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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bellis; Bellit; Bell-Lancastersches Unterrichtssystem; Bellman

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Bellis - Bellman

zu St. Peter und Stephan, ein Bau des 16. Jahrh. mit neuerer Marmorfaçade. Das ehemalige Augustinerkloster ist jetzt Sitz der Kantonsregierung. Ein großer 700 m langer Damm schützt die Stadt vor den Überschwemmungen des Ticino, über den sich hier mit 14 Bogen eine 260 m lange, 7 m breite, aus Granitquadern erbaute Brücke spannt. Als Schlüssel der Gotthardstraße und -Bahn (Luzern-Chiasso), von der hier die Zweiglinie B.-Luino (39,6 km) und B.-Locarno (22 km) und unweit die Straße über den San Bernardino und die Monte-Cenerebahn abzweigen, hat B. große militär. Bedeutung und besitzt eine bedeutende Kaserne und einige Festungswerke, die neuerdings an der Stelle der von den Visconti im Mittelalter erbauten wiederhergestellt sind.

Bellis L., Pflanzengattung aus der Familie der Kompositen (s. d.) mit nur 8 Arten, die in der nördlichen gemäßigten Zone der Alten und Neuen Welt vorkommen. Es sind meist rasenbildende niedrige Gewächse mit wurzelständigen, ganzrandigen Blättern und nackten Blütenschäften. In Deutschland findet sich nur eine einzige Art, das allbekannte Gänseblümchen oder Maßlieb (B. perennis L.), eine überall auf Wiesen, Grasplätzen, an Wegen u. s. w. wachsende und fast das ganze Jahr hindurch blühende perennierende Pflanze, welche durch Gartenkultur auch zu einer hübschen Zierpflanze, dem Tausendschön oder Sammetröschen geworden ist. Die Blumen sind weiß, rosarot, rot, blutrot, auch gestreift und bald unvollkommen, bald dicht gefüllt. Sehr interessant ist B. perennis, var. prolifera, das sprossende Maßlieb, dadurch ausgezeichnet, daß sich im Umkreise des ziemlich großen Blütenköpfchens ein Kranz kleinerer bildet, die sich nach und nach entwickeln. Man vermehrt diese Zierpflanze, welche am besten in leichtem Boden gedeiht, durch Samen und Zerteilung der Stöcke. Letzteres muß, wenn die Blumen in der Füllung nicht zurückgehen sollen, mindestens alle zwei Jahre geschehen.

Bellit, ein vom schwed. Ingenieur Lamm 1886 erfundener Sprengstoff, der aus 1 Teil Dinitrobenzol und 4 bis 5 Teilen Ammoniumnitrat besteht, die gepulvert und unter Erwärmung bis 100° innig gemischt werden. Hierdurch plastisch geworden, wird die Masse in Form von Patronen gepreßt. Das B. ist, soweit bis jetzt bekannt, sowohl bei der Anfertigung als auch bei der Verwendung fast ungefährlich, da es sich weder durch Reibung, Schlag, Erhitzung, noch selbst durch explodierendes Schießpulver entzündet; nur Knallpräparate bringen es zur Explosion, bei der es außerordentlich wenig Flamme zeigt. Es ist aber hygroskopisch und wird deshalb beim Aufbewahren feucht.

Bell-Lancastersches Unterrichtssystem oder Methode des gegenseitigen Unterrichts, dasjenige Lehrsystem, nach welchem vorgerücktere Schüler unter Oberaufsicht eines Lehrers schwächere unterrichten. Durchgebildet und in ein System gebracht wurde diese Methode durch die Engländer Andrew Bell (s. d.) und Jos. Lancaster (s. d.) gegen Ende des 18. Jahrh. Ihre Unterrichtssysteme stimmen im wesentlichen miteinander überein. Man teilt die Schüler beim gegenseitigen Unterricht in eine Menge kleiner Klassen, deren jede durch einen fortgeschrittenern Schüler in den nötigsten Fertigkeiten so weit geübt wird, als dieser sie selbst vorher von dem Lehrmeister erlernt hat. Die Schulgehilfen heißen Monitors und haben ihre Klasse, ungefähr 10 Schüler, auf einer Bank sitzend oder in einem Halbkreise stehend, vor sich. Die geübtesten und moralisch zuverlässigsten Schüler führen wieder als Obergehilfen die Aufsicht über die Unterlehrer und deren Klassen. Andere Gehilfen halten auf die äußerliche Ordnung. Ein streng gehandhabtes System der Strafen und Belohnungen hält die Masse der Kinder in Zucht. Unterrichtet wurde in solcher Weise in Lesen, Rechnen, Schreiben und Religion.

