Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Antraigues; Antretung der Erbschaft; Antrieb

714

Antraigues - Antrieb

Antragsberechtigt ist der unmittelbar Verletzte; statt desselben, wenn er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder ein Geisteskranker und Taubstummer ist, der Vormund oder der gesetzliche Vertreter; neben demselben, wenn er über 18 Jahre, aber noch minderjährig ist, der gesetzliche Vertreter. Außerdem sind durch besondere gesetzliche Bestimmung zur Antragstellung berufen unter andern Eltern und Vormund der Verführten, Ehemänner und Väter der Beleidigten und Mißhandelten, die amtlichen Vorgesetzten. Mehrere Antragsberechtigungen sind voneinander unabhängig. - Der Strafantrag muß bei einem Gerichte oder bei der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei andern Behörden schriftlich angebracht werden (Strafprozeßordnung §. 156). Stellvertretung in der Erklärung, durch welche der Antrag gestellt wird, ist zulässig; Vertretung im Willen, d. h. in der Entschließung über die Stellung des Antrags wenigstens so weit, als die Wahrnehmung vermögensrechtlicher Interessen in Frage ist, z. B. Gutsverwaltung, Hausadministration. - In dem Antrage braucht die Handlung, deren Verfolgung bezweckt wird, in keiner Weise rechtlich qualifiziert zu sein; eine unrichtige Qualifikation ist unschädlich. Auch der Benennung oder Bezeichnung der zu verfolgenden Person bedarf es nicht. Dagegen muß der Antrag den Willen zum Ausdruck bringen, daß die bezeichnete Handlung strafrechtlich bestraft oder verfolgt werde. Ist das geschehen, so sind Vorbehalte und Beschränkungen wirkungslos; ebenso auflösende Bedingungen (s. d.); aufschiebende Bedingungen führen die Unwirksamkeit herbei. - Die Antragsberechtiguug ist an die Frist von drei Monaten, beginnend mit dem Tage, seit welchem der Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntnis gehabt hat, gebunden. - Der Antrag ist unteilbar. Die Verfolgung findet gegen sämtliche an der That Beteiligte sowie gegen den Begünstiger statt, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen wurde. Die Unteilbarkeit erstreckt sich auch auf die Zurücknahme des Antrags. Die Zurücknahme ist nur statthaft in den oben genannten Fällen der §§. 102, 103, 104, 185-187, 189, 247, 263, 292, 370, und, sofern die Vergehen gegen einen Angehörigen verübt sind, in den Fällen der Körperverletzung und Sachbeschädigung. Zulässig ist die Zurücknahme nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils. - Von den A. verschieden sind diejenigen, deren Verfolgung nur mit Ermächtigung eintritt (so besonders die Beleidigung von Bundesfürsten und -Regenten, von gesetzgebenden Versammlungen und polit. Körperschaften).

Antraigues (spr. angträhg'), Hauptstadt des Kantons A. (159,70 qkm, 11 Gemeinden, 9891 E.) im Arrondissement Privas des franz. Depart. Ardèche, hat (1891) 750, als Gemeinde 1348 E., Post und Telegraph, zahlreiche Mineralquellen, Maulbeerbaumzucht und ist nächst Rochemaure der malerischste Punkt der durch vulkanische Gebilde berühmten Landschaft Vivarais. Überragt von einem alten Schloßturm, liegt A. auf einer 408 m hohen, aus dem Krater (Coupe) des erloschenen Vulkans Aisac geflossenen Basaltmasse, deren Fuß drei reißende Bäche (Bize, Mas, Volane) unterwaschen, von denen der Name A. (Entres aigues; Interaquas) herrührt. A. beherrscht den Eingang eines dreifach geteilten Thalgrundes mit dem 560 m langen, von Basaltsäulen gebildeten Riesenweg (Chaussée de géants).

