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Auflösende Bedingung – Aufmarsch
Auflösende Bedingung oder Zeitbestimmung liegt vor, wenn mit Eintritt eines bis dahin ungewissen Ereignisses
oder mit Eintritt eines im voraus bestimmten Zeitpunktes ein in einem Vertrage oder Letzten Willen eingeräumtes Recht oder Verpflichtung aufhört. Ist der Witwe,
solange sie unverheiratet bleibt, ein Nießbrauch eingeräumt, so tritt mit ihrer Wiederverheiratung die ihren Nießbrauch auflösende Bedingung in Kraft; ist ihr
schlechthin eine Leibrente ausgesetzt, so tritt mit ihrem Tode die auflösende Zeitbestimmung in Kraft.
Auflösung. Nach dem neuern Staatsrecht können Körperschaften, die ganz oder zum Teil aus gewählten
Vertretern des Volks, der Gemeindebürger u.s.w. zusammengesetzt sind, vor Ablauf der Wahlperiode von den zuständigen Gewalten aufgelöst werden, so daß Neuwahlen
erforderlich werden. Zur A. des Deutschen Reichstags ist ein Beschluß des Bundesrats unter Zustimmung des Kaisers erforderlich
(Art. 24 der Reichsverfassung). In solchem Fall müssen die Neuwahlen verfassungsmäßig innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen stattfinden, der neue Reichstag muß
innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen versammelt sein (Art. 25). Die Neuwahlen erfolgen für eine volle Wahlperiode. Der einmal aufgelöste Reichstag kann
inzwischen nicht wieder einberufen werden. In den Einzelstaaten hat der Monarch das Recht, den Landtag aufzulösen. Der Kaiser kann den Landesausschuß von
Elsaß-Lothringen auflösen, ebenso die dortigen Bezirkstage, Kreistage und Municipalräte. Ähnliche Bestimmungen bestehen über die A. von Kreistagen, Distriktsräten
oder Landesräten sowie von Stadtverordnetenversammlungen und Gemeinderäten in den einzelnen deutschen Staaten. Außerhalb Preußens haben vielfach die
Verwaltungsbehörden die Befugnis, polit. Vereine und Glieder der öffentlichen Sicherheit wegen aufzulösen; in Preußen ist nach
dem Vereinsgesetz nur eine vorläufige Schließung, vorbehältlich der Entscheidung des Richters erlaubt, wenn ein Verein dem Vereinsgesetz nicht entspricht. Polit.
Versammlungen dürfen von dem anwesenden Polizeibeamten aufgelöst werden, wenn in denselben Gesetzwidrigkeiten vorkommen. Über
die A. der Offenen Handelsgesellschaft und anderer Verbindungen s. die betreffenden Artikel.