Zur Verbreitung der Bellschen Unterrichtsweise in England, Wales, Schottland und Irland trug viel bei der 1811 von der kirchlichen Partei gegründete "Nationalverein zur Beförderung der Erziehung der Armen nach den Grundsätzen der herrschenden Kirche". Dem gegenüber fanden die seit 1798 von dem Quäker Lancaster eingerichteten Schulen unter den Dissenters großen Anklang; zu ihrer Unterstützung wurde 1814 der "Schulverein für Großbritannien und das Ausland" gestiftet. Von England aus verbreitete sich das Lancastersche Unterrichtssystem in außereurop. Erdteile und nach Frankreich, Rußland, Dänemark, Italien, der Schweiz. In Dänemark, namentlich in Schleswig-Holstein, wurde es, durch eine Kommission wesentlich umgearbeitet, unter dem Namen wechselseitige Schuleinrichtung infolge einer königl. Verordnung von 1822 in den Elementarschulen und gemischten (einklassigen) Volksschulen vielfach eingeführt. Das Militärwaisenhaus in Eckernförde wurde zur Normalschule erhoben. In Deutschland hat es wenig Eingang gefunden. Unter seinen Anhängern ist C. C. G. Zerrenner, unter den Gegnern A. Diesterweg hervorzuheben. Gegenwärtig ist die Pädagogik darüber einig, daß einen wirklichen Unterricht nur der Lehrer erteilen kann, daß also in Schulen mit sehr gefüllten Klassen, welche Schüler verschiedener Altersstufen enthalten, wohl bessere Schüler als Helfer verwendet werden, aber nie den Lehrer ersetzen können.

Litteratur. Außer den bei den Artikeln Bell und Lancaster angeführten Schriften vgl.: Natorp, Bell und Lancaster (Essen 1817); Harnisch, Ausführliche Darstellung und Beurteilung des Bell-Lancasterschen Schulwesens in England und Frankreich (Bresl. 1819); Diesterweg, Bemerkungen und Ansichten auf einer pädagogischen Reise nach den dän. Staaten im Sommer 1836 (Berl. 1836); Zerrenner, Über das Wesen und den Wert der wechselseitigen Schuleinrichtung (Magdeb. 1832); ders., Die wechselseitige Schuleinrichtung nach ihrem innern und äußern Werte, mit Beziehung auf des Seminardirektors Dr. Diesterweg Urteil über dieselbe (ebd. 1837); Rönnenkamp, Beleuchtung des Diesterwegschen Urteils (Altona 1837); ders., Reflexionen und Aphorismen über das Wesen, die Vorzüge, die Vervollkommnung und den Fortgang der wechselseitigen Schuleinrichtung (ebd. 1840); G. A. Riecke, Die wechselseitige Schuleinrichtung und ihre Anwendung auf Württemberg (Stuttg. 1846); Hartter, Inneres Leben in Schulen mit wechselseitigem Unterricht (Tüb. 1842).

Bellman, Carl Michael, schwed. Dichter, geb. 4. Febr. 1740 zu Stockholm, trat nach Vollendung seiner Studien bei der Bank und beim Zollwesen in Stockholm ein und zog durch Gedichte die Aufmerksamkeit König Gustavs III. auf sich, der ihm eine Anstellung bei der Lotterie und 1776 den Titel eines Hofsekretärs verlieh. B. befand sich stets in gedrückter Lage. Namentlich waren seine letzten Jahre sehr verdüstert. Er starb 11. Febr. 1795. Seine Dichtungen waren oft Improvisationen. Auch die Melodien