Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Beauftragter Richter; Beaugency; Beauharnais

597

Beauftragter Richter - Beauharnais

der Unfallentschädigungen zugezogen werden und haben den Fabrikinspektoren (Gewerberäten), mit denen sie Hand in Hand gehen sollen, auf Erfordern über ihre Überwachungsthätigkeit Mitteilung zu machen (§. 82 fg. des Gesetzes vom 6. Juli 1885).

Beauftragter Richter, im Sinne der Deutschen Civil- und Strafprozeßordnung ein Mitglied des erkennenden Kollegialgerichts, welches von diesem mit der Vornahme gewisser Prozeßhandlungen außerhalb der mündlichen Verhandlung, namentlich von Beweisaufnahmen oder Vernehmungen, betraut wird. Ein solcher Richter steht im Gegensatz einerseits zum erkennenden, andererseits zum ersuchten Richter. Die Rechtsstellung desselben ist in den Prozeßgesetzen abgegrenzt. Vgl. Civilprozeßordn. §§. 151, 171, 207, 268, 294, 313, 320, 326, 330, 331, 335, 337, 340, 354, 363, 365, 367, 370, 399, 441, 453, 579, 612; Strafprozeßordn. §§. 50, 69, 222, 232, 331, 409.

Beaugency (spr. boschangßih), Hauptstadt des Kantons B. (145,04 qkm, 7 Gemeinden, 11683 E.) imArrondissement Orléans des franz. Depart. Loiret, 26 km im SW. von Orléans, in schöner Lage am rechten Ufer der Loire, über welche hier eine alte, 440 m lange Steinbrücke in 39 Bogen führt, und an der Linie Paris-Tours-Bordeaux der Orléansbahn, die hier einen Viadukt von 25 Bogen überschreitet. Die Stadt hat eine kalte Mineralquelle und (1891) 3561, als Gemeinde 4313 E., Post und Telegraph, Brauerei, Brennerei und Lohgerberei sowie Handel mit Weinessig, Getreide und Eisen, besonders mit den geschätzten Weinen der Umgegend (Clos de Guignes). Außer dem 1520–25 von dem berühmten Architekten Viart erbauten Stadthaus (s. Tafel: Französische Kunst Ⅱ, Fig. 9), der Kirche St. Firmin, dem alten Genovevakloster (jetzt Bettlerherberge) hat die Stadt noch einen der ältesten Warttürme (Tour de César), ein Rest ihrer aus dem 10. Jahrh. stammenden Befestigung, und in der Nähe ein großartiges Druidendenkmal. – Seit dem 7. Jahrh. hatte B. eigene Barone und eine Pfalz (Balgentiacus) der Karolinger. 1104 und 1151 fanden hier Konzile statt. 1163–65 Aufenthaltsort Papst Alexanders Ⅲ., ging es 1291 durch Kauf an Philipp Ⅳ. über. In den Kriegen zwischen Engländern und Franzosen wiederholt erobert, gelangte B. später an Dunois und dessen Nachkommen und 1498 wieder an die Krone. Heinrich Ⅳ. schenkte es seiner Geliebten Henriette von Balzac, später kam es in den Besitz der Familie Orléans. Im Deutsch-Französischen Kriege schlug 8. Dez. 1870 der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin beim Vorrücken auf Tours die zwischen B. und dem Walde von Marchenoir stehende zweite Loire-Armee des Generals Chanzy und warf sie in der Richtung auf Le Mans zurück.

