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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bailli; Baillie; Baillière ; Baillot

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Bailli - Baillot

die Bewegung von 1789 ausbrach. Durch diese inaktiv geworden, ließ er sich in Havre zum Mitglied des Konvents wählen. Im Prozeß des Königs stimmte er für die Berufung ans Volk und erklärte sich gegen die Verdammung der Girondisten. So entging auch er nicht dem Fanatismus der Radikalen, ward auf der Flucht in Provinz festgehalten, und nur der Sturz der Bergpartei brachte ihm die Freiheit. Wieder in den Konvent getreten, eiferte er gegen die Jakobiner und führte mit Fréron die Jeunesse dorée (s. d.) an. Später in dem Rate der Fünfhundert trat er hervor als Gegner der Royalisten und eifriger Verteidiger des Direktoriums, auch Bonapartes; 1799-1803 war er Mitglied des Tribunats, nahm dann seine advokatorische Praxis auf und leitete seit 1810 das oppositionelle Journal «Le Constitutionnel». Er starb 10. März 1843 in Paris.

Bailli (frz., spr. băjih; engl. Bailiff; mittellat. Ballivus; ital. Balio; grch. Bajulos), ursprünglich soviel wie Pfleger, Vormund, dann Aufseher, Vorsteher. Am Kaiserhofe zu Konstantinopel hieß der Oberaufseher der Prinzen Bajulos. Denselben Titel führte hier auch der Handelskonsul der fremden Kaufleute, den die Venetianer zu ernennen hatten; von diesem ging wohl der Titel Balio, Bailo auf den venet. Gesandten daselbst über. Durch den Johanniterorden verbreitete sich der Name Ballivus auch nach dem südl. und westl. Europa. Die 8 Mitglieder des Kapitels dieses Ordens hießen Ballivi conventuales, was dann wieder bei den Gütereinteilungen des Ordens in Kreise den Namen Ballei (s. d.) veranlaßte. In Frankreich waren die königlichen B. seit etwa 1180 Richter des ihnen anvertrauten Stadt- und Landbezirks, hatten die königl. Einkünfte einzutreiben und abzuführen und den Heerbann zu versammeln. Sie wurden 1770 ihrer Funktionen enthoben und durch die Tribunaux de première instance ersetzt. Über den engl. Bailiff s. d.

Vgl. von Kap-Herr, Bajulus, Podestè, Consules, in Quiddes «Deutscher Zeitschrift für Geschichtswissenschaft», Bd. 5 (Freib. i. Br. 1891).

Baillie (spr. behli), Joanna, engl. Dichterin, geb. 11. Sept. 1702 zu Bothwell bei Glasgow, Schwester des folgenden, lebte zu Hampstead bei London und starb daselbst 23. Febr. 1851. Ihr erstes anonymes Werk «A series of plays in which it is attempted to delineate the stronger passions of the mind, each passion being the subject of a tragedy and a comedy» (Lond. 1798), das schnell beliebt wurde (deutsch als «Die Leidenschaften» von (C. F. Cramer, 3 Bde., Amsterd. und Lpz. 1806), verriet einen eher zum Reflektieren als zum Empfinden und dichterischen Bilden angelegten Geist. Dennoch erregte das Werk Aufsehen, und so ließ sie 1802 einen 2., 1812 einen 3. Band (Gesamtausg. 1821), dann «Miscellaneous plays» (1804), eine Reih von meist schon einzeln erschienenen «Dramas»(3 Bde., 1830) folgen; man faßt sie gewöhnlich unter den Namen «Plays on the Passions» zusammen «Fugitive verses», ihr letztes und reifstes Werk, erschienen 1840; auch veranstaltete sie u. a. 1823 «A collection of poems, chiefly manuscript, and from living authors»; ihre «Metrical legends of exalted character» (1821) sind Scott nachgeahmt. Mit ihm, F. Hemans und Catharine Fanshaw gab sie 1823 «Poetic miscellanies» heraus, allein 1831 den in positivgläubigem Sinne geschriebenen «View of the general tenour of the New Testament». In den letzten Lebenswochen sammelte sie ihre «Dramatical and poetical works» (Lond. 1851; 2. Ausg. 1853). Einen schönen Ruf («Lady Bontiful») genoß sie durch rastlose Armenpflege.

