Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Baudissin

502

Baudissin (Familie) - Baudissin (Wolf Heinr., Graf von)

stand B. mit Schiffen bereit, den entthronten Kaiser durch die engl. Kreuzer zu führen. Doch konnte sich Napoleon nicht dazu entschließen. Nach der Restauration in den Ruhestand versetzt, trat B. 1816 in die Handelsmarine, nahm jedoch unter der Juliregierung wieder Dienste. 1838 zum Konteradmiral ernannt, erhielt er den Oberbefehl über das gegen Mexiko bestimmte Geschwader von 23 Schiffen, verhandelte lange vergeblich mit der mexik. Regierung und eröffnete 27. Nov. 1838 das Feuer gegen das Veracruz schützende Fort San Juan d'Ulloa, das sich am andern Tage ergab. Im Jan. 1839 erhielt er den Rang eines Viceadmirals, und 1840 vertraute man ihm eine militär. und diplomat. Sendung nach Buenos-Aires und den Oberbefehl über die Flotte in den Meeren von Südamerika an. 1841 übernahm er das Marineministerium, zog sich aber alsbald zurück und ward fortan Seepräfekt zu Toulon. Nach der Februarrevolution von 1848 erhielt er im März den Oberbefehl über die Flotte im Mittelmeer. In dieser Stellung intervenierte er offiziös 15. Mai in dem Kampfe der Lazzaroni und Truppen gegen das Volk zu Neapel, dann in Sicilien, wo er 18. Sept. mit dem engl. Admiral Messina gegen die Gewaltthätigkeit Filangieris (s. d.) schützte. Nachdem B. im Juli 1849 den Oberbefehl an Parseval-Deschênes abgetreten hatte, zog er sich mit seiner Familie nach Ischia zurück, wo er 7. Juni 1854 starb, kurz vorher zum Admiral ernannt. - Vgl. Jurien de la Gravière, L'Amiral B. (Par. 1888).

Baudissin, alte lausitzsche Familie. In der Lausitz, wo Schmollen und Luppau zu ihren Gütern gehörten, erlosch sie 1682 mit Wolf Siegmund von B. (auf Schmollen). Wolf Heinrich von B., aus dem Hause Luppau (1579-1646), schwed. Feldmarschall, ging nach Holstein, wo er unter die Ritterschaft aufgenommen ward. Sein Enkel, Wolf Heinrich von B., geb. 1. Sept. 1671, gest. 24. Juli 1748, war königlich poln. und kurfürstlich sächs. General der Kavallerie sowie Kabinettsminister und wurde 28. Febr. 1741 im kursächs. Reichsvikariat in den Reichsgrafenstand erhoben. Dessen beide Enkel pflanzten das Geschlecht in Holstein fort. Der eine, Graf Heinrich Friedrich von B. (geb. 1. Dez. 1753, gest. 17. Mai 1818), wirkte als dän. Gesandter am preuß. Hofe, der andere, Karl Ludwig von B. (geb. 21. Aug. 1756, gest. 1. März 1814), war dän. Generallieutenant, Gouverneur von Kopenhagen und Ordensmarschall. Sein Sohn Heinrich August (1793-1834) beerbte seinen Großoheim, den letzten Grafen Zinzendorf in Österreich, und nahm 1816 dessen Namen und Wappen an. Dieser Zweig wird jetzt durch Graf Karl Ludwig von Baudissin-Zinzendorf, geb. 3. März 1862, vertreten. Des Grafen Karl Ludwig Söhne waren der Schriftsteller Graf Wolf Heinr. von B. (s. d.) und der General Graf Otto von B. (s. d.). Die Gemahlin von Heinrich Friedrich, Gräfin Karoline Adelheid von B., geborene Gräfin von Schimmelmann, geb. 21. Jan. 1760 zu Dresden, gest. 17. Jan. 1826, lernte 1791 Herder, dessen innige Freundin sie wurde, in Karlsbad kennen. Einer ihrer Enkel, Graf Ulrich von B., geb. 22. Febr. 1816, gest. 4. Dez. 1893 in Wiesbaden, hat sich als Schriftsteller bekannt gemacht (z. B. durch die Romane: "Ronneburger Mysterien", Stuttg. 1869, und "Das Damenstift", 4 Bde., ebd. 1875: die Lustspiele: "Kleinigkeiten für das Theater", Altona 1863, darin die originelle Posse: "Ein Abenteuer auf der Eisenbahn"): ein anderer, Graf Adalbert von B. (geb. 25. Jan. 1820, gest. 26. März 1871 zu Wiesbaden), war 1849 und 1850 Oberlieutenant in der schlesw.-holstein. Armee und veröffentlichte, außer einer "Geschichte des schlesw.-holstein. Krieges" (Hannov. 1862), novellistische Arbeiten und histor. Romane, z. B. "Christian VII. und sein Hof" (ebd. 1863). Familienhaupt ist Graf Otto von B., geb. 26. Nov. 1864.

