ein gewisses Absonderungsrecht. Diese Vorschriften sind jedoch durch die Deutsche Konkursordnung beseitigt. Die Motive der letztern zum §. 43, S. 223 verweisen die Erbengläubiger auf die A. der unbedingten Erbschaftsübernahme. Wegen des Code civil (vgl. Art. 1167) bestehen Zweifel; für den Fall der Ausschlagung der Erbschaft giebt jedoch Art. 788 den Gläubigern des Erben ein dort näher geregeltes Recht. g. Die A. der letztwilligen Verfügung auf Grund der Verletzung des Pflichtteils durch zu geringe Zuwendung an den Pflichtteilberechtigten (s. Pflichtteil).

Um eine Rechtshilfe ganz besonderer Art handelt es sich bei der A. im engern Sinne, durch welche der Verkürzung der Gläubiger entgegengetreten werden soll. Infolge dieser A. wird gewissen Rechtshandlungen ihre Wirkung gegenüber allen Gläubigern oder doch einem bestimmten Gläubiger entzogen und wird derjenige, der infolge, der anfechtbaren Handlung einen Vorteil erlangt hat, zur Herausgabe ("Rückgewähr") desjenigen verpflichtet, was durch diese Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Durch eine erfolgreiche A. dieser Art wird die Gültigkeit der angefochtenen Handlung nicht berührt. Diese behält für das Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem andern Vertragschließenden (dem Empfänger der Leistung), gegen den sich die A. richtet und der deshalb auch als Anfechtungsgegner bezeichnet wird, sowie im Verhältnis zu dritten Personen ihre Kraft. Nur insoweit wird der anfechtbaren Handlung die rechtliche Wirkung entzogen, als sie dem Konkursverwalter und dem einzelnen Gläubiger, der eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben will, nicht entgegengehalten werden darf, also auch die Befriedigung der Gläubiger nicht verhindern kann. Der Schwerpunkt der Einrichtung liegt in dem aus der erfolgreichen A. entspringenden (obligatorischen) Anspruch auf Rückgewähr, d. h. auf Herausgabe der Gegenstände, welche aus dem Vermögen des Schuldners herausgekommen sind, an deren Stelle, falls diese Gegenstände nicht mehr vorhanden sind, der Ersatz des Wertes tritt. Im Deutschen Reich ist die erwähnte A. durch die Konkursordnung (§§. 22-34) und das Reichsgesetz vom 21. Juli 1879, betr. die A. von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, einheitlich geregelt. Nach beiden Gesetzen ist die A. gestattet, wenn der Schuldner in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt und der Empfänger von dieser Absicht Kenntnis gehabt hat, was in gewissen Fällen bis zum Beweise des Gegenteils anzunehmen ist, ferner, wenn in den letzten Jahren vor der Konkurseröffnung oder der Rechtshängigkeit des Anfechtungsanspruches vom Schuldner eine unentgeltliche Verfügung vorgenommen wurde. Die