Vgl. Miß Thackeray, Book of Sibyls (1883), und Hel. Drustowitz, Drei engl. Dichterinnen (Berl. 1885), Nr. 1.

Baillie (spr. behli), Matthew, engl. Arzt und Anatom, geb. 27. Okt. 1701 zu Shotts in der schott. Grafschaft Lanark, studierte in London Medizin und wurde bereits in seinem 20. Jahre als Demonstrator der Anatomie angestellt. Er eröffnete 1785 mit Cruiksbank den ersten anatom. Kursus, ward 1787 Arzt am St. Georgehospital und starb 23. Sept. 1823. Er schrieb: «The morbid human anatomy of some of the most important parts of the human body» (Lond. 1793: deutsch von Hohnbaum, Berl. 1820), «A series of engravings to illustrate the morbid anatomy of the human body» (10 Hefte, Lond. 1799-1812), «Lectures and observations on medicine» (ebd. 1825). Wardrop gab «The works of Mr. B.» (2 Bde., ebd. 1825; deutsch von Leukfeld, Halberst. 1829) heraus.

Baillière & Fils, J. B. (spr. băjähr e fihß), Verlagsbuchhandlung in Paris, gegründet 1818 von Joseph Baptiste Marie B., geb. 20. Nov. 1797 in Beauvais (Depart. Oise), gest. 8. Nov. 1885. Die Nachfolger sind seine Söhne Emil B., geb. 7. Nov. 1831 in Paris, Teilhaber des Geschäfts seit 1857, und Henri B., geb. 13.Sept. 1840, Teilhaber seit 1803, denen 1886 ein Sohn Emils, Albert B., geb. 28. März 1860, als Teilhaber beitrat. Die Unternehmungen des Hauses waren von Anfang an der Medizin gewidmet und umfassen in allen Zweigen derselben eine Menge von Monographien, Lehr-, Handbüchern und encyklopädischen Werken, insbesondere «Dictionnaire de médicine et de chirurgie pratiques», hg. von Jaccoud (40 Bde., 1864-86), Littré, «Dictionnaire de médicine» (bis 1887 16 Aufl. in 150000 Exempl.), «Encyclopédie internationale de chirurgie» (7 Bde., 1888), Ausgaben der Werte des Hippokrates, Galenus, Oribasius, Rufus von Ephesus, Ambroise Paré. Daneben gehen bedeutende Werke aus der Anthropologie (Quatrefages, «Crania ethnica»), Zoologie (Ferussac und Deshayes, «Histoire naturelle de mollusques»; Temminck und Laugier, «Planches coloriées des oiseaux»; Brehm, «Les merveilles de la nature» u. a.), Botanik, Physik, Chemie, Technik (Lefevre, «Dictionnaire d'électricité et de magnétisme», 1891), populärwissenschaftliche Unternehmungen, wie «Bibliothèque scientifique contemporaine» (Bd. 1-125, 1886 fg.) mit Beiträgen von Gaudry, Duclaur, A. Gautier, Ch. Bouchard, Claude Bernard, Sicard, Edm. Perrier u. a. und «Bibliothèque des conaissances utiles» (Bd. 1-35, 1887 fg.). Das Haus betreibt auf dem Gebiete der Medizin und Naturwissenschaften auch Sortiments und Antiquariatsgeschäfte.

Baillot (spr.băjoh), Pierre, franz. Violinspieler, geb. 1. Okt. 1771 zu Passy bei Paris, bildete sich in Paris und Rom aus und ging 1791 nach Paris, wo er bis zu seinem Tode (15. Sept. 1842) angesehene Stellungen als Konzertmeister und Lehrer innehatte und sich auch als Solospieler einen großen, vom Auslande bestätigten Ruf erwarb. Mit Kreutzer und Rode gemeinsam bildete B. das Haupt jener berühmten Pariser Geigerschule, die die Talente aus allen Ländern heranzog und bis heute in ihren Traditionen fortwirkt. B. besonders war es zu