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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Atmosphäre

des Erdbodens tragen die Winde organische und unorganische Teilchen in die Höhe, Blütenstaub der Pflanzen, Mikroorganismen und Gesteinsfragmente. Im besondern in den Wüsten werden durch Wirbelwinde oft ungeheure Massen des Wüstensandes in hohe Luftschichten emporgerissen. Die Vulkane senden ihre Aschenregen in die A., und die Brandung des Meers erfüllt die Luft mit kleinen Tröpfchen von Meerwasser, deren jedes, wenn es in der Luft verdunstet, seinen Salzgehalt als festen Kern in der A. zurückläßt; daher die allgemeine Verbreitung des Natriums in der A. Endlich werden der A. auch von außen durch die Verbrennung der Meteore in ihr feste Teilchen zugeführt; ob man es aber bei gewissen kugelförmigen Eisenpartikelchen, die man gelegentlich im Staube bei mikroskopischer Untersuchung gefunden hat, wirklich mit solchem Staube meteorischen Ursprungs, sog. kosmischem Staube zu thun hat, diese Frage ist von verschiedenen Forschern verschieden beantwortet worden. Tissandier hat den Staubgehalt in Paris bestimmt und unter normalen Bedingungen 7,2, nach einem heftigen Regen 6, nach achttägiger Trockenheit 23 mg in 1 cbm Luft gefunden; auf dem Lande unter normalen Bedingungen 0,25, nach längerer Trockenheit 3 und 4,5 mg in 1 cbm. Von dieser atmosphärischen Staubmasse waren 25‒34 Proz. verbrennliche, organische Substanz, 75‒66 Proz. mineralisch. In neuester Zeit hat man erkannt, dass der Staub für die Kondensation des Wasserdampfes in der A. eine große Bedeutung hat. Wie es scheint, findet nämlich diese Kondensation ausschließlich an den Staubteilchen statt, so daß jedem Wassertröpfchen eines Nebels oder einer Wolke ein Staubteilchen, wenn auch nur von außerordentlicher Kleinheit entspricht. Solche Kondensation von Wasser auf dem Staubteilchen kann man künstlich hervorrufen, indem man die Luft mit Wasser in Berührung bringt, bis sie sich mit Wasserdampf gesättigt hat, und sie dann plötzlich etwas verdünnt; durch die Ausdehnung erfährt die Luft eine Abkühlung und infolge der Abkühlung verdichtet sich der Wasserdampf an den in der Luft enthaltenen Staubteilchen in Form eines Nebels. Zählt man dann die in 1 ccm entstandenen Nebeltröpfchen, so stellt diese Zahl zu gleicher Zeit die Anzahl der in 1 ccm der untersuchten Luft enthaltenen Staubteilchen dar. Nach diesem Princip hat in jüngster Zeit J. Aitken die Zahl der Staubteilchen in der A. an verschiedenen Orten gemessen und folgende Werte gefunden: auf Berggipfeln und überhaupt in wenig bewohnten Gebirgen enthält 1 ccm Luft nur wenig mehr als 200 Staubteilchen; in der Nähe von Dörfern steigt ihre Zahl bis auf Tausende, in Städten bis auf Hunderttausende. In geschlossenem, von Gasflammen erhelltem Raume wurden bis zu 3½ Millionen Teilchen im Kubikcentimeter beobachtet. Ein Cigarettenraucher sendet 4000 Millionen Teilchen bei jedem Zuge aus. (S. Staub.)