In der Metrik ist A. die Vertretung einer Länge durch zwei Kürzen. Der antiken Metrik sehr geläufig, war sie auch in der
altdeutschen allitterierenden Langzeile wie im mittelhochdeutschen Reimvers statthaft; nur mußte, da im deutschen Vers der auflösbaren Länge antiker Verse die
Hebung entspricht, die erste der beiden auflösenden Silben kurz und betont, die zweite unbetont sein. Auch Senkungen sind im altdeutschen Vers auflösbar, d.h. sie
können aus zwei ganz schwachen unbetonten Silben bestehen. Manche sagen mit Lachmann statt A. Verschleifung. – In der
Musik bedeutet A. das Fortschreiten der Intervalle eines Accords von der Dissonanz zur Konsonanz. In der ältern Vokalmusik,
besonders im a capella-Stil, erfolgt die A. stufenweise, je nach Art der dissonierenden Intervalle eine Stufe auf- oder
abwärts. Die reguläre A. ist die, wo die Dissonanz, im schlechten Taktteil vorbereitet, auch im schlechten Taktteil wieder aufgelöst wird; die irreguläre, wo die
im Durchgang gebrauchte Dissonanz auf der guten Taktzeit ↔ ihre A. findet. Die neuern Komponisten erklären vielfach die Vorbereitung der
Dissonanzen überhaupt für unnötig. In der Notenschrift nennt man A. die durch das Auflösungszeichen ♮ bewirkte Aufhebung der
Wirkung eines ♯ oder ♭. – In der Poesie, so im Roman und besonders im Drama, ist die A. (in der franz. Theatersprache
dénouement) der mit der Katastrophe (s. d.) eintretende letzte Teil der Handlung, der die bis dahin
gesteigerten Verwicklungen klärt und die Entscheidung bringt. Die A. muß, soll sie ästhetisch und psychologisch zu rechtfertigen sein, notwendig und naturgemäß
entstehen, ohne sich genau vorhersehen zu lassen, folgerichtig aus den frühern Vorgängen erwachsen, ohne daß Leser oder Hörer durch peinliche Vorbereitungen
ermüden. Sonst treten unmotivierte Effekte (s. d.) und coups de théâtre ein, die nur die
urteilslose Menge befriedigen. Die griech. Dramatiker führten mitunter die A. durch Dazwischenkunft eines Gottes (s.
Deus ex machina) herbei. – A. in der Chemie, s. Lösung.
Aufmachung, die Aufstellung der Schadenberechnung bei Seeversicherungen, s. Dispache.
Aufmachung, bei Waren die äußere Ausstattung, die einzelnen oder mehrern Stücken einer Ware oder deren Mustern beigefügt wird, um
dieselben in möglichst vorteilhafter Gestalt dem Abnehmer vorlegen oder in Schaufenstern, Musterlagern u.s.w. zur Ausstellung bringen zu können. Bei der Auswahl
der zur A. zu verwendenden Zuthaten (farbige Bänder, Papier, Bilder, Schachteln, Sammetunterlagen u.dgl.) ist die Geschmacksrichtung und die Gewöhnung des in
Betracht kommenden Abnehmerkreises zu berücksichtigen. Die A. wechselt deshalb je nach der Mode und zeigt in den verschiedenen Gegenden und zu verschiedenen
Zeiten große Abweichungen. Für den Absatz ist die A. von erheblicher Bedeutung. Insbesondere ist beim Verkehr mit auswärtigen Absatzgebieten auf eine der
jeweiligen Geschmacksrichtung möglichst entsprechende A. Bedacht zu nehmen. In China und Japan, in Kleinasien, in Südafrika, Brasilien, Columbia, Neusüdwales
u.s.w. spielt die A. eine so große Rolle, daß oft eine bessere Ware hinter einer schlechtern lediglich wegen der geschicktern A. der letztern zurückgesetzt wird.
Die Franzosen und Engländer haben sich in dieser Hinsicht sehr ausgezeichnet, und die engl. Industrie verdankt namentlich in den asiat. Staaten einen großen Teil
ihrer Erfolge der ins Auge fallenden, die Käufer anlockenden A. Die deutsche Industrie hat früher auf die äußere Ausstattung nicht besonderes Gewicht gelegt, ist
aber in den letzten Jahren – namentlich infolge der Anforderungen überseeischer Absatzgebiete – mehr und mehr bemüht gewesen, eine geschmackvolle, gefällige und
den Gewohnheiten der Kundenkreise angepaßte A. durchzuführen.
Aufmarsch, eine Bewegung der Elementartaktik, durch die sich hintereinander befindliche Abteilungen in Front nebeneinander setzen. Durch
den A. kann sowohl der Übergang aus einer Kolonne zur Linie bewirkt werden, als auch der Übergang einer Kolonne mit schmaler Front in eine solche mit breiterer
Front. Eine besondere Art des A. ist das Deployieren (s. d.); sein Gegensatz das Abbrechen (s. d.). – Im weitern Sinne wird
jede Entwicklung
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 94.