Baudissin, Otto Friedr. Magnus, Graf von, schlesw.-holstein. General, geb. 5. Juli 1792 zu Rantzau, trat frühzeitig in die Armee und war bei Erhebung der Herzogtümer 1848 Major im dän. Heere, aus dem er in die schlesw.-holstein. Armee übertrat und die Führung des 3. Linienbataillons übernahm. In dem unglücklichen Gefecht bei Bau 9. April hielt sich B. gegen große Übermacht stundenlang und ermöglichte dadurch den Rückzug der Hauptarmee. Am 23. April 1848 nahm er mit seinem Bataillon teil an der Schlacht von Schleswig und 1849 an der Schlacht von Kolding, wo er den linken Flügel kommandierte und schwer verwundet wurde; trotzdem gab er das Kommando nicht ab und trug wesentlich zum Erfolge des Tages mit bei. 1850 zum Generalmajor befördert, führte er in der Schlacht von Idstedt 25. Juli 1850 den linken Flügel, wurde jedoch abermals bei dem Angriffe auf das Buchholz sehr schwer verwundet. An den weitern Unternehmungen nahm B. nicht mehr teil, lebte nach Auflösung der Armee 1851 in Zurückgezogenheit meist in Hamburg und starb 25. Juni 1865 in Teplitz.

Baudissin, Wolf Heinr., Graf von, Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 30. Jan. 1789 zu Rantzau, trat nach Ablauf seiner Universitätsstudien in den dän. Staatsdienst und war als Legationssekretär 1810-14 in Stockholm, Wien und Paris; Sommer 1813 kam er wegen deutscher Gesinnung ein halbes Jahr auf die Festung Friedrichsort. Später machte B. mehrjährige Reisen nach Italien, Frankreich und Griechenland und hielt sich seit 1827 bis zum Tode (4. April 1878) hauptsächlich in Dresden auf, wo er in ein enges Verhältnis zu Tieck trat und an Schlegel-Tiecks Shakespeare-Übersetzung eifrig teilnahm. "Heinrich VIII.", "Viel Lärmen um Nichts", "Die Widerspenstige", "Die Irrungen", "Maß für Maß", "Ende gut, Alles gut", "Antonius und Kleopatra", "Troilus und Cressida", "Die lustigen Weiber von Windsor", "Verlorene Liebesmühe", "Titus Andronicus", "Othello" und "Lear" wurden von B. verdeutscht, von Tieck durchgesehen und mit Anmerkungen begleitet. Auch übertrug B. die vier von Tieck herausgegebenen pseudoshakespeareschen Stücke "Eduard III.", "Thomas Cromwell", "Oldcastle" und "Der Londoner Verschwender" (Stuttg. 1836). In "Ben Jonson und seine Schule, mit Anmerkungen und einem histor. Überblick über die Geschichte der engl. Bühne" (2 Bde., Lpz. 1836) gab er Übersetzungen älterer engl. Dramen. Aus der mittelhochdeutschen Litteratur erneuerte B. "Iwein mit dem Löwen" von Hartmann von Aue (Berl. 1845) und den "Wigalois" Wirnts von Grafenberg (Lpz. 1848). Den Höhepunkt seiner Übersetzerthätigkeit bezeichnete die Verdeutschung der Lustspiele Molières (4 Bde., Lpz. 1865-67), unter denen er die im Alexandriner geschriebenen, um sie der deutschen Bühne zugänglicher zu machen, in fünffüßige Jamben übertrug; ferner übersetzte er "Zwei dramat. Dichtungen von Fr. Coppée" (ebd. 1874), "Dramat. Sprichwörter" von Carmontelle und Th. Leclerq (2 Bde., ebd. 1875), Stücke von Gozzi und