Die Durchsichtigkeit der A. wird durch die Kondensationsprodukte des Wasserdampfes und die festen Beimengungen vermindert; auch tragen diese, indem sie das Sonnenlicht unregelmäßig reflektieren und zerstreuen, zur allgemeinen Tageshelle bei. Da mit den Niederschlägen auch der Staubgehalt der A. zum Teil mit zu Boden gerissen wird, so üben die Niederschläge eine reinigende Wirkung auf die A. aus; daher die große Klarheit der A. bei schneller Aufklärung nach heftigem Regen. Werden die das Licht reflektierenden Teilchen außerordentlich klein, kleiner als die Wellenlängen des Lichtes selbst, so vermögen sie nicht mehr die Strahlen aller Wellenlängen gleichmäßig zu reflektieren; sondern je kleiner sie werden, um so ausschließlicher werden die Strahlen von kürzerer Wellenlänge, d. h. die blauen und violetten an ihnen diffus reflektiert. In dieser Weise erklärt sich die bläuliche Färbung der sog. trüben Medien, z. B. von Wasser, dem einige Tropfen Milch zugesetzt sind, oder die blaue Farbe des vom glimmenden Ende einer Cigarre aufsteigenden Rauches. Eine Erscheinung von ganz der gleichen Art ist die blaue Farbe des Himmels (s. d.). Daß man es dabei in der That mit einer Art von Reflexion des Lichts zu thun hat, folgt daraus, daß das blaue Himmelslicht ebenso wie das diffuse Licht der trüben Medien in charakteristischer Weise polarisiert ist. Außer dieser Zerstreuung erfahren Lichtstrahlen von gewissen Wellenlängen eine Absorption in der A. Man erkennt dies daran, daß im Sonnenspektrum bei tiefstehender Sonne gewisse dunkle Linien, die bei hochstehender Sonne gar nicht oder nur schwach zu sehen sind, sehr stak hervortreten. Diese Linien bezeichnet man als terrestrische oder atmosphärische Linien. (S. Spektralanalyse.) Über die Brechung der Lichtstrahlen in der A. s. Strahlenbrechung (astronomisch) und Lichterscheinungen.

Diejenigen Sonnenstrahlen, die von der Erdatmosphäre nicht absorbiert oder nach außen zerstreut werden, gelangen zur Erdoberfläche und erwärmen diese. Da nun die A. immerhin den größern Teil der Sonnenstrahlung durchläßt, und außerdem die untern Luftschichten wegen ihrer größern Dichte in höherm Grade als die obern Luftschichten befähigt sind, sich durch Absorption der direkten Sonnenstrahlung oder der Strahlung des Erdbodens zu erwärmen, so wird die Erwärmung der A. im wesentlichen von unten her erfolgen und die Sonnenwärme wird den untersten Luftschichten vorwiegend zu gute kommen. Je senkrechter die Sonnenstrahlen auf die Erdoberfläche auffallen, um so intensiver ist deren Erwärmung und um so höher die Temperatur der darüber liegenden Luftschichten. Daher nimmt die Lufttemperatur vom Äquator nach den Polen hin ab. Die folgende Zusammenstellung enthält die mittlern Jahrestemperaturen jedes 10. Parallelkreises nach Spitaler:

80 70 60 50 40 30 20 10 Äquat.

Nördl Br. -16,5 -9,9 -0,8 5,6 14,0 20,3 25,6 26,4 25,9

Südl. Br. - - 0,2 5,9 11,8 18,5 22,7 25,0

Außer von dem Einfallswinkel der Sonnenstrahlen ist die Erwärmung der Erdoberfläche und damit die Lufttemperatur in hohem Grade von der Beschaffenheit der Oberfläche abhängig; vor allem kommt der Unterschied von Land- und Wasserflächen in Betracht. Landflächen erwärmen sich stärker durch die Einstrahlung und kühlen sich auch umgekehrt durch Ausstrahlung stärker ab als Wasserflächen. Daher zeigen sowohl die mittlern Jahrestemperaturen wie die täglichen und jährlichen Temperaturschwankungen auch für Orte desselben Breitenkreises große Verschiedenheiten. (S. Lufttemperatur, Kontinentalklima, Seeklima.) Daraus erklärt sich auch, daß in der obigen Tabelle die mittlern Jahrestemperaturen für die südl. Breitenkreise etwas kleiner sind als für die gleichen nördlichen; denn auf der südl. Halb-^[folgende Seite]