Antraigues (spr. angträhg'), Emmanuel Louis Henri Delaunay, Graf d', franz. Publizist und Diplomat, geb. um 1755 in Villeneuve de Berg, mußte die militär. Laufbahn wegen eines verweigerten Duells verlassen. Von einer Reise nach der Türkei zurückgekehrt, schrieb er ein freisinniges "Mémoire sur les États-généraux" (1788). Jedoch trat er 1789 als Deputierter für den Erbadel und das königl. Veto ein. Im J. 1790 trat er aus der Versammlung, verließ Frankreich und lebte teils in Wien, teils in Petersburg, immer im Dienste des bourbonischen Königshauses thätig. Auf einer Mission in Italien ließ ihn Bonaparte 1797 in Triest verhaften. In seinem Portefeuille fanden sich Andeutungen einer Beziehung des Generals Pichegru zu dem Prinzen von Condé im J. 1795. Bonaparte stellte diese seinen Freunden im Direktorium zur Verfügung, denen sie beim Staatsstreiche vom 4. Sept. 1797 (18. Fructidor) als Handhabe gegen die Mitdirektoren Carnot und Barthélemy und die konservative Mehrheit der Kammer dienten. A. entkam, wahrscheinlich mit Wissen Bonapartes. Später wurde er zum russ. Staatsrat ernannt und in diplomat. Angelegenheiten nach Dresden geschickt. Hier ward er 1804 auch von dem österr. Minister Cobenzl benutzt, um eine Defensivallianz mit Rußland herbeiführen zu helfen. In Dresden schrieb A. die merkwürdige Schrift gegen Bonaparte: "Fragment du 18e livre de Polybe, trouvé sur le mont Athos", welche die sächs. Regierung zu seiner Entfernung zwang. Nach seiner Rückkehr nach Rußland erlangte er Kenntnis von den geheimen Artikeln des Tilsiter Friedens, ging nach England und teilte sie dem dortigen Ministerium mit, wodurch sein Einfluß so bedeutend wurde, daß Canning in den Frankreich betreffenden Angelegenheiten nichts ohne seine Ratschläge that und ihm eine reiche Pension aussetzte. Trotz seiner Anhänglichkeit und Thätigkeit für die Bourbonen gelang es ihm nicht, das volle Vertrauen Ludwigs XVIII. zu gewinnen. Am 22. Juli 1812 wurde A. mit seiner Gattin, der berühmten Opernsängerin Saint-Huberty in Barne bei London durch seinen Bedienten, einen Italiener, ermordet. - Vgl. Pingaud, Un agent secret sous la révolution et l'empire. Le comte d'A. (Par. 1893).

Antretung der Erbschaft, s. Erbschaftserwerb.

Antrieb, in der Mechanik das Produkt aus einer konstanten Kraft und ihrer Wirkungsdauer. Wirkt eine solche konstante Kraft P während einer Zeit t auf einen ursprünglich ruhenden Körper von der Masse m, so wird der Körper in Bewegung gesetzt und so lange gleichmäßig beschleunigt, als die Kraft P wirkt. Ist die am Ende der Wirkungsdauer t erreichte Geschwindigkeit v, so besteht zunächst die Gleichung v = p·t, worin p die Beschleunigung ist. Multipliziert man auf beiden Seiten mit der Masse m, so bekommt man, da m·p = P ist, die Gleichung P·t = m.v. Das links stehende Produkt aus der Kraft P und ihrer Wirkungsdauer t nennt man den A., und dieser ist immer gleich der durch ihn erzeugten Bewegungsgröße (s. d.), die durch das rechtsstehende Produkt aus Masse m und Endgeschwindigkeit v des Körpers dargestellt wird. Dieser Satz von der Gleichheit des A. und der Bewegungsgröße gilt auch für die gleichmäßig verzögerte Bewegung, so daß eine bestehende Bewegungsgröße m.v eines Körpers durch einen negativen, mit Hemmung gleichbedeutenden A. aufgezehrt wird. Wirken mehrere Kräfte von