Beauharnais (spr. boarnäh), Alexandre, Vicomte de B., geb. 28. Mai 1760 auf Martinique, zeichnete sich im amerik. Freiheitskriege unter General Rochambeau aus. Beim Ausbruch der Revolution von dem Adel zu Blois zu den Generalstaaten abgeordnet, war er einer der ersten, die mit dem dritten Stande stimmten. In der Nacht vom 4. Aug. erklärte er sich für Abschaffung der Privilegien, für Zulassung aller Bürger zu den Staatsämtern und für die Gleichheit vor Gericht. Nach dem blutig unterdrückten Aufstande zu Nancy verteidigte er den General Bouillé (s. d.), wodurch er sich die Volksgunst verscherzte. Als 21. Juni 1791 die Nationalversammlung die Flucht des Königs erfuhr, hielt er durch seine Besonnenheit die Versammlung von übereilten Maßregeln zurück. Zu Anfang des August trat er aus der Nationalversammlung, deren Präsident er zweimal gewesen war, ging als Generaladjutant zur Nordarmee, kämpfte unter General Custine bei Soissons, weigerte sich jedoch 1793 das Kriegsministerium zu übernehmen und reichte sogar als Obergeneral der Rheinarmee seine Abdankung ein, weil man den Adel aus der Armee stieß. Unter der Schreckensherrschaft wurde er von der Grenze in das Innere Frankreichs verwiesen und begab sich auf sein Landgut zu Ferté-Imbault. Seine Feinde verbreiteten das Gerücht, daß er zur Übergabe von Mainz beigetragen habe, er wurde deshalb nach Paris gebracht, vom Revolutionstribunal zum Tode verurteilt und am 23. Juli 1794 hingerichtet. Seine Witwe Josephine (s. d.), geborene Tascher de la Pagerie, ward die Gemahlin Napoleons Ⅰ. Ihr Sohn Eugène B., zur Zeit des franz. Kaiserreichs Vicekönig von Italien, ward später Herzog von Leuchtenberg (s. d.); ihre Tochter Hortense B., vermählt mit Ludwig, König von Holland, ist die Mutter Napoleons Ⅲ. ^[Spaltenwechsel]

Beauharnais (spr. boarnäh), Fanny, Comtesse de, geborene Marie Anne Françoise Mouchard, geb. 1738 zu Paris, war seit 1753 mit dem Seeoffizier Grafen Claude B., Oheim von François und Alexandre B., vermählt; doch trennte sie sich bald wieder von ihrem Gatten und lebte seitdem zu Paris ihrer Neigung für die Litteratur. Sie starb 2. Juli 1813. Unter dem Namen Fanny schrieb sie jetzt veraltete Dichtungen, wie «Les Mélanges de poésies fugitives et de prose sans conséquence» (Par. 1772), den Roman «Les Lettres de Stéphanie» (1773), «La fausse inconstance» (Lustspiel, 1787), «La Marmotte philosophique» (1811).

Ihr Sohn Claude, Graf von B., geb.29. Sept. 1756, war unter Napoleon Ⅰ. Senator und ward 1810 Ehrenritter der Kaiserin Marie Luise. 1814 zum Pair ernannt, behielt er auch später diese Würde, da er während der Hundert Tage kein Amt angenommen hatte. B. starb 10. Jan. 1819 zu Paris. Seine Tochter Stephanie, aus erster Ehe mit der Gräfin Marnézia, wurde durch Napoleon 1806 mit dem damaligen Erbprinzen, spätern Großherzog Karl Ludwig von Baden vermählt.

Beauharnais (spr. boarnäh), François, Marquis de B., Bruder von Alexandre B., geb. 12.Aug. 1756 zu La Rochelle, stammte aus einem alten franz. Adelsgeschlechte, dessen Ahnherr, Guillaume B., Seigneur de Miramion und de la Chaussée, am Ende des 14. Jahrh. erwähnt wird. Er hielt sich in der Nationalversammlung 1789 zur Partei des Adels. Er entwarf 1792 mit d'Hervilly, de Briges und de Vioménil einen neuen Plan zur Entweichung der königl. Familie und ging, als dieser scheiterte, zur Armee des Prinzen Condé, wo er Generalmajor wurde. Nach dem 18. Brumaire schrieb er Bonaparte als Erstem Konsul einen Brief, er möge den einzigen Ruhm, der ihm noch fehle, erwerben, indem er den Bourbonen das Scepter von Frankreich zurückgebe. Obschon Bonaparte durch dies Ansinnen verletzt schien, durfte doch B. infolge der Vermählung seiner Tochter Emilie Louise mit Lavalette, dem Adjutanten des Kaisers, 1804 nach Frankreich zurückkehren. Er verschmähte jetzt nicht, aus den Händen Napoleons 1805 den Gesandtschaftsposten am Hofe von Etrurien und 1807 den zu Madrid zu übernehmen.